Süddeutsche Zeitung

FC Ingolstadt:Eine Feuerwehrtruppe gegen das Chaos

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Von Johannes Kirchmeier

Am Ende einer turbulenten Woche hat Peter Jackwerth, Vorstandsvorsitzender des abstiegsbedrohten Zweitligisten FC Ingolstadt, eine Jobgarantie ausgestellt. "Schanzi bleibt", sagt er, "egal in welcher Liga". Schanzi ist das Ingolstädter Maskottchen - und darf das auch in Zukunft sein. Abgesehen davon hat sich das Gesicht des FCI in den vergangenen Wochen stark verändert.

Am Donnerstag vor einer Woche hatten sich der Verein und der langjährige Geschäftsführer Harald Gärtner einvernehmlich getrennt. Am Montag dann, einen Tag nach der bitteren 1:2-Niederlage gegen den SV Sandhausen, saßen Jackwerth und sein Aufsichtsrat in der Geschäftsstelle beisammen. Eigentlich wollten sie nur mit den Angestellten besprechen, ob sie auch im Falle eines Abstiegs in die dritte Liga weitermachen würden. Da fragten die Mitarbeiter, wer denn ihr Ansprechpartner sei. Gärtner war weg - es gab keinen mehr.

Deshalb gaben Jackwerth und seine Kollegen im Aufsichtsrat dem früheren Münchner Fußballer Thomas Linke, bis 2017 FCI-Sportdirektor und zuletzt externer Berater, die sportliche Verantwortung bis zum 30. Juni. Der Aufsichtsrat sucht derweil einen Sport-Geschäftsführer für die Zeit ab 1. Juli, zuletzt war dafür angeblich der frühere Nürnberger Andreas Bornemann im Gespräch.

"Es ist klar, dass wir jetzt eine Feuerwehrtruppe geholt haben, die nicht mehr da sein wird in der neuen Saison", sagt Peter Jackwerth

"Thomas machte zur ersten Voraussetzung: 'Es läuft so, wie ich es will'", sagt Jackwerth. Linke verpflichtete seinen ehemaligen Weggefährten Tomas Oral als Trainer, der damit der fünfte Ingolstädter Coach der Saison ist. Zuvor hatte der Verein Jens Keller nach nur zwölf Spielen entlassen. Nicht jeder Außenstehende kommt da noch mit. "Wir wollten die Mannschaft aufwecken", erklärt Jackwerth, "es lag nicht an Jens Keller, er ist ein guter Trainer, aber mit ihm hätten wir es auch nicht mehr geschafft." Sieben Spiele bleiben Oral, um den Klassenverbleib zu erreichen. In etwas mehr als zwei Jahren könnte aus dem ambitionierten Bundesligisten bald ein Drittligist werden. Es ging zuletzt eben "restlos alles, was wir gemacht haben, in die Hose". Beim Vorletzten MSV Duisburg sollte der FCI am Samstag (13 Uhr) schon gewinnen, um noch Chancen zu haben.

Oral gelang es schon 2012, den FCI zu retten. Viel Zeit haben er und Linke allerdings nicht: "Es ist klar, dass wir jetzt eine Feuerwehrtruppe geholt haben, die nicht mehr da sein wird in der neuen Saison", sagt Jackwerth. "Der neue Geschäftsführer macht sich dann auf die Suche nach einem Trainer." Diese Lösung soll sitzen, denn "dass sich im sportlichen Bereich etwas verändert, ist normal im Fußball, aber in der Häufigkeit wie bei uns nicht". Seit Ralph Hasenhüttl, der den Klub 2016 nach Leipzig verließ, hat es kein Trainer geschafft, langfristig beim FCI zu arbeiten. Dabei strebt Jackwerth eigentlich nach Kontinuität.

2004 hat er den Verein mitbegründet. "Das ist schon noch mein Baby", sagt er heute. "Aber es ist erwachsener geworden. Und mit erwachsenen Kindern geht man anders um." Man sei dann auch einmal nicht einer Meinung. 15 Jahre alt ist der Klub, vielleicht steckt er gerade in der Pubertät und macht deswegen diese schwierige Phase durch. "Die Frage wird sein, wie wir künftig auftreten. Wenn wir es schaffen in der neuen Saison, egal in welcher Liga, einen vernünftigen Auftritt hinzubekommen, dann kann man über diese Saison hinwegschauen", sagt Jackwerth. Andererseits: "Sollten wir das nicht hinkriegen, dann kriegt das natürlich schon einen Touch vom Chaos-Klub."

In der dritten Liga müsste Ingolstadt sparen

Davon wird vermutlich auch abhängen, wie lange der Gründervater beim FCI bleibt. Den Macher Jackwerth kann man sich in einem Chaos-Klub langfristig kaum vorstellen. Und obwohl man es ihm nicht recht ansieht, ist auch Jackwerth über die Jahre älter geworden, nach einer nächsten Amtsperiode wäre er 66 Jahre alt, da erreiche auch er physische Grenzen: "Irgendwann muss ein Umbruch kommen. Und das beziehe ich auch auf mich."

Vor ein paar Jahren hatten Traditionalisten in Fußball-Deutschland noch Angst, dass dieser Jackwerth und der ansässige Automobil-Großsponsor aus dem FC Ingolstadt einen zweiten VfL Wolfsburg machen könnten, doch ein Werksklub war der FCI nie - und Überlegungen, mehr Geld in den Verein zu pumpen, gebe es auch jetzt nicht. In der dritten Liga wäre also Sparen bei einem der teuersten Zweitliga-Teams angesagt, wenn allein aus der TV-Vermarktung 16 Millionen Euro wegbrechen würden.

Für das wichtige Spiel am Samstag spendieren der Verein und zwei Sponsoren den Fans die Auswärtsfahrt nach Duisburg samt Tickets und Brotzeit. "Das Schöne ist jetzt, dass wir diese Drucksituation wie gegen Sandhausen nicht mehr haben", sagt der Vorstandsboss. "Daher erwarte ich mir einen bedingungslosen Fight. Die Mannschaft hat bisher noch nicht das geleistet, was sie kann." Es ist ein Problem, das sich durch die ganze Saison zieht. Jackwerth hat jetzt seinen letzten Joker gezogen, ändern können die Situation nur noch die Feuerwehrtruppe und ihre Spieler.

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SZ vom 06.04.2019
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