FC Liverpool in der Premier League:Liverpool ist angeschlagen

Liverpools Trainer Jürgen Klopp spricht Manuel Pellegrini

Jürgen Klopp debattierte nach Schlusspfiff mit West Hams Coach Pellegrini.

(Foto: Getty Images)
  • Der FC Liverpool ist in der englischen Liga dabei, seinen Vorsprung auf ManCity zu verspielen.
  • Vor dem Duell mit dem FC Bayern offenbaren sich große Probleme in Jürgen Klopps Team.

Von Sven Haist, London

So wie sich Jürgen Klopp kurz vor dem Ausgang breit gemacht hatte, gab es für das Schiedsrichterteam um Kevin Friend erst mal kein Vorbeikommen am Trainer des FC Liverpool. Mit einer schnellen Schrittfolge holte Klopp den Unparteiischen ein, um ihn für seine Spielleitung zur Rede zu stellen - Klopp war nach dem Abpfiff des Spiels bei West Ham mächtig sauer, er wütete in alle Richtungen und rang bei der Gelegenheit kurz vor den Katakomben auch noch gleich dem gegnerischen Coach Manuel Pellegrini eine ausgiebige Unterhaltung ab. Im Stile eines Ringrichters ging dann einer von Klopps Assistenten dazwischen, der seinen Chef aus dem Stadion führte. Es gab einiges zu besprechen nach diesem 1:1, das bei Liverpool Unbehagen auslöste.

Dazu gehören gewisse Bedenken, den zwischenzeitlichen Vorsprung von sieben Punkten auf das zweitplatzierte ManCity zu verspielen. Das Polster der "Reds" an Englands Tabellenspitze ist nun auf drei Zähler geschrumpft. Selbst Tottenham liegt mittlerweile nur noch um fünf Punkte zurück. Bei einem Erfolg Citys gegen Everton im vorgezogenen Ligaspiel am Mittwoch könnte Liverpool sogar den ersten Platz verlieren. Klopp regte sich also aus nachvollziehbaren Gründen auf - aber vermeiden kann er derzeit den Eindruck nicht, dass sein Team in Richtung Titelentscheidung schwächelt.

Zwei Remis und eine Niederlage nach dem punktverlustfreien Dezember bringen 2019 einiges ins Stocken. Die Pläne, erstmals nach 29 Jahren wieder die Meisterschaft zu gewinnen, sind gefährdet. "Ich sehe euren Gesichtern an, dass ihr Mitleid mit uns habt", sagte Klopp hinterher zu den Reportern: "Aber ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Uns geht es gut. Wer am Ende der Saison oben sein will, muss mit härteren Situationen umgehen können als die heute." Harte Situationen? Damit meinte der deutsche Coach auch die Referees.

Beim FC Liverpool hat es sich unter Klopp eingebürgert, dass Punktverluste mit dem Schiedsrichter nachbesprochen werden. Abgesehen vom Pokalaus, das von einem Videoassistent überwacht wurde, ist diese Gewohnheit nun in jedem der vier vergangenen Spiele zu beobachten gewesen. Je nach Vorkommnissen machte Klopp für das Stolpern seiner Elf die Anzahl an Unterbrechungen (im Spiel in Paris) verantwortlich, die Bewertung eines Foulspiels des letzten Mannes (ManCity), die Auslegung eines Zweikampfs im Strafraum (Leicester) - und am Montagabend ein eigenes, durch Sadio Mané regelwidrig erzieltes Abseitstor.

"Wenn ich als Mensch weiß, dass ich in der ersten Halbzeit einen großen Fehler gemacht habe, möchte ich die Kluft nicht vergrößern. Und Referees sind eben Menschen", klagte Klopp. In 50:50-Situationen sei deshalb fortan immer Freistoß für das andere Team gepfiffen worden.

Viele wichtige Spieler haben Blessuren

Doch all diese Versuche, die eigene Leistung hinter der Wut auf den Schiedsrichter zu verstecken, zeigen derzeit die Befindlichkeiten in Liverpool. Sukzessive gehen Klopp zwei Wochen vor dem Duell mit dem FC Bayern im Achtelfinale der Champions League die Spieler aus; die Hälfte der Stammformation befindet sich wegen Verletzungen in Behandlung. Die frühe Demission im FA-Cup hat Liverpool zuletzt einen unrhythmischen Spielkalender beschert mit bis zu elf Tagen ohne Einsatz. Diese eigentlich zur Erholung gedachte Phase, unterbrochen durch einen Kurztrip des Teams nach Dubai, legt bei den Spielern kleinere und größere Blessuren offen - man könnte auch sagen: Liverpool ist angeschlagen.

Neben den länger verletzten Alex Oxlade-Chamberlain (Kreuzbandriss) und Joe Gomez (Unterschenkelbruch) meldeten sich kürzlich Rechtsverteidiger Trent Alexander-Arnold, der im Mittelfeld für die Balance zuständige Georginio Wijnaldum (beide Knieprobleme), Dejan Lovren sowie Kapitän Jordan Henderson (beide muskuläre Probleme) vom Spielbetrieb ab. Nach dem Spiel gegen West Ham betonte Klopp, der gerne mal mit der Unpässlichkeit seines Personals kokettiert, dass auch Milner und Virgil van Dijk versehrt sind. Durch die Abwesenheiten musste man die rechte Hälfte der Viererkette neu aufstellen - und das gesamte Mittelfeld.

Kein Henderson kein Wijnaldum und auch kein Milner: Auf keinen aus der Bestbesetzung für das Mittelfeld konnte Klopp zurückgreifen, Milner wurde hinten rechts benötigt. In der Winterpause hatte sich Liverpool entschieden, mit Nathaniel Clyne den Ersatz an Bournemouth abzugeben, um Unzufriedenheit im Kader vorzubeugen. Die für knapp 100 Millionen Euro eingekauften Naby Keita aus Leipzig und Fabinho aus Monaco sind noch nicht in der Lage, den Energiefluss im Team aufrecht zu erhalten. Im Herausspielen von Torchancen verschleppte Liverpool das Tempo mit einer Reihe an Pässen und Missverständnissen. Die Times urteilte nach Auflistung der Mängel: "Lifeless Liverpool".

In der Premier League ist es in dieser Saison keine Seltenheit, dass Liverpool sich zügelt, um nicht zu viel Substanz zu lassen - aber ganz ohne Krafteinsatz geht es halt dann auch gegen das mittelklassige West Ham nicht. Die scheinbare Gleichgültigkeit wurde beim Verteidigen der gegnerischen Standards erkennbar. Fast ohne Widerstand ließen sich die Reds austricksen, eine banale Freistoßvariante genügte Michail Antonio zum Ausgleich (28.). Schon gegen Leicester musste Liverpool das Gegentor nach einem Eckball hinnehmen. In der Schlussszene hätte der eingewechselte Divock Origi die Leistung kaschieren können, als sich ihm die Möglichkeit auftat, das Siegtor für Liverpool zu erzielen - aus Abseitsposition. Der Treffer hätte trotzdem gezählt.

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