Vertragspoker um Mohamed Salah:Der Torjäger spielt mit Liverpool plötzlich Schach

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Auch mit 32 noch topfit: Liverpool-Angreifer Mohamed Salah feiert am vergangenen Sonntag sein Siegtor in Southampton. (Foto: Sean Ryan/AP)

Mit seiner öffentlichen Beschwerde über ein fehlendes neues Vertragsangebot sorgt Liverpools Fan-Liebling Salah für große Aufregung. Dabei scheint das Ziel des 32-Jährigen zu sein, noch lange zu bleiben – zu unverändert fürstlichen Konditionen.

Von Sven Haist, London

Am vergangenen Sonntag stand Mohamed Salah beim Liverpool Football Club einmal mehr im Mittelpunkt. Zunächst verhalf er seinem Verein mit einem späten Doppelpack zum Premier-League-Auswärtssieg in Southampton (3:2 nach 1:2). Und anschließend überraschte der Stürmer mit einer Stippvisite in der Interviewzone. Der Reporter James Pearce hielt im Magazin The Athletic fest, dies sei erst Salahs dritte Audienz bei Zeitungsreportern in inzwischen siebeneinhalb Jahren am River Mersey gewesen. Diesmal trat der 32-Jährige in eigener Sache auf: Es ging um seinen zum Saisonende auslaufenden Vertrag.

Bisher habe er vom Klub kein Angebot zur Fortsetzung der Zusammenarbeit erhalten, monierte Salah. Er sei enttäuscht und verorte deshalb seine Zukunft „vermutlich mehr weg als hier“. Dabei machte er unverblümt deutlich, eigentlich unbedingt verlängern zu wollen. Er gebe sein Bestes, betonte Salah, er verehre die Fans, er empfinde Liverpool als einen Verein wie keinen anderen und habe auch nicht vor, seine Laufbahn zeitnah zu beenden. Doch ein Verbleib liege nicht in seinen Händen.

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Mit seinen wohlkalkulierten Aussagen hat Salah den Druck aufs Liverpooler Management erhöht und in der Fußballwelt ein lautes Echo ausgelöst. Seine persönliche Situation beherrschte die Berichterstattung vor dem Champions-League-Spitzenspiel zwischen Liverpool und Real Madrid (Mittwoch, 21 Uhr), sie überstrahlte sogar die angespannte Lage beim Titelverteidiger Real, der wohl gewinnen muss, um seine Chance für eine direkte Achtelfinal-Qualifikation zu wahren.

Salahs Vertragspoker erinnert an seine bisher letzte Verlängerung 2022, der ebenfalls zähe Verhandlungen vorausgingen. Seinerzeit versuchte Ex-Trainer Jürgen Klopp die Fans, deren Liebling Salah ist, zu beruhigen: Ein neuer Vertrag für den Torjäger sei nichts, wofür man sich auf eine Tasse Tee treffe und schnell einige, erklärte Klopp damals. Damit spielte er wohl auch auf die finanziellen Erwartungen des Ägypters an. Salahs Wochengehalt soll derzeit 350 000 Pfund betragen, zuzüglich Boni und Bildrechten angeblich sogar eine Million, wie sein Berater im Rahmen einer Studie der Harvard Business School ausplauderte. Anzunehmen ist, dass sich Salah trotz seines fortgeschrittenen Alters nun erneut einen mehrjährigen Vertrag mit ähnlicher Vergütung vorstellt. So viel wie er verdienen in England momentan nur Erling Haaland und Kevin De Bruyne, beide spielen bei Manchester City.

Der FC Liverpool ließ Salahs Vorstoß bisher öffentlich unkommentiert. Grundsätzlich geht die hinter dem Klub stehende Investmentfirma Fenway Sports bei teuren Vertragsangelegenheiten vorsichtig vor, um das Gehaltsgefüge und die Hierarchie im Team nicht zu gefährden. Im Juni 2025 enden zudem auch die Kontrakte von zwei weiteren Schlüsselspielern: Virgil van Dijk und Trent Alexander-Arnold. Mit diesen beiden sollen der Verein und der neue Sportdirektor Richard Hughes ebenfalls im Austausch stehen.

Zuletzt bewies Liverpools Führungsriege ein gutes Gespür bei Personalentscheidungen. So gab der aktuelle Tabellenführer der Premier League einst dem Drängen des Stürmers Sadio Mané nach einer opulenten Gehaltssteigerung nicht nach und ließ ihn ein Jahr vor Vertragsende für 30 Millionen Euro zum FC Bayern ziehen. Dort kam Mané nicht zurecht und wurde nach nur einer Saison an den Verein Al-Nassr nach Saudi-Arabien weiterverkauft.

Sein früherer Trainer Heiko Vogel schwärmt, wie bodenständig der Ägypter als Weltklasse-Kicker geblieben sei

Allerdings liegt Salahs Wertigkeit höher, er ist gewissermaßen Liverpools Totem. Mit 322 Torbeteiligungen in 367 Pflichtspielen hat er die Reds zu allen relevanten Titeln geschossen, 2019 in der Champions League, 2020 in der Premier League. In jeder Saison gelangen Salah bisher mindestens 23 Tore für Liverpool – eine Konstanz, die in England sonst nur Tottenhams Harry Kane vor seinem Wechsel nach München erreichte. Auch in dieser Saison weist Salah seine starke Form nach: Der Linksfuß war bislang an mehr als der Hälfte aller Pflichtspieltore beteiligt und trug damit zum reibungslosen Trainerwechsel von Klopp zu Arne Slot bei. Liverpool dominiert sowohl die heimische Liga, als auch die Champions League als Tabellenführer. Auf Salah, lobte Slot zuletzt, könne man immer vertrauen, wenn es im Spiel mal kompliziert werde.

Der Offensivspieler ist eine Mischung aus Torjäger und Flügelspieler. Seine Stammposition ist Rechtsaußen, seine Spielweise vereint Schnelligkeit mit Spielwitz, Zielstrebigkeit und Eleganz. Salah sei wie ein Judoka, sagt am Telefon Heiko Vogel, der den Angreifer vor zwölf Jahren während dessen erster Europa-Station beim FC Basel trainiert hatte: Er verfüge bei seinen Dribblings mit dem linken Fuß über mehrere „Weltklasse-Griffe“, bei denen man als Gegner sofort verloren habe, erklärt Vogel. Salahs Verpflichtung 2017 von der AS Roma für 42 Millionen Euro basierte auf einer Analyse-Software Liverpools, die bei Stürmern die Torwahrscheinlichkeit misst, die sich aus Laufwegen, Pässen und Schüssen ergibt. Ian Graham, Liverpools früherer Datenbeauftragter, verriet der New York Times, Salah habe damals „alle Kriterien“ erfüllt.

Die Basis für seine beachtliche Verweildauer in der Weltspitze des Fußballs sind seine Fitness und sein Charakter. Obwohl er in Zweikämpfen zuweilen hart angegangen wird, fiel er noch nie lange aus. Die bisher massivste Verletzung erlitt Salah im verlorenen Champions-League-Finale 2018, als er sich die Schulter auskugelte, weil ihn Real-Verteidiger Sergio Ramos im Kampfsportstil zu Boden riss - danach konnte er bei der WM für Ägypten nur eingeschränkt mitspielen. Dem Magazin GQ sagte Salah, er lege Wert auf Stabilisation und Ernährung, und er übe mit Fitnessbändern, weil diese tief in die Muskeln wirkten.

Trotz seiner Weltkarriere tritt Salah ohne Allüren auf. Dass der Stürmer „so bodenständig, pflegeleicht und authentisch“ geblieben sei, davor könne er nur den Hut ziehen, sagt Heiko Vogel, der früher auch Jugendleiter und Nachwuchstrainer des FC Bayern war. Im Vergleich zur Zeit in Basel habe sich Salah „als Mensch nicht verändert“, findet Vogel. Bei ihrer ersten Begegnung, erzählt er, habe ihn Salah mit „seiner völligen Neugier und Offenheit in den Augen“ beeindruckt. Dies sei keinesfalls selbstverständlich gewesen, weil Salah sich schon damals in seiner Heimat „auf dem Weg zum Star befunden“ habe. Der Durchbruch gelang Salah mit der ägyptischen U23 in einem Testspiel gegen Basel vor dem Olympia-Turnier 2012. Nach seiner Einwechslung schoss er zwei Tore – woraufhin ihn die Schweizer umgehend verpflichteten.

Für seine Landsleute in Ägypten ist Salah ein Vorbild, auf ihn scheint sich die gespaltene Nation als gemeinsamen Nenner verständigen zu können. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass sich Salah nur selten öffentlich und niemals kontrovers äußert. Auch in Liverpool verehren ihn die Anhänger als „ägyptischen König“, alle hoffen, dass er auch über die Saison hinaus das LFC-Trikot trägt. Auch Heiko Vogel wünscht sich das: Salah sei ein „einzigartiger Spieler, der seinen Zenit noch nicht erreicht hat“, glaubt er. Salah selbst bekräftigte am Sonntag, „so lange wie möglich auf Topniveau spielen“ zu wollen. Gerüchte über einen Abschied nach Saudi-Arabien wischte er beiseite, darüber wolle er nicht sprechen.

Stattdessen gleicht der Poker zwischen Salah und Liverpool nun dem Lieblingshobby des Ägypters: einer Partie Schach. Nach Salahs Vorpreschen ist jetzt der Klub am Zug.

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