1. FC Kaiserslautern:Wartungen am schrumpfenden Riesen

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Thomas Gries ist seit April Vorsitzender des Klubs. Er will wieder neue Aufbruchsstimmung entfachen und die früher so gefürchtete Mentalität der Roten Teufel wecken. Leicht wird das nicht.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Thomas Gries blickt aus einer Loge ins Fritz-Walter-Stadion. Die Sonne scheint und der neue Vorstandsvorsitzende des 1. FC Kaiserslautern erzählt, wie er als kleiner Junge in den frühen Siebzigerjahren die ersten Erlebnisse als FCK-Fan hatte. Damals war die Westkurve noch ein Oval ohne Dach und Gries konnte über die Reaktionen der Fans auf dem Balkon der elterlichen Wohnung die Spielstände erahnen. Die Familie Gries wohnte schließlich nur ein paar Schritte "vum Betze" entfernt. Seine Begeisterung für den FCK hat Gries nie verloren in den letzten 25 Jahren - auch wenn er nicht im Fußball, sondern in der Wirtschaft tätig war. Sechs Jahre lang arbeitete Gries als Marketingchef für Coca-Cola Deutschland, zuvor war er bei Firmen wie Mars und Underberg. "Ich habe auch Windeln verkauft", sagt Gries: "Nichts gegen Windeln: Aber das hier beim FCK ist pure Emotion."

Dabei ist der FCK heute nicht mehr der FCK, mit dem Gries sozialisiert wurde. Die großen Erfolge des Fritz-Walter-Klubs liegen lange zurück. Die letzte der vier Deutschen Meisterschaften feierte die Pfalz 1998, kommenden Freitag startet Kaiserslautern gegen Hannover 96 bereits in seine fünfte Zweitligasaison in Serie. Und zum ersten Mal gehört der FCK nicht mehr zu den selbstverständlich genannten Aufstiegsfavoriten. Aus dem ersten Klub der Pfalz ist ein schrumpfender Riese geworden.

Nur noch 26 000 Menschen, so wenig wie seit 26 Jahren nicht mehr, wollten in der abgelaufenen Runde die Heimspiele sehen. Der FCK, der nach seinem Selbstverständnis in die Bundesliga gehört, ist mit Platz zehn nur noch Mittelmaß in der zweiten Liga. Die Ära von Stefan Kuntz ging dieses Frühjahr auch auf Druck der Mitglieder jäh zu Ende, der Verein hat sich komplett neu aufgestellt. In Gries und Finanzfachmann Michael Klatt amtiert ein neuer Vorstand, in Uwe Stöver ein neuer Sportlicher Leiter und in Tayfun Korkut ein neuer Trainer.

Die Neuzugänge des 1. FC Kaiserslautern beim Fototermin (v. l. n. r.): Trainer Tayfun Korkut, Max Dittgen, Nicklas Shipnoski, Marlon Frey, Phillipp Mwene, Torhüter Andre Weis, Naser Aliji, Osayamen Osawe, Christoph Moritz, Nils Seufert und Co-Trainer Xaver Zembrod. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Gries ist durch die Pfalz getingelt - und hat Sponsoren gefunden

Gries ist viel durch die Pfalz gereist, seit er im April an den Start ging. Damals herrschte eine extrem schlechte Stimmung. "Das Schlimmste war, dass ich Leute getroffen habe, denen der FCK egal war", erzählt Gries, der versucht, eine neue Aufbruchsstimmung zu entfachen. Die Kampagne "Nur zusammen sind wir Lautern" gibt den Weg vor. Ein sogenannter Teufelsrat mit mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten mit FCK-Affinität wurde ins Leben gerufen. Er habe neue Sponsoren gewonnen, erzählt Gries, jüngst einen neuen Hauptsponsor vorgestellt, alte Gönner vom Verbleib überzeugt und spürt nun wieder "ein leichtes Kribbeln für den FCK bei den Leuten". Am Freitag kamen rund 10 000 Fans zum Stadionfest, FCK-Fan und Popstar Mark Forster sang.

Als Gries jüngst im TV erklärte, er wolle mit dem ehemaligen FCK-Held Miroslav Klose über eine Rückkehr in die Pfalz sprechen, erlebte Gries, wie emotional das Fußballgeschäft ist. Es gab Lob und hagelte Kritik. Dass Gries seinen Klub mit dem berühmten Stürmer in Verbindung gebracht hatte, habe den Klub mal wieder ins überregionale Rampenlicht gebracht, lobten die einen. Kritiker aber fanden, Gries habe grundlos unerfüllbare Hoffnungen geweckt. Also ruderte er zurück und Klose erklärte kurz darauf, seine Karriere nicht in Deutschland fortsetzen zu wollen.

Gries wird nicht dafür bezahlt, die Dinge negativ zu sehen, er sagt: "Ich verkaufe Hoffnung."

Gries weiß, dass die große Tradition des Klubs, die Erwartungen der Fans auch eine Last auf seinen Schultern werden können. Er spricht aber lieber von der Energie, die in Lautern herrscht. Auch früher sei der FCK Außenseiter gewesen, sagt Gries - und habe trotzdem Erfolge gefeiert. Nur: Früher war der FCK ein Außenseiter mit Siegergen. Die einst gefürchtete Mentalität der "Roten Teufel" ist längst verloren gegangen.

Ob diese der neue Trainer Tayfun Korkut wiederbeleben kann? Korkut, 42, trat im Juni nach seiner Entlassung in Hannover und einer langen Pause in Kaiserslautern seine zweite Stelle im Profifußball an. Er habe in den letzten sechs Wochen viel über die "generellen Werte" des FCK gelernt, sagt Korkut: "Hier wird erwartet, dass man mutig ist und nie aufgibt, dass man arbeitet und fleißig ist." Korkut will eine Elf, die agiert, nicht reagiert: "Das primäre Ziel ist, die Fans zu begeistern."

Verlässt Islands EM-Held Bödvarsson den Verein?

Dabei sind die Rahmenbedingungen schwieriger geworden. Rund 20 Prozent und auf 8,5 Millionen Euro musste der Spieleretat - Stand jetzt - reduziert werden. Der FCK verlor letzte Saison zwei Ränge im TV-Ranking, das Minus ist wahrscheinlich mit 1,9 Millionen Euro höher als erwartet. Geld könnte bald durch den Verkauf von Islands EM-Spieler Jon Dadi Bödvarsson in die Kasse kommen. Ab drei Millionen Euro Ablösesumme würde der FCK den wechselwilligen Stürmer wohl in die zweite englische Liga ziehen lassen. Mit dem Erlös könnten Schwachstellen im Kader geschlossen werden. Aber noch wird im Konjunktiv darüber gesprochen.

Das 1:1 im Test gegen den französischen Erstligisten FC Metz am Freitag verdeutlichte, dass noch ein Rechtsverteidiger, ein Innenverteidiger, ein torgefährlicher Außenbahnspieler und ein Angreifer fehlen. In Christoph Moritz (Mainz) im Mittelfeld verstärkt bislang nur ein gestandener Profi das Team. Die Außenverteidiger Aliji (Basel) und Mwene (VfB Stuttgart II) sowie Stürmer Osawe (Halle) sind Auszubildende.

Thomas Gries aber ist Optimist. Nächsten Freitag zur Zweitliga-Eröffnung im Fritz-Walter-Stadion gegen Hannover, glaubt er, den Rekordbesuch der vergangenen Runde toppen zu können. Dazu müssten 33 000 Zuschauer zum Spiel kommen. Das wäre zumindest mal ein guter Anfang.

© SZ vom 31.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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