FC Liverpool:Und nun: ein Wunder

Champions League Semi Final First Leg - FC Barcelona v Liverpool

Traf nur den Pfosten: Mohamed Salah

(Foto: REUTERS)
  • Trotz des 0:3 im Halbfinal-Hinspiel ist Jürgen Klopp stolz auf die Leistung seines Teams.
  • Und doch könnte Liverpool eine sagenhafte Saison ohne Titel beenden.

Von Javier Cáceres, Barcelona

Es ging am Mittwoch schon auf Mitternacht zu, als Jürgen Klopp, der Trainer des FC Liverpool, im Camp Nou vor die Presse trat und mit seinen Zähnen einen ganzen Abend zermalmte. Oder mindestens gegen widerstreitende Gefühle anarbeitete. Denn die konnte er weit weniger verbergen als seine blonden Haare unter der schwarzen Baseballkappe mit dem Vereinswappen. Ein 0:3, das ist ohnehin schon heftig, erst recht im Hinspiel einer Champions-League-Runde. Denn es verurteilt dazu, für das Rückspiel auf das zu hoffen, was gemeinhin ein Wunder genannt wird. Das war es wohl, was die widerstreitenden Gefühle in Klopp ausgelöst hatte, unter anderem verspürte er gewiss auch Hilflosigkeit, weil seine Elf so viel ja doch nicht falsch gemacht hatte. "Ich könnte nicht stolzer auf mein Team sein", sagte Klopp.

Es gab dafür objektive Gründe, und Klopp benannte sie. "Wir haben zwischen den Linien gespielt, wir waren in ihrem Strafraum, wir haben ihnen Probleme bereitet. Dass du auswärts verlierst, kann passieren... solange du ein Tor schießt."

Chancen hatten sie, formidable sogar

Chancen dafür hatten sie, formidable sogar, durch Sadio Mané, durch Mohammed Salah, der am Ende den Pfosten traf, als das Tor nahezu verwaist war, auch durch James Milner. Doch es trafen Luis Suárez, der seinen Führungstreffer trotz seiner Liverpooler Vergangenheit ausgiebig und rücksichtlos feierte, und es traf eben dieser Lionel Messi - unter anderem durch einen Freistoß, den Klopp auf seiner Trainerbank mit einem ungläubigen Lächeln quittierte. "Ich bin ein großer Bewunderer Messis", sagte Klopp, obschon der kleine Argentinier ihn nun zu dieser unmöglichen Mission "Wunder" zwingt.

Unmöglich? Nun: In der Geschichte der Königsklasse hat es nur zwei Halbfinal-Duelle gegeben, in denen ein Drei-Tore-Vorsprung noch gedreht wurde: Panathinaikos Athen siegte 1971 nach einem 1:4 gegen Roter Stern Belgrad (und verlor das Finale gegen Ajax Amsterdam), der FC Barcelona egalisierte 1986 ein 0:3 bei IFK Göteborg und setzte sich nach Elfmeterschießen durch (um dann in Sevilla gegen Steaua Bukarest zu verlieren). Ob er noch Hoffnung habe, wurde Klopp gefragt, und er sagte: "Da es Fußball ist, ja. Aber vor dem Spiel hatten wir bessere Chancen ...".

Das bedeutet auch, dass die Furcht der Reds gestiegen ist, eine sagenhafte Saison ohne Titel zu beenden. Bislang hat Liverpool in der Premier League nur eine einzige Niederlage hinnehmen müssen, doch Manchester City, dessen Trainer Pep Guardiola am Mittwochabend neben seinem Vater auf der Tribüne saß, liegt bei zwei ausstehenden Spieltagen einen Punkt vorn. Klopps Mannschaft muss am letzten Spieltag gegen Wolverhampton antreten, also jenes Team, gegen das Liverpool im FA Cup ausgeschieden war. Knapper geht es kaum, und so gesehen war der erwähnte Pfostentreffer Salahs ein Sinnbild dieser Spielzeit. Denn Liverpool lieferte in Barcelona "das beste Auswärtsspiel in der Champions League", wie Klopp versicherte.

Unter ungünstigen Vorzeichen übrigens. Der einstige Leipziger Naby Keita musste nach gutem Beginn früh wegen einer Verletzung ausgewechselt werden. Und der Brasilianer Roberto Firmino saß, weil die Leiste nicht rechtzeitig aufgehört hatte zu zwicken, lange nur auf der Bank. Von dort sah er, wie unabdingbar er für den reibungslosen Ablauf der Liverpooler Angriffsbemühungen ist.

Eine erinnerungswürdige Intensität

Sein Ersatzmann Giorgino Wijnaldum, nominell Mittelfeldspieler, wirkte in den Momenten, in denen er der Offensive Leichtigkeit verleihen sollte, zu oft wie ein Rumpelfüßler. Seine Bedeutung hatte Wijnaldum dafür in jener Facette, die Barcelona größte Schwierigkeiten bereitete und die Liverpools Spiel adelte: Sehr vehement verhinderte Klopps Elf, dass Barcelonas Innenverteidiger Piqué und Lenglet das Spiel aufbauen konnten. Das brutale Pressing verlieh dem Spiel eine erinnerungswürdige Intensität, Messi war beeindruckt: "Sie haben uns erstickt." Aber das Resultat sprach am Ende eine brutale Sprache. Gegen Liverpool.

"Spielen werden wir schon noch", sagt Klopp über das Rückspiel. Zuvor muss er seine Elf am Samstag aber noch zum Sieg in Newcastle treiben - um die Titeloptionen in der Liga aufrecht zu erhalten und sein Team fürs Rückspiel gegen Barcelona aufzurichten. Die Reds flüchteten sich in das, was die Floskelwelt für solche Lagen parat hält, in die Hoffnung auf den einschüchternden Charakter einer geschichtsträchtigen Bühne: "Man soll niemals nie sagen. Es ist Anfield, und es hat schon besondere Dinge gegeben", sagte Kapitän Jordan Henderson.

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