Der Fußballmanager Horst Heldt könnte zuletzt den Eindruck gewonnen haben, dass es schwierig ist, für den kriselnden FC Schalke 04 einen geeigneten Trainer zu finden. Mancher Kandidat wollte sich das offenbar nicht antun. Zunächst hatte der erfolgreiche und bei den Fans beliebte A-Jugend-Trainer Norbert Elgert - wenn auch ohne konkretes Angebot - gesagt, er wolle nicht Cheftrainer werden, weil er Erholung benötige. Vergangenen Mittwoch hat der umworbene Markus Weinzierl mitgeteilt, er bleibe lieber Trainer beim FC Augsburg. Und der belgische Nationaltrainer Marc Wilmots, auf Schalke ein Held der Historie, muss sein Interesse am Posten in Gelsenkirchen mit derart hohen Forderungen dekoriert haben, dass kein Vertrag zustande gekommen ist. Dann ist Heldt nach Mallorca geflogen, um den Paderborner Trainer André Breitenreiter per Handschlag bis 2017 zu verpflichten. Breitenreiter schlug ein, und Heldt sagte hinterher: "Am meisten hat uns gefallen, dass er überhaupt keine Bedenken hatte, die hier sicherlich nicht leichte Aufgabe sofort anzunehmen."
Seit Heldt gewagt hat, in Breitenreiter, 41, einen Trainer zu verpflichten, der bislang Erfahrung mit der F-Jugend des TuS Altwarmbüchen, dem Viertligisten TSV Havelse und dem SC Paderborn gesammelt hat, wird rund um Schalke vor allem der Begriff "Mut" diskutiert. Heldt findet Breitenreiter offenbar mutig dafür, dass dieser sich furchtlos auf den brüchigen Trainerstuhl beim FC Schalke setzt, und viele Vereinsbeobachter finden Heldt mutig dafür, dass er dem auf hohem Liga-Niveau sowie im Europapokal unerfahrenen Breitenreiter diese Chance gibt in einer Phase seiner Schalker Managerkarriere, in der er sich mit Trainerentscheidungen keine Fehlgriffe mehr leisten sollte. Womöglich haben sich die beiden auf Mallorca gegenseitig Mut zugesprochen.
Fans des SC Paderborn, die von Freitag bis Sonntagabend auf einer Wanderung durchs Sauerland unterwegs waren, mögen überrascht gewesen sein von dem Tempo, mit dem sich die Dinge in Ostwestfalen verändern können. Am Freitagabend wurde Breitenreiters Abschied bekannt, am Sonntagmittag präsentierte der Bundesliga-Absteiger in dem früheren Paderborner Assistenzcoach Markus Gellhaus bereits einen neuen Trainer. Sportchef Michael Born und Präsident Wilfried Finke sind also wohl kaum von Breitenreiters Entscheidung überrascht worden.
Auf dem falschen Fuß ist hingegen offenbar der Belgier Wilmots erwischt worden. Am Freitagabend grantelte er zunächst, es sei "ein schlechter Witz, wenn man meint, mir irgendetwas absagen zu können". Am Wochenende schob er hinterher: "Wenn ich gewollt hätte, wäre ich jetzt auf Schalke - aber ich habe mich mit meiner Frau und meinem Berater entschieden, das Angebot nicht anzunehmen." Solche Eitelkeiten sind Breitenreiter fremd. Er hat kein Problem damit, als womöglich erst als dritter nachgefragter Trainer den Job auf Schalke anzunehmen, und er hat offenbar keine Furcht vor der teils als schwierig geltenden Mannschaft, vor den emotionalen Fans und vor den enormen Ansprüchen des Klubs, mit ansehnlichem Offensivfußball wieder ein Champions-League-Teilnehmer zu werden. Die Erwartungen an den neuen Trainer sind vielschichtig und hoch, aber Breitenreiter sagte der Bild am Sonntag: "Das macht mir keine Angst - schon der Sprung vom Regionalligisten Havelse zu Paderborn in die zweite Liga war nicht ohne."
In Altwarmbüchen, Havelse und Paderborn hat Breitenreiter Fußballer trainiert, die sich mit seinem technischen Knowhow entwickeln und von seinen präzisen Matchplänen spielerisch profitieren wollten. Auf Schalke wird er es aber eher mit Spielern zu tun bekommen, die fußballerisch und finanziell bereits viel erreicht haben und nicht mehr primär, wie Breitenreiter über seine jungen Paderborner sagte, "in der Liga auf sich aufmerksam machen wollen". Vom SC Paderborn aus hat übrigens bislang kein einziger Spieler einen großen Karriereschritt gemacht - nur Breitenreiter, der Trainer.