Bevor Jürgen Klopp den Raum der Pressekonferenz betrat, hatte die Breze einen erstaunlichen Weg zurückgelegt. Erst lag sie drapiert auf einem silbernen Tablett neben dem Mikrofon, dann wurde sie weggeschafft, um im Anschluss doch persönlich übergeben zu werden. In Augsburg nimmt man es ernst mit der Gastfreundschaft, Klopp hatte ja kundgetan, seinen Spielern diese bayrische Spezialität näherbringen zu wollen. Der Trainer des FC Liverpool kam also rein, setzte sich, nahm die Brezel in Empfang, grinste und mampfte.
Es sollten die friedlichen Momente an diesem Abend gewesen sein.
Seit viereinhalb Monaten trainiert Jürgen Klopp den FC Liverpool, für das Europa-League-Spiel gegen den FC Augsburg war er erstmals für ein Pflichtspiel auf deutschen Boden zurückgekehrt. Eine Konstellation, die in Augsburg Euphorie nahe der Eskalation hervorrief, als "größtes Spiel der Vereinsgeschichte" wurde die Begegnung im Vorfeld vom Kapitän bis zum Vorstand bezeichnet - und dann schaffte der Bundesligist auch noch ein vorteilhaftes 0:0 gegen die Engländer. Liverpool zeigte wenig, Klopp gab später eine, nun ja, aufschlussreiche Pressekonferenz. Die war unterhaltsam, klar, das sind sie bei ihm im Normalfall immer. Aber auch souverän?
Klopp hadert mit den Übersetzungen
Die ersten Auftritte auf britischem Terrain waren nicht ganz einfach für Klopp, Berichte über eigenwillige Übersetzungen deutscher Formulierungen ins Englische ("this is not a wish concert") empfand er als unangenehm. In Augsburg musste Klopp nun Fragen englischer Journalisten auf Englisch beantworten, ein Übersetzer an seiner Seite transferierte dann zurück ins Deutsche - umgekehrt verhielt es sich mit deutschen Fragen.
Mit der Qualität der Übersetzungen war Klopp alles andere als zufrieden, schon am Mittwoch hatte er sich falsch wiedergegeben gefühlt. Eine pampige Antwort Klopps hatte der Mann verknappt übersetzt, der Trainer ermahnte ihn. Natürlich auf Klopp-Art, aber schon nah dran an der Überheblichkeit.
Nach dem 0:0 nun setzte Klopp seine Spielchen fort, immer wieder korrigierte er den Übersetzer, verzog dabei ironisch das Gesicht. "Das habe ich nicht gesagt, aber die Antwort war besser als meine", meinte Klopp etwa nach einer belanglosen Frage zu seiner Heimat im Schwarzwald. Ob er sich auf ein Duell mit Borussia Dortmund freue, das nach dem 2:0 gegen Porto in der Europa League schon fast eine Runde weiter ist, wurde Klopp dann gefragt. "Jetzt kann ich ein Sprichwort sagen, ohne dass ich an die englische Übersetzung denken muss, das muss dann er überlegen", antwortete er mit Verweis auf den Übersetzer und sagte: "In Porto hängen die Trauben hoch." Sein Nachbar machte daraus irgendwas mit "dreamland", er hatte "Traum" statt "Trauben" verstanden. Wieder Lacher. Ein bisschen Off-Topic war dem Premier-League-Trainer an diesem Abend ziemlich willkommen.
Gegen Augsburg sah man den Neu-Engländer gewohnt schimpfend an der Seitenlinie, in der zweiten Halbzeit hatte er sich auf die Bank verdrückt. "Ich bin nicht hundertprozentig zufrieden", startete Klopp seine Rede zur Partie, "ich will, dass wir öfter auf dem Level spielen, das wir spielen können." Konkret bedeutet das für ihn: "Wir hätten mehr Chancen herausspielen können. Wir müssen besser im Zweikampf sein, Konter verhindern und in der Verteidigung besser stehen. Aber wir müssen auch die eigenen Angriffe absichern. Indem du einfache Bälle zurückgewinnst und dann hast du auch wieder den Platz."
Ein nörgelnder Klopp macht noch keinen wütenden Klopp, das hat man in seiner Zeit als Trainer von Borussia Dortmund gelernt. So ließ er Kritik am Ergebnis nicht zu, er bezeichnete es als "Top-Ergebnis". Ob es ohne Auswärtstor nicht auch gefährlich für das Rückspiel sei? Klopp lachte halb aufgesetzt, halb empört, blaffte den Fragensteller an ("so was ist einfach auf deiner Seite mit dem Mikro in der Hand") und erklärte angestachelt: "Auswärts soll man kein Gegentor kriegen, das besagt die Regel, nicht: auswärts auch noch ein Tor machen." Dem FC Liverpool hätte ein doppelt gewerteter Treffer in Augsburg eine bessere Ausgangslage verschafft für das Spiel in der Anfield Road am kommenden Donnerstag. Doch Klopp wollte vor allem verstanden wissen: "Du kannst hier nicht herkommen und 5:0 gewinnen." Augsburg sei als Bundesligist nicht einfach zu schlagen.
Dong-Won Ji vergibt den Siegtreffer für Augsburg
Tatsächlich hatte sogar der FCA die größte Gelegenheit in der Partie gehabt. Der eingewechselte Dong-Won Ji verfehlte mit seinem Pfostenschuss in der 86. Minute nur knapp das Siegtor. Liverpool investierte wenig und zeigte kaum etwas von der Klasse, die man von dem Premier-League-Team erwartet hätte. "Die Spieler haben in der Zusammensetzung noch nicht so oft zusammengespielt auf Schlüsselpositionen", erklärte Klopp, der zahlreiche Verletzungen in der Mannschaft kompensieren muss. Und damit in England bei manchem auch in die Kritik geraten ist - sein aufwendiger Spielstil provoziere muskuläre Probleme. Immerhin: In Augsburg kam kein neuer Ausfall hinzu.
Dass Klopp ziemlich bedient war, hatte auch Augsburgs Trainer Markus Weinzierl mitbekommen. "Ich denke, er weiß, dass es ein gefährliches Ergebnis ist", sagte er, der mit der Leistung seines Teams hochzufrieden war: "Es war ein Highlight. Wir waren mindestens ebenbürtig mit Liverpool." Das Team habe sich eine sehr gute Ausgangsposition fürs Rückspiel geschaffen, sagte Weinzierl noch, "um in Liverpool vielleicht eine Sensation zu schaffen".
Einen Lacher musste auch er noch abgreifen nach dem Auftritt von Klopp: "Aber wir wissen natürlich auch, dass in Liverpool die Trauben hoch hängen."