1. FC Nürnberg:Ein Pünktchen Hoffnung

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Seltener Moment der Glückseligkeit: Das 1:1 gegen Bremen entfaltet in Nürnberg eine fast rauschhafte Wirkung. Trainer Köllner lobt den bemerkenswerten Geist seiner Elf.

Von Maik Rosner, Nürnberg

In dem Moment, als die Hoffnung zurückkehrte, lagen sich wildfremde Menschen in den Armen. Zumindest dürfte Mikael Ishak jenen Fans, denen er nach seinem späten Ausgleich am Zaun um den Hals fiel, noch nie begegnet sein, jedenfalls nicht in dieser Innigkeit. Doch dem Schweden war es in diesem seltenen Moment der Nürnberger Glückseligkeit völlig egal, von wem er da geherzt wurde. Wichtiger für den Stürmer und für alle anderen beim Club geriet der Umstand, nach sechs Niederlagen in Serie, viel Kritik und noch mehr Trübsal endlich wieder mal ein erfreuliches Erlebnis begehen zu können.

Auch wenn das 1:1 (0:0) gegen Werder Bremen nur als Teilerfolg daherkam, so entfaltete es doch eine beinahe rauschhafte Wirkung. Es wirkte fast, als eröffneten sie beim 1. FC Nürnberg jene Feierlichkeiten, die sie sich für das Ende der Saison erhoffen, trotz der erst zwölf Punkte aus 20 Spielen und aller Eindrücke, die eher gegen den Klassenverbleib sprechen. Immerhin genügte der Punkt nach der 14. sieglosen Partie nacheinander, um den letzten Tabellenplatz erstmals seit vier Spieltagen wieder dem kommenden Ligagegner Hannover 96 zu überlassen.

Torschütze Ishak stellte danach in Aussicht, was beim Club zuletzt so fern wirkte wie die Erinnerung an den letzten seiner neun deutschen Meistertitel 1968. "Wir werden immer besser und besser. Gegen Mainz hat man das auch schon gesehen, da war es auch gut, hat aber nicht für einen Punkt gereicht", sagte der 25-Jährige, der mit der ersten Aktion nach seiner Einwechselung Matheus Pereiras wohldosierten Schnittstellenpass in kühler Stürmermanier eingeschoben hatte (87.). Diesmal habe es zu einem Zähler gereicht, bilanzierte Ishak, "vielleicht gibt uns das ein bisschen Selbstvertrauen und wir können bald auch einen Dreier holen".

Musste einiges einstecken: Nürnbergs Torhüter Christian Mathenia. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Dass Ishak das Pünktchen Hoffnung so ausgelassen zelebrierte, hatte gewiss auch mit seiner Rolle als Nebendarsteller zu tun, die ihm zuletzt vom Trainer zugewiesen worden war. Mit zwölf Toren und acht Vorlagen hatte er in der Vorsaison maßgeblich zum Aufstieg beigetragen. Zuletzt aber hatte das Vertrauen von Michael Köllner in ihn erkennbar gelitten. Häufig reichte es nur zu Einwechselungen, zuweilen nicht einmal dazu. Nun scheint sich Ishaks Situation allerdings wieder deutlich aufzuhellen, jedenfalls prognostizierte Köllner: "Er wird für uns in dieser Saison als Torjäger noch wichtig werden."

Der Nürnberger Freudenausbruch fiel auch deshalb so heftig aus, weil die Mannschaft ihre Leidensfähigkeit und Unnachgiebigkeit nachgewiesen hatte. Eher wie ein Lazarettarzt klang Köllner, als er später über die Begleitumstände des hart erkämpften 1:1 sprach. Gleich sechs angeschlagene Spieler (Christian Mathenia, Tim Leibold, Ewerton, Pereira, Georg Margreitter und Enrico Valentini) umfasste sein Bulletin. Torwart Mathenia, den es mit einem Knockout, einer Bisswunde auf der Zunge und einer Verhärtung des Oberschenkels gleich mehrmals erwischt hatte, war laut Köllner "die komplette Halbzeit Fahrrad gefahren", um seine Muskulatur wieder zu lockern und ein Weiterspielen überhaupt zu ermöglichen.

Zur Folge hatte das allerdings einen weiteren Zusammenprall mit Bremens Abwehrspieler Theodor Gebre Selassie und eine kurze Bewusstlosigkeit. Doch Mathenia rappelte sich erneut auf und hielt durch. Was klang wie die Bestandsaufnahme nach einer Naturkatastrophe, diente vor allem als Verweis auf den bemerkenswerten Geist, mit dem Köllners Belegschaft das verdiente Unentschieden herbeigeführt hatte. "Das zeigt, wie charakterstark die Mannschaft ist. Sie hat einen riesigen Spirit", folgerte der Trainer.

Immer noch nur zwölf Punkte, aber das ist in diesem Moment völlig egal: Mikael Ishak feiert mit den Club-Fans den Ausgleichstreffer. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Der Club profitierte allerdings davon, dass die Bremer ihrem Anspruch, die Europa League zu erreichen, diesmal nicht gerecht wurden. Fast eine Stunde dauerte es bis zur ersten Chance durch Maximilian Eggesteins Distanzschuss. Und nachdem sein jüngerer Bruder Johannes die Führung erzielt hatte (64.), schenkte Werder den Sieg her, "weil wir gemessen an unseren Möglichkeiten bei weitem nicht an unserer Leistungsgrenze waren", wie Trainer Florian Kohfeldt später sagte. "Das war, egal welche Ziele man hat, zu wenig und auch nicht clever genug", ergänzte Geschäftsführer Frank Baumann.

Die Nürnberger schöpfen nun wieder Hoffnung, sich im Ringen um die Versetzung ins nächste Erstligajahr vielleicht doch gegen die finanzstärkeren Konkurrenten behaupten zu können. "Wir haben eine sehr geschlossene Mannschaft. Das ist das, was uns von anderen unterscheiden kann", befand Kapitän Hanno Behrens. Er weiß aber auch, dass es für ausgelassene Feierlichkeiten am Saisonende noch einiger Überraschungen bedarf.

Eine solche wäre seiner Ansicht nach auch der Einzug ins DFB-Pokal-Viertelfinale am Dienstag beim Hamburger SV. Behrens formulierte es vor dem Vergleich mit dem Tabellenführer der zweiten Liga so: "Wir sind da, glaube ich, auch als Erstligist nicht der Favorit."

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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