1. FC Kaiserslautern - FC Bayern:Nur 66 Sekunden

Bayern-Trainer Louis van Gaal überrascht mit der Aufstellung, die Kaiserslauterner Stürmer überraschen die Münchner Abwehr - und der FCB kassiert seine erste Saisonniederlage. Beim 0:2 auf dem Betzenberg ist eine Aktion von Thomas Müller der Schlüsselmoment.

Am Tag zuvor haben die Münchner noch die Auslosung zur Champions League kommentieren müssen, es ging um die große weite Welt des Fußballs, um Rom zum Beispiel. 24 Stunden später ist der FC Bayern an einem Ort, der zwar viel Tradition aufweist, zuletzt aber zur Fußball-Provinz zählte, wieder im Alltag angekommen: 0:2 (0:2) verlor der Meister beim Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern, der nun bei blitzsauberen sechs Punkten steht. Die Bayern dagegen sind ernüchtert, erstmals seit dem 1:2 im März gegen den VfB Stuttgart verloren sie ein Ligaspiel. "Wir waren über 90 Minuten die bessere Mannschaft, hatten die besseren Chancen, aber was hilft es", sagte Nationalspieler Philipp Lahm enttäuscht. "Wenn man verliert hat man einiges falsch gemacht."

Louis van Gaal überraschte mit einer Veränderung seiner Startelf, denn zu dieser gehörte Ivica Olic, über dessen jüngste Knieblessur sich der Trainer zuletzt noch so sorgenvoll geäußert hatte. Diese Woche tauchte der Kroate aber plötzlich wieder im Teamtraining auf und ersetzte Toni Kroos, in dem wohl ungute Erinnerungen an seinen ersten Versuch beim FCBayern aufgestiegen sein dürften: auch vor zwei Jahren, unter dem Trainer Klinsmann, stand der Rostocker in der Münchner Startelf beim Saisonbeginn, damals gegen den HSV (2:2) - danach verschwand das Talent in der Versenkung und flüchte schließlich nach Leverkusen.

Van Gaal begründete Kroos' Degradierung mit der Absicht, den Angriff zu stärken, "Olic ist mehr zweiter Stürmer, ich denke, dass das offensiver ist", sagte der Holländer vor dem Anpfiff. Allerdings ist davon dann doch recht wenig zu sehen gewesen, als die Bayern zwar wieder rekordverdächtige Ballbesitzwerte verbuchten - rund 70 Prozent nach einer halben Stunde -, in der Zirkulation aber mehrfach auch Torhüter Butt einbezogen. Zwingend sah das alles nicht aus, und Olic gab auch weniger einen zweiten Stürmer neben Klose, sondern er ersetzte diesmal statt Müller den verletzten Rechtsaußen Robben; WM-Schützenkönig Müller übernahm Kroos' Job als Nachrücker hinter Klose.

Wann würde das Tor für die Münchner fallen, fragten sich die 50.000 auf den steilen Betzenberg-Rängen, denn Torhüter Sippel wirkte bei den ersten hohen Hereingaben der Gäste etwas unsicher - und die eigene Elf hielt nur mühevoll mal über mehrere Stationen den Ball in den eigenen Reihen. Die Bayern lauerten auf den entscheidenden Moment, das war ersichtlich, und er kam dann tatsächlich. Wenn die Räume vorne eng sind, hilft ja neuerdings vor allem Müller, und so legte der 20-Jährige nach 24 Minuten auf Ballverteiler Schweinsteiger ab, machte sich auf in die Spitze, erhielt vom Kollegen einen trefflich Pass in den Lauf, lief frei auf Sippel zu, schaute zu diesem auf und zog ab - und vergab.

Müller konnte es nicht fassen, ebenso nicht Klose und Olic, die rechts mitgelaufen waren und sich bei einem Abspiel wohl jeweils einen Spaß daraus gemacht hätten, den Ball mit Verzögerung und ein paar Faxen ins leere Tor zu treten. Olic schimpfte, draußen schimpfte van Gaal, über seinen Lieblingsschüler Müller ("Wir stehen drei gegen eins, das muss ein Tor sein!"). Hatte es das jemals zuvor gegeben?

Die Bayern hätten nun bereits ahnen können, das hier etwas nach nicht ihren Vorstellungen lief, es dauerte noch ein paar Minuten, bis sie das erkannten. Das Unheil nahm über links seinen Lauf, über Contentos Seite, dort wurde ein Querpass parallel zum Strafraum gespielte, der Ball rollte rüber auf die andere Seite, Lahm griff nicht ein und auch Olic half zu spät - Ilicevic fand's prima und schlenzte kunstvoll ins rechte obere Eck. Das 1:0, und ein sehr schönes Tor - auf dem Betzenberg hüpften und schrien sie vor Glück.

Die Pfalz dreht durch

Was dann kurz darauf folgte, war ein regelrechter Orkan der Begeisterung, denn einen Angriff später führte der Aufsteiger 2:0. Diesmal kamen sie nach einem schnellen Münchner Ballverlust über links, über die Seite von Lahm, der ja zurzeit so viel um die Ohren hat wegen der Debatte ums Kapitänsamt. Den Torschützen Ilicevic ließ er nach innen ziehen, dessen flache Hereingabe rutschte Badstuber unter der Sohle durch, und FCK-Torjäger Lakic schob kühl ins Eck, schon sein dritter Saisontreffer. Wenn sie nach dem 1:0 geschrien hatten vor Glück, drehten sie in der Pfalz nun eher durch.

Zwei Tore binnen 66 Sekunden, kopfschüttelnd marschierten die Münchner nach dem Pausenpfiff in die Kabine. Zwei Konter hatten sie kassiert, da nützten ihnen die schönen 75 Prozent Ballbesitz herzlich wenig. Nach Wiederbeginn änderte sich das Bild wenig, die Münchner dominierten, aber Torchancen spielten sie sich wenige heraus. Lautern stand entschlossen hinten und warf sich mit Enthusiasmus in die Zweikämpfe, nur das Messer zwischen den Zähnen fehlte noch. Klose schoss über das Tor nach van Bommels Vorstoß (50.), aber viel mehr passierte zunächst nicht. Van Gaal reagierte, er löste seine Viererreihe hinten auf und zog Contento ab, Pranjic kam. Wie nun auch Kroos, der Olic ersetzte. Kroos besaß dann gleich die beste Gelegenheit zum Anschlusstor, aber Sippel parierte seine Direktabnahme nach Müllers Kopfballablage glänzend (67.).

Die Lauterer verwalteten recht problemlos ihren schönen Vorsprung und kamen im zweiten Abschnitt mit nur einer Torchance aus, Rodneis Kopfball nach einer Flanke von Jessen hätte aber fast das 3:0 bedeutet (75.). Am Ende bildeten die FCK-Profis eine Kreis, und die Leute sangen nun beseelt: Spitzenreiter.

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