FC Liverpool:Auch Anfield steht nicht mehr stabil

FC Liverpool: Jürgen Klopp und Torwart Alisson nach der Heim-Niederlage gegen Burnley 2021

Jürgen Klopp und Torwart Alisson, der den Elfmeter für Burnley verursachte.

(Foto: JON SUPER/AFP)

Nach 1370 Tagen und 68 Spielen verliert der FC Liverpool wieder ein Liga-Heimspiel. Der Meister rutscht durch das 0:1 gegen Burnley auf Platz vier ab, Trainer Jürgen Klopp nimmt die Schuld auf sich.

Von Sven Haist, London

Nichts dauert ewig: "Nothing lasts forever" - knapp vier Jahre lang stellte der FC Liverpool diese Weisheit auf die Probe. Mit 68 Heimspielen ohne Niederlage (55 Siege, 13 Unentschieden) in der Premier League schien Liverpools furioser Lauf an der vertrauten Anfield Road auf ewig zu halten, bis der Erfolg des FC Burnley am Donnerstagabend (den 21. Tag des 21. Jahres des 21. Jahrhunderts) bewies, dass alles einmal zu Ende geht. Im Fall von Liverpool eine Serie nach sage und schreibe 1370 Tagen.

Mehr als zwei Drittel des Liverpooler Kaders, darunter die Spitzenspieler Mohamed Salah, Andrew Robertson und Virgil van Dijk, gehörten an jenem 23. April 2017 noch gar nicht zur Mannschaft um den deutschen Trainer Jürgen Klopp, als Crystal Palace der bis dato letzte Meisterschaftssieg eines Vereins in Anfield gelang.

Auf den Spuren der eindrucksvollsten Heimserien in Europa ließ Liverpool kürzlich bedeutende Wegmarken hinter sich: nicht nur den eigenen Klubrekord (63 Spiele) und den des FC Barcelona (67 Spiele), beide mehr als 40 Jahre alt. Durch die Nullnummer gegen den Erzrivalen Manchester United voriges Wochenende zogen die Reds auch mit dem fünftplatzierten FC Turin gleich, der es unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls auf unbesiegte 68 Heimspiele nacheinander gebracht hatte. Nur Juventus Turin (71 Spiele; 1932-36), der FC Bayern (73; 1970-74), Ligakonkurrent FC Chelsea (86; 2004-08) und Real Madrid mit 121 Spielen (1957-65) befinden sich in der Bestenliste noch davor.

Die stimulierend wirkende Aura der Spielstätte am River Mersey hat Liverpool in den Vorjahren stets als verlässlicher Glücksbringer gedient. Wann immer das Team in einem Heimspiel in Schieflage geriet, konnte es gefühlt den Geist von Anfield um Hilfe rufen. Die nahezu perfekte Punktausbeute zu Hause wurde zum Grundstein für den ersten Ligatitel seit 1990. Aus 19 Heimspielen holte Liverpool 18 Siege, die makellose Serie verspielte man erst kurz vor Saisonende gegen - Burnley. Jetzt hat sich dieser Ligahinterbänkler, eine Autostunde nordöstlich von Liverpool gelegen, erneut als Spielverderber erwiesen.

Erstmals seit 1974 hat Burnley in Liverpool gewonnen, damals wie heute mit 1:0. Statt Ian Brennan heißt der Torschütze nun Ashley Barnes, der einen selbst herausgeholten Elfmeter in der 83. Minute sicher verwandelte. Ein Strafstoß ausgerechnet: Klopp hatte sich jüngst lautstark beklagt, dass sein Team so wenige und Tabellenführer Manchester United so viele Elfmeter zugesprochen bekomme. Und nun dieser Pfiff, bei dem Liverpools Torwart Alisson Becker seinen Gegenspieler Barnes nur minimal am Fuß touchierte, wenn überhaupt. "Ein sehr schwerer Schlag ins Gesicht" sei diese Niederlage, bilanzierte Klopp.

Klopp liefert sich ein hitziges Wortgefecht mit Burnley-Trainer Dyche

Wie sehr sie ihn die Pleite getroffen hatte, ließ sich daran erkennen, dass er nicht mal die Muße fand, sich über das Gegentor zu beschweren. Sonst lässt Klopp fast nie eine Fehlentscheidung aus, um die Schiedsrichter für Punktverluste zu tadeln. Stattdessen sei diesmal alles "sein Fehler" gewesen, weil er seinen Spielern nicht "das richtige Gefühl und Vertrauen" habe vermitteln können, sagte er. Nach Abpfiff versuchte Klopp demonstrativ, die Ruhe in Person zu sein, was ihm nach der ersten Halbzeit noch missglückt war: Im Kabinengang setzte er seinem Trainer-Kollegen Sean Dyche nach und lieferte sich mit ihm ein hitziges Wortgefecht (Klopp: "Ich habe damit nicht angefangen"). Auslöser war ein Scharmützel am Mittelkreis zwischen Liverpools Fabinho und dem späteren Torschützen Barnes.

Der aufgebrachte Gemütszustand verriet, dass Liverpool gegen Burnley nicht nur den Heimnimbus einbüßte, sondern auch die formidable Ausgangslage als Tabellenführer der Premier League. Nach fünf Spielen ohne Sieg ist der Meister auf Platz vier zurückgefallen und könnte aufgrund der Nachholspiele der Konkurrenz bald weiter abrutschen. Erstmals seit Mai 2000 haben die Reds in vier Ligapartien nacheinander kein Tor erzielt, zuletzt traf Sadio Mané am 27. Dezember beim 1:1 gegen West Bromwich: Mittlerweile ist das 87 Torschüsse und 438 Minuten her. Eine solche Torflaute musste Klopp letztmalig als Trainer in Mainz zwischen November und Dezember 2006 verantworten. Wegen dieser Statistiken wäre es "wirklich seltsam" über das Titelrennen zu sprechen, zischte Klopp: "Das ist momentan nicht mein Problem." Nach dem FA-Cup-Achtelfinale bei Manchester United am Sonntag reist Liverpool vier Tage später in der Liga nach London zum Tabellennachbarn Tottenham Hotspur.

Nach dem fulminanten 7:0 über Crystal Palace vor Weihnachten hat sich Klopps Meisterteam zum Ende der Hinrunde offenbar selbst eine Phase der Erholung verschrieben, wenn schon der dicht getaktete Spielkalender keine vorsieht. Einige Profis, vor allem das gefürchtete Offensivtrio Salah, Mané und Roberto Firmino, wirken gerade überspielt und außer Form. Der im Sommer verpflichtete Ersatzstürmer Diogo Jota fällt mit einer Knieverletzung aus - ebenso wie Jordan Henderson, James Milner und Virgil van Dijk. Ohne die Führungskraft der drei Kapitäne fehlt Liverpool die Stabilität und der Antrieb im Spiel. Zuversicht lässt sich in der gegenwärtigen Misere vor allem darin finden, dass sie - wie jede andere Serie auch - sicher nicht ewig andauern wird.

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