FC Liverpool:Klopp wird ungehalten

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Nicht allerbester Laune: Liverpools Trainer Jürgen Klopp.

(Foto: www.imago-images.de)
  • Der FC Liverpool spielt erneut nur 0:0, diesmal gegen den FC Everton.
  • Damit verliert der Klub auch die Tabellenführung an Manchester City - Trainer Klopp gibt sich aber kämpferisch.
  • Hier geht es zur Tabelle in England.

Von Sven Haist, Liverpool

Fast hätte Jürgen Klopp wegen des Balljungen die Beherrschung verloren. Auf dem Weg zum Stadionausgang nervte der Teenager den Trainer des FC Liverpool mit ironischem Applaus. Umgehend stellte Klopp ihn zur Rede; der Balljunge konterte, indem er provozierend seinen rechten Daumen entgegenhielt. Um die Deutungshoheit über die Fehde zu erlangen, lachte Klopp die Geste mit der ihm eigenen Coolness weg, die ihm am Sonntag zunächst verloren gegangen war - nach dem 0:0 beim FC Everton in der Premier League.

So wie das in den Vorwochen bereits zu sehen war, als er beim 0:0 gegen Manchester United mit Kapitän Jordan Henderson aneinandergeriet und mit Trainerkollege Niko Kovac nach dem 0:0 gegen den FC Bayern im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League. Dabei ging es Klopp um einen Handschlag, der aus seiner Sicht einmal gar nicht (Henderson) und einmal zu spät (Kovac) erfolgte.

Den drei Vorkommnissen gab Klopp mit seinen ungehaltenen Reaktionen jeweils eine Wichtigkeit, die über das eigentlich Geschehene hinausging. Für einige Beobachter wirkte es gar, als hätte er die Konfrontationen bewusst gesucht, um sich an ihnen abreagieren zu können. Denn drei torlose Unentschieden in den vergangenen vier Pflichtspielen haben in Klopp ein offenkundiges Missfallen ausgelöst, das er nicht verbergen kann.

Neun Spieltage vor Schluss verkörpert Klopp durch seine Anspannung in gewisser Weise die einsetzende Aufregung in Liverpool in der sich zuspitzenden Meisterschaft der Premier League. Statt aus der Haut zu fahren, benötigt das Team seinen Anführer mit kühlem Kopf.

"Wer will schon Erster im März sein?", fragt Klopp

Durch das vierte Remis in sechs Ligapartien hat der FC Liverpool erstmals nach zwölf Wochen die Tabellenführung an Manchester City abgeben müssen. Bei der Ursachensuche für die jüngste Nullnummer bei Everton verwies Klopp mitunter auf den Wind. Am nächsten Tag titelte die Times: "Vom Winde verweht. Liverpool verliert den Weg im Titelrennen." Der Gewinn der Meisterschaft nach 29 Jahren ist jetzt nur noch möglich bei einem Punktverlust des Titelverteidigers. "Keine Panik. Wir sind keine kleinen Jungs mehr. Ich glaube zu 100 Prozent an unsere Chance", sagte Klopp: "Wer will schon Erster im März sein?"

Den Positionstausch der beiden Klubs leitete just der FC Everton ein, der schon in der Hinrunde eingegriffen hatte. Damals gelang Liverpool im Stadtduell durch Divock Origi in der sechsten Minute der Nachspielzeit nach einem Torwartfehler der Siegtreffer, fünf Tage später setzten sich die Reds dann vor City an die Spitze. Den hochemotionalen Erfolg in Anfield, bei dem Klopp querfeldein übers Spielfeld rannte, empfand der Nachbar als demütigend, mittlerweile sind 19 Spiele in diesem Prestigeduell vergangenen ohne Sieg für Everton. Auch deswegen hatte es der Mittelklasseklub im 234. Merseyside-Derby umso mehr darauf abgesehen, Liverpool mit aller Macht aufzuhalten.

Liverpool ist aus der Balance gekommen

Im Sinne betäubenden Lärm des Goodison Park, der Grand Old Lady mit Baujahr 1892 unter den englischen Fußballstadien, bei dem die Trainerzonen bloß durch einen Strich getrennt sind, wackelten den Spielern bei Liverpool die Füße. Die Reds ließen eindeutige Torchancen aus, egal ob es Virgil van Dijk, Joel Matip, Fabinho, Sadio Mané oder Mo Salah versuchten. Dem ägyptischen Toptorjäger gelang lediglich ein Treffer in den vergangenen sieben Spielen, obwohl Liverpool seine Abschlussqualität gerade am nötigsten hätte.

Gleich drei Mal veränderte Klopp im Verlauf der Partie die personelle Besetzung seiner Angriffsreihe (Salah, Mané, Origi - Salah, Firmino, Mané - Lallana, Salah, Firmino) auf der Suche nach dem entscheidenden Tor. Ohne allerdings die Verteidigung zu entblößen, was ihm einige Nachfragen einbrachte. "Glaubt ihr, dass wir nicht genug ins Risiko gegangen sind? Denkt ihr, das ist PlayStation hier? Ein weiterer Angreifer und alles ändert sich?", echauffierte sich Klopp: "So funktioniert Fußball nicht."

Das Taktieren hat sich nun erledigt

Die vergebenen Torchancen erschweren es momentan, offensive Schlagkraft zugunsten defensiver Stabilität einzutauschen. Die Gewichtung zwischen Abwehr und Angriff ist seit Beginn des Jahres bei Liverpool spürbar aus der Balance geraten, als der Vorsprung auf City den bisherigen Maximalwert von sieben Punkten erreicht hatte. Mit einem auf Souveränität ausgerichteten Spielstil wollte Klopp die Lage im Vorhinein kontrollieren. Das deutete auch die Aufstellung gegen Everton an, bei der die Reds zwei der drei zentralen Mittelfeldpositionen mit den strukturgebenden Henderson und Fabinho besetzten. Nur ist der Kader auf Spielkontrolle eher nicht ausgerichtet, weil ihm dafür der entscheidende Mann - ein Spielmacher - fehlt. Durch den Verlust der Tabellenführung hat sich das Taktieren jetzt sowieso erledigt. Aus der Stellung des Zweiplatzierten heraus bleibt dem FC Liverpool einzig der Angriff übrig - und der Spielplan könnte dabei die Richtung vorgeben.

Durch das frühe Aus im FA-Cup kann Liverpool im wöchentlichen Rhythmus seine Partien in der Premier League abarbeiten, die diffizilen Spiele gegen Tottenham und Chelsea sogar zu Hause. Auf Manchester City würden im Erfolgsfall dagegen bis zu neun Begegnungen im April warten: eine im Pokal, drei in der Champions League und fünf in der Liga. Und der Kader des von Pep Guardiola gecoachten Teams hält langsam der Belastung nicht mehr stand: Zu den verletzten Fernandinho und Aymeric Laporte, die erst im kommenden Monat wieder einsatzfähig sein dürften, mussten beim 1:0 über Bournemouth am Wochenende sowohl Kevin De Bruyne mit Oberschenkelproblemen als auch John Stones aufgrund einer Vorsichtsmaßnahme ausgewechselt werden.

Die über den Ausgang der Premier League mitentscheidende Auswärtspartie bei Manchester United findet als Nachholspiel unter der Woche am 24. April statt. Wie Liverpool im Lokalderby bei Everton vorerst einen Rückschlag erhielt, könnte es City im Old Trafford ergehen - nur sind die Reds der größte Rivale von Manchester United in England.

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