Süddeutsche Zeitung

FC Schalke 04: Felix Magath:Alleinherrscher im Abseits

Laut SZ-Informationen trennt sich Schalke 04 bereits zum Saisonende von Trainer Felix Magath. Sollte der streitbare Alleinherrscher schon vorher gehen, strebt der Klub offenbar eine Zwischenlösung mit Otto Rehhagel an.

Philipp Selldorf

Die Leute von Bayer 04 Leverkusen haben Hans Sarpei herzlich gratuliert, als sie ihn vorigen August nach Schalke verabschiedeten. Dass der 34-Jährige noch mal so einen tollen Zwei-Jahres-Vertrag bekommen würde, das fand man bei Bayer doppelt erfreulich: Die Leverkusener freuten sich für Sarpei, der drei Jahre ein beliebter Reservespieler war, und außerdem freuten sie sich über das Geschenk von 300.000 Euro Ablöse, denn der Verteidiger mit auslaufendem Vertrag wurde, bei aller Wertschätzung, nicht mehr benötigt.

In Schalke kam die Verpflichtung des ghanaischen WM-Teilnehmers im Kleingedruckten vor. Ende August ging es hektisch zu in Gelsenkirchen, Felix Magath kaufte gerade en gros ein, außer dem kölschen Ghanaer kamen der Rumäne Deac, der Niederländer Huntelaar und der Spanier Jurado, lauter Millionentransfers, die Gebühr für Sarpei war Kleingeld.

Bisher hat sich der tolle Vertrag beim Traditionsklub jedoch als tückisch erwiesen. Sarpei hat Schalke von ganz oben und von ganz unten kennengelernt. Mal durfte er mitspielen, mal saß er auf der Bank oder der Tribüne, und nachdem er Ende November ins Regionalligateam abkommandiert worden war, tauchte er im Februar plötzlich im ersten Aufgebot auf, um beim Pokalspiel in München als Bewacher von Arjen Robben "das Comeback des Jahres" zu geben, wie Kollege Christoph Metzelder scherzte. Der nächste große Einsatz könnte an diesem Mittwoch beim Champions-League-Rückspiel gegen Valencia bevorstehen.

So ist der Verteidiger ein typischer Fall für die Personalführung des Generalintendanten Magath. Hin- und hergeschoben wie ein Objekt, sich selbst überlassen, bei Gelegenheit in Gebrauch genommen. Macht man einen Strich unter die Rechnung, könnte man sagen, dass sich die Sache gelohnt hat. Schalke steht, auch dank Sarpei, im Pokalfinale, die Kosten für den Routinier sind gedeckt. Aber so einfach ist die Rechnung nicht.

Wenn die Ära Felix Magath in Schalke nun an ihr Ende gelangt - laut SZ-Informationen haben sich die Führungsgremien des Klubs auf eine Trennung zum Saisonende verständigt - dann liegt das auch daran, wie der Trainer mit Spielern wie Sarpei umgeht. Dass er sie nicht durch Zureden oder in Gesprächen ermutigt; dass er sie behandelt wie anonyme Funktionselemente. Er macht das nicht aus Bosheit. Das Prinzip der Unnahbarkeit, auch der Erbarmungslosigkeit ist Teil seiner Trainermethodik, darauf beruft er sich ja oft genug, wenn er von Branko Zebec und Ernst Happel schwärmt, den strengen Lehrmeistern seiner Spielerzeit beim HSV.

In Schalke, so heißt es, tausche sich Magath nur noch mit Metzelder und Raúl aus, selbst dem Kapitän Manuel Neuer schenke er nur das nötigste Maß an Ansprache. Auch sein Ruf als Talentförderer, den er im Vorjahr erwarb, als er die Junioren Moritz, Matip und Schmitz einführte, ist im kälter gewordenen Alltag des zweiten Jahres verloren gegangen.

Statt ihnen Freude am Fußball zu vermitteln, so erzählen Kritiker, habe Magath die Spieler mit seinem Zynismus verunsichert. Und jetzt sehnt sich nicht nur die Mannschaft nach einem anderen Trainermodell, nach einem Mann etwa wie Ralf Rangnick, der aus seinem ersten Engagement in Schalke in guter Erinnerung ist. Es ist ja eine Gelegenheit: Noch ist Rangnick zu haben. Allerdings prüft der Schwabe auch Angebote aus Wolfsburg und Hamburg, letztere Offerte gilt derzeit als die aussichtsreichste.

Dabei ist es weniger die sportliche Bilanz, die Magath vorgeworfen wird. Der Klub steht im Pokalfinale und vielversprechend in der Champions-League, das gleicht fürs Erste die Abstiegssorgen in der Liga aus. Es ist, das akzeptiert man, ein Umbruchjahr.

Wenngleich man sich fragt, warum es diesen brachialen Umbruch hatte geben müssen, warum Magath heimisch gewordene Spieler wie Rafinha, Westermann, Bordon oder Kuranyi nicht gehalten hat, zumal er teure Profis durch teure Profis ersetzt hat, die - wie der begabte, aber nicht außergewöhnliche Jurado - eine extrem hohe Ablöse kosteten. Und wenn Magath stets das Spargebot des Klubs und die Begrenztheit der Finanzen anführt, dann wundern sich die Leute im Verein, wie er eine knappe halbe Million Euro Unterhaltskosten in Ali Karimi stecken kann.

Das andere Problem, das Magath in Schalke zum Abschied zwingen wird, ist die Grundlage seiner Herrschaft: der eigene Staat, den er mit seinen Vertrauten im Verein errichtet hat. Seine Leute im Trainer- und Betreuerstab, in der Jugendarbeit, in der Vereinsverwaltung und im Marketing umgeben ihn wie ein hermetisches System. Viele alte Mitarbeiter mussten gehen, manche teuer abgefunden werden. "Der Mann hat das Misstrauen erfunden", heißt es an verantwortlicher Stelle über Magath, sein Streben nach dem Machtmonopol hat ihn in die Isolation geführt.

Und so ist Schalke ein gespaltener Klub. Hier Magath und sein im Hausjargon als "Besatzungsmacht" bezeichneter Stab, dort die alte Vereinsgesellschaft, der inzwischen auch der im Sommer aus Stuttgart abgeworbene Horst Heldt angehört. Von den sportlichen Prozessen hat Magath ihn konsequent ferngehalten, er hält Heldt für einen Vertrauten des Verwaltungsratschefs Clemens Tönnies. Der hatte die Initiative ergriffen, Heldt zu holen, auch als Absicherung für andere Zeiten - und Tönnies repräsentiert aus Magaths Sicht jenen Teil des Klubs, der sich seiner Kontrolle entzieht und ihm gefährlich ist.

Historisch lässt sich der Anfang vom Ende, der Bruch zwischen Magath und Schalke, auf den 10. Mai 2010 datieren. Damals versagte die Jahreshauptversammlung Magath die Ermächtigung, ohne Rücksprache mit dem Aufsichtsrat wirtschaften zu dürfen. Magath war wütend. Er ging in den Sommerurlaub, aber als er wieder da war, hat er sich in einem gezielt platzierten Interview über diesen Widerstandsakt beklagt. So ging es weiter.

Er haderte und drohte, lieferte sich Machtkämpfe mit Tönnies, legte sich mit Teilen des Publikums an. Jetzt scheint sein Kredit aufgebraucht zu sein. Selbst ein Weiterkommen gegen Valencia und ein Sieg am Wochenende im Krisengipfel gegen Frankfurt werden daran wohl nichts mehr ändern.

Sollte die Trennung bereits früher vollzogen werden, strebt der Klub nach SZ-Informationen offenbar eine Zwischenlösung mit Otto Rehhagel an. Der 72-Jährige war nach der WM 2010 als Nationaltrainer Griechenlands zurückgetreten - er hätte demnach Zeit, den Schalker Trainerposten für einige Wochen zu übernehmen.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2011/jbe
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