FC Schalke 04:"Ganz woanders!"

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Nach der Niederlage in Nürnberg muss sich Schalke 04 sorgen, seine Ziele nicht zu erreichen. Trainer Magaths Elf wirkt derzeit wie ein bizarres Konstrukt, dessen schöne Einzelteile ein unansehnliches Ganzes ergeben.

Jürgen Schmieder, Nürnberg

Nach dem Spiel versammeln sich etwa 50 Schalker Fans vor dem Spielerausgang des Nürnberger Stadions. Sie wollen ihren Unmut kundtun über die 1:2-Niederlage beim 1. FC Nürnberg und vor allem über die dürftige Leistung ihrer Elf in den 90 Minuten zuvor. Als die Spieler dann den kurzen Weg vom Stadion zum Bus zurücklegen, da buhen die Fans, sie pfeifen, manch einer streut in dramaturgisch wertvollen Momenten einen vulgären Begriff ein.

Zum Wegschauen: Schalkes Trainer Felix Magath. (Foto: dapd)

Es hätte diesen Aufstand der Fans nicht gebraucht, um den Spielern zu verdeutlichen, was von ihrer Vorstellung zu halten war - diese Aufgabe übernimmt Felix Magath bei der Pressekonferenz. "Ich bin völlig unzufrieden mit dem, was meine Mannschaft geboten hat", sagt der Schalker Trainer. "Hinten haben wir katastrophale und völlig unerklärliche Fehler gemacht. Man muss sagen, dass einige Spieler mit dem Kopf ganz woanders waren. Vielleicht schon bei der Länderspielpause."

Magath spricht über den grotesken Stellungsfehler von Benedikt Höwedes vor dem 0:1 und über die mindestens drei Schritte, die Christoph Metzelder zu spät kam gegen den Nürnberger Torschützen Mike Frantz. Er spricht auch von der 82. Minute, als sich Ivan Rakitic bei einem Eckball der Nürnberger dazu entschloss, beim Kopfball von Andreas Wolf nur den erstaunten Zuseher zu geben. Weil dieser Kopfball nur an den Pfosten tropfte, beschloss Rakitic, es beim nächsten Eckstoß wieder mit der Zuseherrolle zu versuchen - nur dass Wolfs das Spielgerät dieses Mal ins Tor lenkte.

Die beiden Gegentore sind jedoch nur die Spitze eines überdimensionalen Eisbergs, auf den Schalke 04 in dieser Bundesliga-Saison zuzusteuern droht. Nur vier Punkte aus sieben Spielen hat die Elf von Felix Magath erreicht, wobei das Wort "Elf" eigentlich nicht verwendet werden darf, schließlich musste Schalke bislang mehr Spiele in Unterzahl beenden als in voller Besetzung. "Natürlich laufen wir Gefahr, dass die Ziele, die wir haben, nur schwer erreichen können", sagte Magath - und wer den Schalker Trainer kennt, der weiß, dass seine Ziele trotz wiederholter Dementi die fortwährende Qualifikation für die Champions League und spätestens in drei Jahren die Deutsche Meisterschaft sind.

Uninspirierte Vorstellung

Es war eine uninspirierte Vorstellung der Schalker in Nürnberg - und es würde wohl selbst den Rahmen des scheinbar unendlichen Internets sprengen, alle Mängel aufzuzählen. Einen Versuch ist es trotzdem wert.

Da gibt es etwa Zugang Raúl, dessen Körpersprache in Nürnberg zwischen Verzweiflung und Resignation schwankt. Er lässt sich in Ermangelung von Zuspielen immer wieder zurück fallen, nimmt damit jedoch Jefferson Farfan und Marin Jurado den Raum, um sich durchs Mittelfeld zu kombinieren. Es gibt Zugang Klaas-Jan Huntelaar, der immerhin den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielt. Er weicht in Ermangelung von Zuspielen immer wieder auf die Außenbahn, nimmt damit jedoch Jermaine Jones und Benedikt Höwedes den Raum, sich einmal durchzusetzen. Es hat offensiv den Anschein, als würden die Schalker Spieler nicht miteinander, sondern nebeneinander, bisweilen gar gegeneinander spielen.

Defensiv dagegen wird Magath heilfroh sein, dass er mit Manuel Neuer nicht nur einen formidablen Torhüter zwischen den Pfosten hat, sondern auch einen begabten Fußballer mit schneller Auffassungsgabe. Immer wieder muss Neuer gegen Nürnberg den Libero geben, um die Stellungsfehler seiner Vorderleute bei den nun wahrlich nicht zahlreichen und wahrlich nicht zwingenden Angriffen der Nürnberger zu korrigieren.

FC Schalke 04
:Magaths Weltelf

Raúl sehnt sich nach der Ersatzbank von Real Madrid, Huntelaar fühlt sich einsam und Jones fällt erst auf, als er den Nürnberger Torhüter brutal umgrätscht. Die Schalker Elf präsentiert sich beim 1:2 in Nürnberg als uninspirierter Haufen. Die Einzelkritik.

Jürgen Schmieder, Nürnberg

Selbst der Nürnberger Trainer Dieter Hecking verweist auf die inkonsequent vorgetragenen Spielzüge seiner Elf: "Junge Spieler wie Mehmet Ekici, Julian Schieber und Mike Frantz müssen lernen, dass sie jeden Angriff zu Ende spielen müssen. Nur dann wird es gefährlich." Der Führungstreffer sei der erste konsequente Angriff seiner Elf gewesen, woraufhin Felix Magath die Stirn in Falten legt, weil dieser Satz auch bedeutet: Ein guter Angriff reicht - und schon muss Schalke ein Gegentor hinnehmen.

Zu all diesen Mängeln gesellen sich zahlreiche Stockfehler (an diesem Nachmittag bestens präsentiert von Lukas Schmitz), eigensinnige Aktionen (bester Mann in diesem Segment: Jurado) und Undiszipliniertheiten, die in der gelb-roten Karte für Jermaine Jones gipfeln. Auf geradezu groteske Weise versucht er, ein ungenaues Zuspiel zu erreichen und springt dem Nürnberger Torhüter Rafael Schäfer gegen den Kopf, der kurze Zeit nach dem Foul mit Verdacht auf Gehirnerschütterung vom Feld muss.

Magath versucht später zwar, die Szene herunterzuspielen ("Es war keine Absicht, Schäfer kommt riskant heraus. Ich weiß nicht, ob eine gelbe Karte gerechtfertigt war"), doch sind nicht wenige Beobachter der Ansicht, dass nicht nur eine rote Karte in Ordnung gewesen wäre, sondern dass Schäfer mit einer Klage wegen vorsätzlicher Körperverletzung durchaus Aussicht auf Erfolg haben könnte.

Es ist ein gefährliches Konstrukt, das sich Felix Magath in Schalke aufgebaut hat: Er hat prominente Spieler (unter anderem Raúl, Metzelder und Huntelaar) verpflichtet und ebenso prominente wie bei den Fans beliebte Akteure (unter anderem Rafinha und Kevin Kuranyi) abgegeben mit dem Ziel, aus Schalke 04 einen Verein zu machen, der in den kommenden drei Jahren als ernsthafter Bewerber um die Deutsche Meisterschaft gilt und eine nicht unbedeutende Rolle in der Champions League spielt.

Derzeit jedoch wirkt die Elf, die da auf dem Feld steht, wie eine Frau, bei der alle Einzelmerkmale auf eine Karriere als Supermodel hinweisen, die in ihrer Gesamtheit indes eher unattraktiv daherkommt. Es passt irgendwie nicht viel zusammen, dabei gilt Magath doch als Meister in der Kunst, einen Kader zu basteln, bei dem vieles zusammenpasst. "Wir dürfen uns nicht verrückt machen lassen", will Manuel Neuer nach dem Spiel zu beruhigen - doch sein Blick verrät, dass selbst er erkennt, dass seine Aussage nur ein Beruhigungsversuch ist.

"Das sind schwere Zeiten für den FC Schalke 04, für die Fans. Und hoffentlich auch für die Spieler", sagt Magath. Der Rückstand auf Tabellenführer Mainz 05 beträgt nach gerade einmal sieben Spieltagen bereits 17 Punkte - und auch wenn nicht abzusehen ist, wo Mainz am Ende der Saison landet, steht immerhin fest, dass der Verein noch mindestens bis zum 13. Spieltag vor den Schalkern stehen wird. Womöglich noch länger.

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