Auch lange nach dem Abpfiff des Spiels gegen den SC Paderborn haben viele Fans des 1. FC Köln am Freitagabend nicht aufgehört, für Stimmung zu sorgen. Während sich einzelne FC-Spieler schon auf den Heimweg machten, standen die Leute immer noch in der Südkurve und ermunterten mit vereinten Stimmkräften die Vereinsführung zum Handeln – zum Rauswurf des Sportchefs Christian Keller nämlich, dem nicht nur die Anhänger im Fanblock die Verantwortung für den sportlichen Niedergang des Klubs und die aktuelle Negativentwicklung geben.
Die Zeugenschaft der 1:2-Niederlage gegen Paderborn bescherte dem Gros der Stadionbesucher ein 90-plus-vierminütiges Passionsspiel. Dass SCP-Trainer Lukas Kwasniok später mit großer Selbstverständlichkeit von einem „absolut verdienten Sieg“ seiner Elf sprach, war die Wahrheit und nichts als die Wahrheit – und dabei hatten die Paderborner nicht mal besonders gut gespielt. Einige geschickte Kniffe des Trainers genügten, um den FC lahmzulegen. Das cleverste der cleveren Manöver: Nach dem Kölner Führungstor (66. Minute) wechselte Kwasniok die komplette Angriffsflotte, was seinem 34-jährigen Routinier Sven Michel, der beide späten Tore erzielte (76./80.), einen großen Auftritt verschaffte.
Die Kölner dagegen: Harmlos wie die Kaninchen, die im Park am Vereinshaus Geißbockheim hausen. Hätte man nach der Partie eine Unterhaltung über die Torchancen des FC führen wollen, wäre das ein sehr kurzer Dialog geworden. Angeschwiegen hätte man sich. Die Hausherren hatten nicht eine einzige seriöse Torchance gehabt. Das Führungstor resultierte aus einer Szene, in der Jan Thielmann aus zwanzig Metern auf gut Glück den Ball dorthin zurück drosch, wo er hergekommen war – aus der Menschenmenge im Paderborner Strafraum. Ein schönes Tor, aber auch ein Zufallstor.
Gerhard Struber, der Kölner Trainer, nutzte den Glücksmoment, um ihn als Teil eines planmäßigen Erfolgsmodells zu interpretieren: Sein Team sei auf einen 1:0-Sieg zugesteuert, „bei dem im Nachhinein keiner fragt, wie du die drei Punkte eingefahren hast“. Der Satz sollte offenbar verheißen, dass die Kölner Ödnis auf dem Rasen Teil des Trainer-Konzepts für einen Arbeitssieg gewesen sei. Aber das war bloß der Versuch, die substanziellen Probleme im stagnierenden Kölner Spiel zu beschönigen. Nach der Erfahrung des 1:5-Debakels in Darmstadt ordnete Struber an, die Defensive zu verstärken - und sorgte damit für offensiven Stillstand. Man sei „immer wieder in Passivität verfallen. Es ging heute wenig“, fasste der Kölner Kapitän Timo Hübers zusammen.
Das nach dem Abstieg noch nachsichtige Publikum wird ungeduldig und zornig
Wenn die alte Bauernweisheit zutrifft, dass nach zehn Spieltagen genügend Beweismittel zusammengekommen sind, um die erste vorläufige Saisonbilanz zu ziehen, dann fällt das Fazit in Köln bedenklich aus: Mit zwölf von möglichen 30 Punkten befindet sich der FC an einem Tabellenort, der auf eine längere Verweildauer in der Zweitklassigkeit schließen lässt. Vorsorglich wies Sportchef Keller darauf hin, man habe ohnehin nie behauptet, dass gleich der Wiederaufstieg gelingen müsse: „Wir wussten, wie schwierig das ist.“ Die Zielsetzung im Sommer habe daher „schnellstmöglicher Aufstieg“ gelautet. Klingt verdächtig nach der Strategie des Hamburger SV. Oder nach der Garantie, die das Schild in der Kneipe verspricht: „Morgen Freibier“.
Dem Publikum ist nicht nach semantischer Differenzierung zumute. Es wird ungeduldig und zornig. Nach dem Stimmungstief im Mai, das geeignet war, außer dem Manager auch den kompletten Vorstand hinwegzufegen, sorgte Keller für Beruhigung, indem er – auch mit finanziellen Aufwertungen der Spielerverträge - die Erstligamannschaft zusammenhielt. Wichtige Profis wie Eric Martel, Thielmann und Hübers bekannten sich zum FC, der sehr gefragte Denis Huseinbasic verlängerte seinen Vertrag. Das Kölner Personal ist wie das Saisonbudget im Ligavergleich erstklassig, das Niveau der Auftritte dagegen lässt seit Wochen stetig nach, was zur typischen Frage der Jahreszeit führt: der Trainerfrage.
Wobei sich im Fall von Gerhard Struber, der sich bisher als monothematischer Vertreter der Red-Bull- bzw. Gegen-den-Ball-Schule präsentiert, auch gleich die Managerfrage anschließt. Wenn Struber gehen müsse, dann sei auch Keller fällig, wird in mehr oder weniger eingeweihten Kreisen verbreitet. Zumal der Manager in seinen zweieinhalb Jahren Dienstzeit die Meinungshoheit im Klub und die Entscheidungsgewalt weitgehend auf sich konzentriert hat, weshalb er nun auch als haftbar gelten darf. Gerüchte über ein Rücktrittsangebot von seiner Seite kursierten am Wochenende, sind aber nicht bestätigt. Es kann allerdings jederzeit etwas Umwälzendes geschehen im Geißbockheim.
Kellers Unterstützung für Struber steht vor diesem Hintergrund in speziellem Licht. Die persönlichen Fehler der Defensivspieler, die gegen Paderborn zu den Gegentoren geführt haben – Kapitän Hübers vorneweg -, die könne „kein Trainer auf der Welt verhindern“, argumentierte Keller am Freitagabend. „Der Trainer macht einen guten Job“, setzte er fort. Struber selbst hat im Moment nicht mehr zu bieten als originell formulierte Appelle zur Gemeinsamkeit („müssen uns an der Nase nehmen und uns strecken“), seine Analyse der gegenwärtigen Situation beschreibt das Kölner Dilemma allerdings anschaulich und zutreffend: „Der Anspruch in dieser FC-Welt ist sehr, sehr hoch – und gleichzeitig gibt es die Realität.“