Der Rasen im Ingolstädter Stadion sah vor einer Woche stark danach aus, als ob er dringend eine Winterpause nötig hätte, zumal das letzte Drittliga-Spiel des Kalenderjahres so umkämpft war, dass noch einige tiefe Löcher hinzukamen. Die Mannschaft des FC Ingolstadt allerdings wirkte eher so, als ob sie jetzt gerne den Winter hindurch weiterspielen wollte; beim 1:1 gegen Cottbus zeigten sich die Schanzer auf Augenhöhe, sie brachten die Lausitzer mit dem Remis um die Herbstmeisterschaft. Vor allem überwintern sie jetzt auf Rang fünf, in einer ausgezeichneten Lauerstellung, weil sie in den vergangenen zwölf Spielen nur einmal verloren haben, 0:1 in Bielefeld. „Ingolstadt hat seinen Rhythmus gefunden“, befand dann auch Cottbus-Trainer Claus-Dieter Wollitz.
Es scheint, als sollte da ein gewagtes Experiment aufgehen. Trainerin Sabrina Wittmann hatte in der Hinrunde mit denselben Problemen zu kämpfen, wie ihre Vorgänger: Mit einer langen Verletztenliste, die bei den Schanzern fast schon Tradition hat. Der Unterschied ist, dass Wittmanns Vorgänger der vergangenen Jahre allesamt über deutlich mehr Erfahrung verfügten, um branchenübliche Probleme zu meistern. Doch erst die 33-Jährige, die bis jetzt noch ohne die eigentlich nötige Trainerlizenz arbeitet, hat es geschafft, trotz Personalnot konstante Leistungen zu liefern. „Ich glaube sehr an den Prozess, den Mannschaften gehen“, sagt sie etwas kryptisch. Sie meint damit vor allem, dass es einfach seine Zeit braucht, bis sich eine Spielidentität entwickelt, der Saisonstart war zunächst auch noch recht holprig gewesen.
Gerade die defensive Stabilität ist auffällig, zumal nicht weniger als fünf Außenverteidiger zum Ende der Hinrunde verletzt waren, dazu noch die Routiniers Maximilian Dittgen und Pascal Testroet, Letzterer bekam erst gegen Cottbus einen Kurzeinsatz. Das alles hatte aber auch den Vorteil, dass sich Wittmann vor allem auf das verlassen konnte und musste, was sie im Verein am besten kennt: die Jugend. Der Kader dürfte für Drittliga-Verhältnisse immer noch recht kostenintensiv sein, aber mit Wittmann entdecken sie in der Autostadt, in der es dem Autobauer auch nicht mehr so gut geht wie einst, die Möglichkeit, hauseigene Talente erfolgreich zu integrieren. Was meist nicht nur das Budget entlastet, sondern sich obendrein identitätsstiftend auswirkt. Nicht ganz ohne Stolz verwies Wittmann nach dem Cottbus-Spiel darauf, dass in Elias Decker eine Halbzeit lang ein 18-jähriger Innenverteidiger auf einer Außenverteidiger-Position spielte und die Sache auch noch recht gut ausging.
Ein paar Stunden vor dem Spiel hatten die Schanzer dann passenderweise auch noch bekannt gegeben, dass nach Felix Keidel, Maurice Dehler, Deniz Zeitler und Ognjen Drakulic jetzt auch noch Max Plath mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet wurde. Viele dieser jungen Spieler hatte Wittmann selbst als langjährige Jugendtrainerin begleitet. Übrigens könnte es beim torgefährlichen Zeitler, gerade erst 18 geworden, sogar passieren, dass er äußerst gewinnbringend verkauft wird.
„Dass wir eine hervorragende Trainerin verpflichtet haben, wussten wir schon vorher“, sagt Sportdirektor Ivica Grlic
Zugleich hat Wittmann selbst, die erste Trainerin im Profifußball der Männer, erfolgreich die nächsten Entwicklungsschritte genommen und der Mannschaft einen zuverlässigen Spielstil eingetrichtert. „Dass wir eine hervorragende Trainerin verpflichtet haben, wussten wir schon vorher“, sagt Sportdirektor Ivica Grlic. Deshalb hatten sie im Sommer auch entschieden, das nötige Bußgeld zu zahlen, bevor Wittmann im Januar mit dem Lehrgang zur Pro-Lizenz beginnt. Dass Wittmann in den nächsten Kurs aufgenommen ist, machte der Verein noch nicht publik, gilt aber als sicher. Nichts sagen möchten sie beim FCI übrigens auch zu der Frage, wie viel Bußgeld nun eigentlich angefallen ist – beim Liga-Konkurrenten Unterhaching war für Marc Unterberger wohl ein hoher fünfstelliger Betrag zusammengekommen.
Schon am kommenden Donnerstag beginnt wieder das Training. In der Rückrunde, die Ingolstadt ebenfalls schon traditionell verbockt, wird Wittmann wegen des Lehrgangs ab und zu fehlen. Die Frage ist, ob die Mannschaft trotzdem ihren Erfolgs-Rhythmus beibehalten wird, wenn Wittmann ihren Trainings-Rhythmus verliert.

