1. FC Köln:Mit Piano, Geige und Kontrabass

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Siebtes Spiel, siebtes Tor: Anthony Modeste (vorne, gegen Marcel Tisserand) führt die Torschützenliste der Liga an. (Foto: Patrik Stollarz/AFP)

Die Mannschaft von Trainer Peter Stöger spielt sich mit viel Humor auf Platz zwei - und bleibt ganz gelassen.

Von Andreas Morbach, Köln

Frederik Sörensen sieht generell etwas Furcht einflößend aus, nach dem 2:1 gegen Ingolstadt trieb es der 1,94 Meter große Däne mit dem eigenen, höflich-grimmigen Erscheinungsbild nun auf die Spitze. Trotz des vierten Saisonsiegs und des gerade erklommenen zweiten Platzes schaute der Verteidiger aus Skandinavien ernst in die Runde, legte bei seinen Sätzen beide Hände auf den Rücken und präsentierte das gewaltige weiße Pflaster über seiner linken Augenbraue.

Die Verletzung hatte sich der 24-Jährige nach zehn Sekunden bei einem Kopfballduell mit Gästespieler Moritz Hartmann zugezogen - und hielt unbeeindruckt von der Wunde bis zum Schluss durch. "Das ist in jedem Spiel so, dass man mal auf dem Boden liegt. Ich bin das gewohnt", sagte Sörensen cool, dann dachte er bereits an die Zweikämpfe am nächsten Wochenende in der Hauptstadt: "Bayern-Jäger? Ich weiß nicht. Aber wir freuen uns schon auf das Spitzenspiel in Berlin."

Drei Wochen nach dem 1:1 in München wird das Kräftemessen mit Hertha BSC zur nächsten Qualitätsprobe für das Team von Trainer Peter Stöger. Ein Dutzend Mal in Serie konnten die Kölner inzwischen erfolgreich Niederlagen vermeiden. Parallel dazu haben sie vor allem dank gezielter Umschulungsmaßnahmen in der Sommervorbereitung ihr spielerisches Niveau angehoben und ihrem Ensemble aus vielen Verteidigungsministern mittlerweile auch ein gehöriges Offensivpotenzial verpasst.

Dies führt neuerdings zu mannschaftsinternen Beratungen über mögliche Jubelposen. Den ersten Treffer ihres Doppel-Torschützen Anthony Modeste gegen Ingolstadt feierten einige Kölner Spieler mit einem imaginären Konzert vor der eigenen Ersatzbank: Modeste mimte dabei einen Pianisten, Konstantin Rausch imitierte einen Schlagzeuger, Marco Höger blies die Trompete, und die Reservekräfte Leonardo Bittencourt und Simon Zoller übernahmen Geige und Kontrabass.

Im Namen der Kölner Stadtmusikanten erwähnten Rausch und Höger später den schlüpfrigen Zusammenhang zwischen der Einlage und den Schlafzimmergewohnheiten der FC-Spieler. "Wir gehen als Mannschaft oft zusammen essen. Wenn einer nicht kann, weil er lieber etwas mit seiner Freundin unternimmt, heißt es dann: Da wird zu Hause ein Konzert gespielt", bestätigte Bittencourt diese Auslegung bei seinem Auftritt im Aktuellen Sportstudio. Den Trip nach Mainz unternahm der 22-Jährige zusammen mit Kapitän Matthias Lehmann, am Sonntag bereicherte dann Trainer Peter Stöger die Talkrunde "Doppelpass" mit seinem Wiener Schmäh.

Die Protagonisten des FC sind gefragt in diesen Wochen, in denen viele in der Fußballrepublik über das anhaltende Hoch der Kölner staunen. Bemerkenswert ist dabei die Konstanz, mit der es für die einstige Skandalnudel der Liga aufwärts geht - nach dem Sieg über Ingolstadt konnte Manager Jörg Schmadtke nun erfreut feststellen: "Angesichts der Tabellensituation hat die Mannschaft einen gewissen Druck gespürt - und diesem stand gehalten."

Dazu trug auch ein Gedankenaustausch zwischen Stöger und Jonas Hector während des Ingolstadt-Spiels bei. Der Trainer hatte das dringende Gefühl, auf Dreierkette umstellen und Nationalspieler Hector ins Mittelfeld beordern zu müssen. "Der Eindruck der Spieler war ähnlich, also haben wir es umgesetzt", berichtete Stöger. Der Erfolgslauf seiner Mannschaft ist dem Österreicher inzwischen beinahe unangenehm, er mache mit seinen Assistenten doch nicht Außergewöhnliches, sondern einfache Dinge. "Aber", nennt Stöger dann doch eine wichtiges Erfolgsgeheimnis, "wir haben es geschafft, uns über uns selbst lustig machen zu können. Wir können uns auch selbst verarschen."

Entsprechend gelassen nehmen die Spieler und ihr Trainer auch die Meisterschalen aus Pappe und die Fangesänge vom kommenden Titelträger FC zur Kenntnis. "Das ist halt Köln", sagte Torhüter Timo Horn grinsend, ehe er betonte: "Über Meisterschaft, Champions League oder so was sollten wir nicht reden." Über das kommende Gipfeltreffen in Berlin aber schon: "Wir fahren mit Selbstbewusstsein dahin und versuchen, unseren Lauf mitzunehmen und weiterhin ungeschlagen zu bleiben."

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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