„Wird Imad Rondic doch noch die erhoffte Verstärkung für den 1. FC Köln?“, lautete vor ein paar Wochen die Überschrift einer Veröffentlichung auf Youtube – der Autor hat damit eine Frage formuliert, die geeignet erscheint, die elementaren Menschheitsrätsel zu bereichern. Wird man je erfahren, ob es Marsmenschen gibt, und wird Rondic jemals zum Torjäger taugen?
Der 26 Jahre alte Mittelstürmer aus Sarajevo hätte am Samstagabend im Spiel gegen Jahn Regensburg zumindest ein Stück jenes Geheimnisses lüften können, das ihn umgibt, seitdem er sich Ende Januar dem 1. FC Köln angeschlossen hat: Man sieht eine gewisse Veranlagung, aber niemals deren Verwirklichung. So lief Rondic am Samstag zwar gleich nach seiner Einwechslung fachgerecht in Position, um Linton Mainas Zuspiel aufzunehmen, aber das Ergebnis war ein allenfalls halber Schuss, den Regensburgs Verteidiger Robin Ziegele gelassen aufhalten konnte. Oder die 80. Minute: Wieder ist Rondic dort, wo der Ball hinkommt – im Rutschen verfehlt er ihn um ein paar Zentimeter. Und wenig später: Erneut ist er im Strafraum anspielbar – erneut erwischt er den Ball nicht richtig.
Wäre einer dieser Versuche erfolgreich gewesen, dann hätte der 1. FC Köln vermutlich nicht mit einem 1:1 vom Tabellenletzten scheiden müssen, der schon vor der Partie von seinem sicheren Abstieg aus der zweiten Liga erfahren hatte. Die heimischen Fans in Köln-Müngersdorf hätten dann nicht nach dem Spielende empört gepfiffen und in wechselnden Sprechchören gefordert, Trainer Gerhard Struber und Manager Christian Keller zu feuern – von denen sich der Klub nach übereinstimmenden Berichten dann auch getrennt hat. Offiziell, hieß es, solle das Aus am Montag kommuniziert werden. Eine Bestätigung gab es dafür am Sonntagabend nicht.
Dank Rondic hätten die Leute drei Punkte mit in die Nacht genommen und, wie das Kölner üblicherweise so machen, bei sich gedacht, dass es mal wieder gut gegangen ist. Die Rondic-Frage ist eine Frage, die sich gegen den wenig populären Sportchef richtet, im Moment ist sie aber nicht die wichtigste Frage im Kosmos des 1. FC Köln. Wichtiger ist, ob es der seit Monaten für den Aufstieg favorisierte Klub noch schafft, die Beförderung zu verderben. Am Samstag konnte man das glauben. Auf Platz zwei stehend, haben die Kölner zwar drei Punkte Vorsprung auf die Verfolger Paderborn und Elversberg, doch die Bedenken mehren sich – erst recht nach dem schwachen Auftritt gegen den Jahn. „Die Stimmung ist so, als ob wir gerade etwas komplett versaut hätten“, stellte Keller fest. Kapitän Timo Hübers meinte, atmosphärisch sei „der Grundton gefühlt Abstiegskampf“.
Diesmal gab selbst Marvin Schwäbe eine unglückliche Figur ab
Passen sich nun auch die lebensfrohen Kölner dem deutschen Defätismus an? Keine Frage: Ein 1:1 gegen Regensburg dürfen die FC-Fans für eine schwere Enttäuschung halten, aber ihr Ärger wäre weniger grundsätzlich, wenn sie sich an bessere Auftritte des Teams erinnern könnten. Zähes Durchwursteln prägt den Kölner Saisonverlauf. Im Grunde hat das Team nun gespielt wie immer: fleißig, bemüht und weitgehend überlegen, aber offensiv einfallslos und unergiebig. Struktur und eingeübte Abläufe im Angriffsdrittel sind nicht zu erkennen, und diesmal genügte das Tor von Tim Lemperle (60.) nicht für den neunten 1:0-Erfolg der Saison, weil Torwart Marvin Schwäbe ausnahmsweise nicht als Retter vor dem Unheil hervortrat. Beim Ausgleich durch Noah Ganaus (76.) gab er eine unglückliche Figur ab.
Der in der zweiten Liga finanziell und personell überlegen ausgestattete 1. FC Köln ist überfordert, wenn er mal mehr als ein Tor schießen muss. Darüber bekommen die Fans schlechte Laune, und zu deren Steigerung trägt nun eben auch Imad Rondic bei, den Manager Keller für anderthalb Millionen Euro aus der polnischen Liga importieren ließ. Trainer Struber hatte dem Slowenen zuletzt keine Einsatzzeit mehr gegönnt, am Samstag rügte der österreichische Coach, die Angreifer seien „in vielen Momenten viel zu ineffizient“. Die von Keller als Leistungsbeleg und als positive Botschaft angeführten 22 Torschussversuche des FC taugten daher weniger zur Verteidigung als zur Anklage wegen Qualitätsmangels.

Als der von sich und seinem Handeln stets zweifelsfrei überzeugte Sportchef im vorigen Sommer den bleibewilligen Torjäger Davie Selke wegen übersichtlicher finanzieller Differenzen ziehen ließ, hat Keller nicht zum ersten Mal die falsche Priorität gesetzt. Zumal da die Einkaufsbilanz nicht gerade Vertrauen in seinen Kennerblick schafft. Die Winterausgaben für drei neue Profis – immerhin sechs Millionen Euro – haben den Leistungsstand des Teams nicht merklich erhöht. So gibt es Anlass, sowohl den Nichtaufstieg wie den Aufstieg zu fürchten: Wie soll dieser Kader in der ersten Liga bestehen? Lemperle, der talentierteste Stürmer, verlässt den Verein im Sommer. Mark Uth, der Spieler mit dem größten Kreativ-Vermögen, beendet 33-jährig die Karriere, weil er aus körperlichen Gründen nicht mehr auf seine Leistungshöhe findet.
Der 1. FC Köln sei dank drei Punkten Vorsprung immer noch „in einer komfortablen Situation“, findet Coach Struber. Aber dass er sich deshalb seines Trainerlebens freut, hat er nicht behauptet: „Grundsätzlich war jedes Spiel schwer, seitdem ich hier Trainer bin.“ Und allem Anschein nach war jenes gegen Regensburg in Köln sein letztes.