1. FC Nürnberg in der Bundesliga:Emotional längst abgestiegen

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Am Boden: Der Nürnberger Josip Drmic bei der 0:2-Niederlage gegen Hannover (Foto: dpa)

Der Auftritt der Spieler ist blutleer, die Fans verlassen das Stadion lange vor Schlusspfiff. Nur noch das Wunder von Gelsenkirchen kann den 1. FC Nürnberg nun vor dem Abstieg retten. Doch daran glaubt in Franken niemand mehr.

Von Markus Schäflein, Nürnberg

Es waren noch etliche Minuten zu spielen, der 1. FC Nürnberg lag 0:2 zurück, die Konkurrenten aber auch, und abgestiegen war der Club noch lange nicht. Theoretisch nicht. Rechnerisch nicht. Emotional war er es schon lange. Hiroshi Kiyotake und Tomas Pekhart waren bei ihren Auswechslungen mit einem gellenden Pfeifkonzert verabschiedet worden. "Wir haben die Schnauze voll", riefen die Fans, und "Bader raus" in Richtung des Sportvorstands. Dann packten die Ultras ihre Sachen und verließen den Block.

Nach dem Schlusspfiff, der das 0:2 gegen Hannover besiegelte, gab es auf der Haupttribüne viele Buhrufe, ein paar hämische weiße Taschentücher und nur wenige Tränen. Die Mühe, am Mannschaftsbus zu schimpfen, machten sich nur noch wenige. Abstiegsstimmung überall.

Am letzten Spieltag könnte der Club mit einem Sieg auf Schalke tatsächlich noch den Relegationsplatz ergattern und dann womöglich den Klassenverbleib schaffen, aber an das Wunder von Gelsenkirchen glaubte niemand mehr. Viele hatten schon gegen Hannover damit gerechnet, enttäuscht zu werden, und das hatte ausnahmsweise nichts mit dem typischen fränkischen Pessimismus zu tun, sondern eher mit den vergangenen, scheinbar endlosen Monaten.

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Die Saison war zu lang und zu zermürbend gewesen, die Erwartungen waren schon zu oft enttäuscht worden, zu viele Trainerwechsel und Personalrochaden waren schon verpufft. Und der blutleere Auftritt der Mannschaft gegen Hannover gab auch keinen Anlass zur Hoffnung: zu viele Fehlpässe, zu viele weite Bälle, zu wenige Ideen und vor allem: viel zu wenig Mut.

Die Spieler waren berufsbedingt allerdings dazu verpflichtet, zumindest verbal irgendeine Art von Zuversicht zu verbreiten. "Wir müssen aufstehen und weiterarbeiten", appellierte Innenverteidiger Javier Pinola, "ab morgen müssen wir wieder an uns glauben. Wir haben noch ein Spiel, in das wir alles reinhauen müssen." Torwart Raphael Schäfer plante ebenfalls, "eine Woche hart zu arbeiten", denn: "In dieser Konstellation ist alles möglich. Wir werden sehr viel laufen müssen, uns sehr viel helfen müssen - und hoffen, dass wir ein Tor schießen und keines kriegen."

Das klang schon nicht mehr sehr überzeugend, und Pinolas Kollege Per Nilsson begründete die Hoffnung noch simpler: "Es ist ein Fußballspiel - also haben wir die Möglichkeit, zu gewinnen."

Diese Möglichkeit hatten sie auch gegen Hannover - und nahmen sie sich selbst. Ein Fehlpass von Mike Frantz führte zum 0:1 durch Szabolcs Huszti (5.), taktisches Fehlverhalten des Innenverteidiger-Pärchens Pinola/Nilsson zum 0:2 durch Manuel Schmiedebach (51.). Und die eigenen Möglichkeiten, etwa durch Adam Hlousek schon in der 9. Minute, vergaben die Nürnberger.

"So einen Rückstand stecken wir zur Zeit sehr schlecht weg", sagte Prinzen, "mit dem 1:1 hätten wir mal diesen Knackpunkt überwältigt. Die Jungs wollten und sie wollen immer noch." Pinola vermutete "eine Kopfsache", über die es zu reden gelte: "Wir verlieren bei einem Rückstand das Vertrauen. Wir dürfen nicht glauben, dass mit einem Gegentor alles vorbei ist. Es waren doch noch 85 Minuten übrig."

Diese Erkenntnis könnte zu spät kommen. Auf Schalke fehlt mit Pinola, Timothy Chandler und Marvin Plattenhardt fast die gesamte Viererkette gelbgesperrt. Als ob es noch Anlässe zu Pessimismus bräuchte.

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