1. FC Nürnberg:Sebastian fehlt Tim

Torhüter Thorsten Kirschbaum Nürnberg schaut dem Ball nach der nach dem abgefälschten Schuss von

Vergebliche Flugeinlage durchs Erzgebirgspanorama: Nürnbergs Torwart Thorsten Kirschbaum kann dem abgefälschten Schuss von Dominik Wydra nur hinterherschauen, 1:0 für Aue.

(Foto: Frank Kruczynski/imago)

Der 1. FC Nürnberg leistet sich schwere Abwehrfehler und muss bei Erzgebirge Aue die erste Saisonniederlage hinnehmen. Auch ein Mittelstürmer wird noch dringend gesucht.

Von Christoph Ruf

Zwei Minuten Nachspielzeit hatte Schiedsrichter Lasse Koslowski angezeigt. Und dass diese komplette Randnotiz von 92 Minuten Zweitliga-Fußball für so viel Wirbel sorgte, war dann fast schon wieder ein echter Höhepunkt des Tages. Ansonsten hätte man vielleicht nur notiert, dass am 26. August 2017 das bessere Team (Erzgebirge Aue) 3:1 gegen das schwächere (den 1. FC Nürnberg) gewonnen hatte. Und da die Franken im zweiten Durchgang im Grunde nur noch der Form halber auf dem Platz standen und erst in der 87. Minute den Ehrentreffer erzielten, hatte nun wirklich keiner der 9500 Zuschauer mehr den Eindruck, als könne sich in dieser Partie noch irgendetwas zu Gunsten der Nürnberger tun. Außer FCN-Trainer Michael Köllner allerdings, der sich ein minutenlanges Wortgefecht mit dem Vierten Offiziellen lieferte. Und außer zwei Nürnberger Spielern, die empört die Arme gen Himmel reckten, als die Nachspielzeit angezeigt wurde. Manchem Club-Fan muss diese Gefühlsaufwallung dann auch eher so vorgekommen sein, als habe man die Spieler in der 90. Minute daran erinnert, dass seit einer Dreiviertelstunde die zweite Halbzeit lief.

Immerhin, nach Schlusspfiff waren dann im Nürnberger Lager wieder alle einigermaßen in der Spur und analysierten akkurat, wie es zur ersten Saisonniederlage hatte kommen können. "Wir haben es einfach nicht geschafft, die richtig zuzustellen", beklagte Verteidiger Enrico Valentini. "Und ab der 46. Minute waren wir gar nicht mehr auf dem Platz." Das wiederum war neben der verpassten Zustellerei tatsächlich ein großes Problem gewesen. Denn gegen eine Nürnberger Mannschaft, die doch eigentlich in den Minuten 1 bis 20 richtig stark gespielt hatte, konnte Aue nun tun und lassen, was es wollte. Es entschied sich dafür, das Spiel zu bestimmen, und legte damit die Defizite in der Nürnberger Defensive mit jedem Angriff schonungsloser frei. War der erste Auer Treffer von Dominik Wydra nach einem schlecht verteidigten Eckball noch mit viel Wohlwollen unter der Rubrik einzusortieren, die Köllner dafür vorgesehen hatte ("Glücksschuss"), waren dem zweiten und dem dritten Tor durch Dimitrij Nazarov (73.) und Pascal Köpke (77.) einfach schwere Stellungsfehler der Nürnberger Abwehr vorangegangen. Der Anschlusstreffer durch Kevin Möhwald (87.) kam dann zu spät und zu unvermittelt, als dass man in der FCN-Fankurve noch Hoffnung auf eine längere Nachspielzeit hätte hegen müssen.

Für den Sturm will Trainer Köllner noch "einen erfahrenen Mann, der uns sofort weiterhilft"

Trainer Köllner wirkte nach dem Spiel dennoch nicht sonderlich angefressen. Er weiß ja, wo die Defizite einer Mannschaft liegen, der er grundsätzlich jede Menge zutraut, von der er aber auch ahnt, dass längst nicht alle Rückennummern in einer Qualität besetzt sind, die den Club schon zu Saisonbeginn zum Spitzenteam prädestinieren würde. Auf der Sechser-Position hatte Köllner dem sehr talentierten, aber auch noch sehr jungen Patrick Kammerbauer im Sächsischen eine Pause verordnet. Doch der ebenfalls erst 20 Jahre alte Eduard Löwen hatte an gleicher Stelle Mühe, die Lücken zu stopfen, die zwischen den zeitweise weit auseinanderklaffenden Ketten entstanden. Auch Ondrej Petrak hatte als Innenverteidiger neben Georg Margreitter Schwierigkeiten. Und Tim Leibold schien es auf der linken Außenverteidigerposition ohne den an der Achillessehne verletzten Sebastian Kerk vor ihm ausgesprochen unwohl zu sein.

"Sebastian fehlt Tim", bestätigte sein Trainer, dem natürlich auch aufgefallen war, dass fast alle Auer Angriffe über die linke Nürnberger Abwehrseite gelaufen waren, wo Leibold ein ums andere Mal von Chipbällen Richtung Eckfahne überspielt worden war und Kerk-Vertreter Edgar Salli Licht (offensiv) und Schatten (defensiv) im Spiel hatte. Doch das größte Problem war in Aue mal wieder das des einzigen Stürmers im Nürnberger 4-1-4-1-System. Hier scheint es tatsächlich, als sei es derzeit egal, ob Mikael Ishak (wie gegen Aue) oder Adam Zrelak (wie gegen Union) sich nach Kräften mühen, aber doch nur die Erinnerung an all die Schroths, Kollers, Schiebers, Choupo-Motings und Burgstallers wachhalten, die der FCN in den vergangenen 15 Jahren im Sturmzentrum hatte. Bis zum Ablauf der Transferfrist am Donnerstag sei mit froher Kunde auf dieser Position zu rechnen, kündigte Köllner am Samstag an: "Da brauchen wir einen erfahrenen Mann, der uns sofort weiterhilft."

Wobei es ansonsten eine gute Idee wäre, die verdiente Niederlage in den Gesamtkontext dieser merkwürdigen Zweitliga-Saison einzuordnen. Der Club hat am Wochenende das erste enttäuschende Spiel seit Mai abgeliefert. Dass das irgendwann mal passieren würde, war zu erwarten.

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