Kurz bevor Schiedsrichter Robert Kampka das Spiel freigab, waren sie alle gut zu sehen. Da der 1. FC Nürnberg an diesem Nachmittag in Weiß spielte, musste man zwar zweimal hinschauen, um zu erkennen, wer da alles auf dem Feld stand, doch dann gab es keine Zweifel mehr. Der eine war Christoph Daferner, der andere Kwadwo Duah - und auch Mats Möller Daehli hatte sich auf dem Rasen des Max-Morlock-Stadions eingefunden.
Nach nur vier Toren in den vorangegangen sechs Spielen war ja landauf, landab behauptet worden, der 1. FC Nürnberg habe keine Offensive. Und jetzt standen sie also da, Daferner, Duah und Möller Daehli, und traten den Gegenbeweis an.
Als Kampka der Partie knapp zwei Stunden später ein Ende setzte, waren es in erster Linie die Nürnberger Offensivspieler, über die es zu reden galt. Es sei "ein gelungener Nachmittag, eine gute Leistung und ein verdienter Sieg" gewesen, sagte Nürnbergs Trainer Markus Weinzierl nach dem 2:1 zum Jahresabschluss gegen den SC Paderborn und schickte dann in Bezug auf Duah hinterher: "Ich habe in den letzten Wochen viel mit ihm gesprochen. Ich war nicht immer zufrieden mit ihm, er auch nicht mit sich selbst. Von daher freut es mich für ihn, dass er zwei Tore gemacht hat."
Anlagen, die zu weitaus Höherem befähigen, immenses Potenzial und doch eine Vielzahl an unbefriedigenden Spielen: Mit seinem ersten halben Jahr beim Club steht Duah, 25, stellvertretend für die Nürnberger Vorrunde. Im Laufe der vergangenen Monate hat der Angreifer zwar immer wieder angedeutet, zu was er imstande ist - Beständigkeit und Stabilität gingen ihm aber ebenso ab wie der gesamten Mannschaft.
"Wir sind nach wie vor in einer bedrohlichen Situation", sagt Kapitän Schindler
"Es war ein sehr, sehr schwieriges Halbjahr", meinte Christopher Schindler am Sonntagnachmittag und gestand dann, "richtig erleichtert" zu sein. "Wir haben das Spiel so gestaltet, wie wir es wollten", sagte Nürnbergs Kapitän, "es war nicht alles perfekt, aber am Ende des Tages ist es wichtig, dass wir die drei Punkte geholt haben, das Jahr versöhnlich abschließen konnten und eine Basis gelegt haben für die Arbeit, die wir jetzt vor uns haben." Mit dem Sieg gegen Paderborn ist der Club in der Tabelle zwar auf Platz elf geklettert - allerdings sind es gerade einmal zwei Punkte, die Nürnberg von einem direkten Abstiegsplatz trennen. Schindler betonte deshalb: "Wir haben überhaupt keinen Grund, uns in Sicherheit zu wiegen. Wir sind nach wie vor in einer bedrohlichen Situation."
Dass sich diese nun aber zumindest etwas entspannt hat, das hat eine Menge mit Duah zu tun. Wie er seine Dynamik und seine Wucht ausspielte, wie er Gefühl und Kraft in Einklang brachte, wie er mit Entschlossenheit und Unnachgiebigkeit voranging, alldem war Paderborn im letzten Spiel des Jahres nicht mehr gewachsen.
Nach gut einer halben Stunde brachte Duah den Club mit einem Heber erst in Führung, dann legte er zu Beginn der zweiten Hälfte mit einem brillanten Schuss von der Strafraumgrenze das 2:0 nach. Ohnehin wirkte das Nürnberger Offensivspiel deutlich stimmiger als zuletzt. Der Club war durchschlagskräftig, der Club war konsequent, und der Club war derart zielstrebig, dass man es durchaus erstaunlich finden konnte, wie selbstsicher die Mannschaft nach nur drei Punkten aus den vergangenen vier Spielen auftrat.
Dieses Mal bringt der Club seine Führung ins Ziel - und gewinnt im vierten Anlauf erstmals unter Weinzierl ein Heimspiel
Selbst nach dem Paderborner Anschlusstreffer von Julian Justvan geriet Nürnberg nicht ins Wanken, im Gegenteil. In der Schlussphase war der Gastgeber dem dritten Tor näher als der SCP dem zweiten, dabei war eigentlich alles angerichtet für ein standesgemäßes Jahresfinale, als Paderborns Angreifer Marvin Pieringer kurz vor Schluss Gelb-Rot sah und des Feldes verwiesen wurde. Überlegenheit, Überzahl und mehrere gute Torchancen zum 3:1 vergeben: Das wäre ein passender Rahmen gemessen, um den Sieg in der Nachspielzeit noch zu verspielen. Doch dieses Mal brachte der Club seine Führung ins Ziel und gewann im vierten Anlauf erstmals unter Weinzierl ein Heimspiel.
Das war's jetzt also mit diesem Nürnberger Fußballjahr, das an einem Samstagnachmittag Mitte Januar mit einem 1:2 gegen Paderborn begonnen hatte und nun mit einem 2:1 gegen Paderborn endete. Dazwischen lag eine Aufholjagd, mit der sich der Club im März recht unverhofft ins Aufstiegsrennen einschaltete, ein April, in dem die Mannschaft alles verspielte - und schließlich ein Start in die neue Saison, der Robert Klauß Anfang Oktober den Trainerposten kostete.
Es war also ein durchaus aufregendes und stürmisches Jahr. Da kommt es nun wie gerufen, dass eine ungewöhnlich lange Winterpause ansteht, in der Weinzierl Zeit und Ruhe hat, um die Mannschaft in Schuss zu bringen und auf die zweite Saisonhälfte einzustimmen. Ganz oben auf dem Trainingsplan dürfte dann das Offensivspiel stehen. Dass der 1. FC Nürnberg alle Spieler hat, die es dafür braucht, das hat er am Sonntag gezeigt.