1. FC Nürnberg:Minute 95 plus eins

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„Wir dürfen nicht den Fehler machen und blind drauf los rennen.“ – Boris Schommers, hier mit Eduard Löwen (Mitte) und Törles Knöll. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Club-Trainer Boris Schommers macht der Mannschaft mit Rechenspielen Mut. Ewerton und Matheus Pereira drohen gegen Mönchengladbach auszufallen.

Von Sebastian Fischer

Es war kein Fahrradwetter am Donnerstag, es regnete, Boris Schommers schaute skeptisch aus dem Fenster. Der Trainer des 1. FC Nürnberg will alles versuchen, um am Samstag für die letzte Chance auf den Klassenverbleib Borussia Mönchengladbach zu schlagen. Und alles zu versuchen, das hatte zumindest am Vortag bedeutet, mit dem Fahrrad gemeinsam zum Mittagessen zu fahren und eine Ansprache zu halten.

"Es ging uns darum, in einem anderen Ambiente der Mannschaft zu verdeutlichen, in welcher Situation wir stehen", sagte Schommers: "Dass es eine sehr schwierige Situation ist, aber wir immer noch die Chance haben, den Klassenerhalt zu schaffen." Andererseits gab er zu, dass es wohl kaum die Motivation sein wird, an der die Spieler am Ende scheitern könnten, "man muss keinen mehr extrem pushen". Die Probleme liegen ja tiefer.

Die neuen Scouts Florian Meier und Kevin Cruickshank haben ihre Arbeit aufgenommen

Fünf Punkte beträgt der Rückstand des Tabellenvorletzten auf den VfB Stuttgart auf dem Relegationsplatz, immerhin mit dem besseren Torverhältnis. Vorausgesetzt, der VfB verliert eines der zwei verbleibenden Spiele und gewinnt das andere nicht, brauche Nürnberg "drei Siege und ein Unentschieden", letzteres im zweiten Relegationsspiel, dann sei der Klassenverbleib perfekt, sagte Schommers in der Pressekonferenz und lächelte. Er habe mit der Mannschaft auch über die Spiele in der Champions League gesprochen, über das 4:0 des FC Liverpool gegen Barcelona und den Sieg von Tottenham Hotspur in Amsterdam mit einem Tor in der Nachspielzeit. "Man sieht, dass Ergebnisse möglich sind, mit denen keiner mehr rechnet", sagte Schommers. "Es reicht auch in der 95. plus eins." Die jüngsten Ereignisse in Nürnberg tragen allerdings vor allem dazu bei, dass fast keiner mehr mit dem Club rechnet.

Dass Schommers in den vergangenen Wochen die Mannschaft stabilisierte und Nürnberg unter anderem ein beachtliches 1:1 gegen den FC Bayern erreichte, das lag auch an einer eingespielten Formation und etablierten Abläufen auf dem Platz. Doch nun drohen Innenverteidiger Ewerton und Mittelfeldspieler Matheus Pereira auszufallen, der eine mit einem Muskelfaserriss in den Adduktoren, der andere mit einer Oberschenkelzerrung. Besonders Rechtsaußen Pereira war zuletzt wichtig fürs Offensivspiel, war jeweils an den letzten drei Nürnberger Toren beteiligt. "Sehr, sehr, sehr fraglich" nannte Schommers einen Einsatz. Als Ersatz kommen in der Abwehr Georg Margreitter und in der Offensive Yuya Kubo infrage. Im Angriff steht auch Virgil Misidjan, im Sommer für rund drei Millionen Euro verpflichtet, wieder zur Verfügung. Der Niederländer hatte es zuletzt wegen schwacher Trainingsleistungen nicht in den Kader geschafft.

Bei einer Niederlage wäre die Begegnung mit Gladbach wohl nicht nur für Misidjan, den der Verein in der zweiten Liga kaum halten könnte, das letzte Heimspiel. Laut Kicker ist ein Wechsel von Eduard Löwen zu Eintracht Frankfurt wahrscheinlich, weitere Spieler werden seit Wochen mit Wechselgerüchten in Verbindung gebracht. Die ersten Zugänge in der sportlichen Leitung nahmen in dieser Woche die Arbeit auf: Kaderplaner Florian Meier, der für Scouting in Deutschland zuständig sein soll, sowie Kevin Cruickshank für die Spielersichtung im Ausland. Und auch über die Zukunft von Schommers, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, hat Nürnbergs Sportvorstand Robert Palikuca in den vergangenen Tagen nachgedacht.

Palikuca, inzwischen seit einem Monat in Nürnberg, hat es wohl nicht gefallen, dass der Interimstrainer offensiv für seine Weiterbeschäftigung warb. Es gebe aus rationaler Sicht keine Gründe dagegen, hatte Schommers gesagt und auch erklärt, nicht wie unter Vorgänger Michael Köllner als Assistenztrainer arbeiten zu wollen. Am Donnerstag sagte Schommers, er erwarte von seinen Spielern, dass sie sich nur mit dem Spiel gegen Gladbach beschäftigen - und werde es deshalb genauso halten. "Nach dem, was ich letzte Woche kommuniziert habe, ist alles gesagt", sagte er nur.

Ähnliches dürfte wohl auch für seine Ansprache an die Mannschaft gelten. Nürnbergs Taktik, zuletzt ein 4-4-2 in der Defensive, wird sich durch den Zwang, gewinnen zu müssen, kaum vollständig ändern. "Wir dürfen nicht den Fehler machen und blind drauf los rennen, weil wir unbedingt in den ersten zehn Minuten das Tor machen wollen", sagte Schommers. "Klar wollen wir noch mehr agieren und den Gegner unter Druck setzen - aber mit Verstand, wir dürfen die Ordnung nicht verlieren."

Dann, glaubt Schommers, könnte es auch noch ein Heimspiel geben. Und vielleicht ist ja in der kommenden Woche wieder Fahrradwetter.

© SZ vom 10.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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