FC Ingolstadt vor dem Aufstieg:Kleinwagen unter den Konzernklubs

FC Ingolstadt 04

So wünschen sich die Ingolstädter das für den Sonntag: Feiern vor der Kurve - am besten den Aufstieg in die erste Bundesliga.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • An diesem Sonntag spielt der FC Ingolstadt beim VfL Bochum, ein Punkt reicht dem Tabellenführer, um in die Bundesliga aufzusteigen.
  • Von Traditionalisten wird der junge Klub argwöhnisch beäugt - dabei verfügt Ingolstadt über einen durchschnittlichen Etat.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen und der Tabelle der 2. Bundesliga.

Von Maik Rosner, Ingolstadt

Ziemlich genau vor zwei Jahren konnte der FC Ingolstadt schon mal übungsweise erleben, was alles passiert, wenn ein Bundesligaaufstieg gefeiert wird. Braunschweig war damals zu Gast, und nach dem 1:0-Sieg der Eintracht mussten die Ingolstädter fürchten, dass es um ihren erst 2010 eröffneten Sportpark schon geschehen sein könnte. Die Braunschweiger tobten durch sämtliche Bereiche des Stadions und enterten nicht nur jenes Podium, auf dem ihr Trainer Torsten Lieberknecht gerade versuchte, seine Glücksgefühle und die des gesamten Traditionsvereins in Worte zu fassen.

An diesem Sonntag könnten sich ähnliche Szenen abspielen. Mit dem Unterschied, dass sich nun die Ingolstädter spontan in eine feierfreudige Reisegruppe verwandeln würden. Holen sie am Sonntag beim VfL Bochum einen Punkt, dann ist amtlich, was Traditionalisten schon lange fürchten und Trainer Ralph Hasenhüttl "ein Stück Fußballgeschichte" nennt. Der FC Ingolstadt, erst 2004 durch die Fusion der beiden verschuldeten Vorgängervereine MTV und ESV Ingolstadt entstanden, wäre in der Bundesliga angekommen.

Ingolstadts Kader ist kaum teurer als der von Fürth und St. Pauli

"Die Ingolstädter werden so heiß sein, die können sich mit der nackten Hand die Hose bügeln", hat der langjährige Berufs-Bochumer Peter Neururer zuletzt schon auf seine Weise prophezeit. Es ist eine ironische Fußnote dieser rasanten und für die Ingolstädter selbst überraschenden Erfolgsgeschichte, dass sie den Aufstieg in einer der traditionsreichsten deutschen Fußballstätten feiern könnten. Erstmals bespielt wurde das Areal an der Castroper Straße bereits 1911.

Nun könnte genau hier, so sehen es jedenfalls die weniger Wohlmeinenden, ein Retortenklub damit beginnen, seinen bisher größten Erfolg zu zelebrieren, ehe die Feierlichkeiten am Abend in Ingolstadt fortgesetzt werden würden.

Doch dieser zugespitzte Gegenschnitt aus alten und neuen Fußballwelten taugt nicht wirklich dazu, die Wirklichkeit des FC Ingolstadt abzubilden. Erreicht hat der junge Klub die Schwelle zur ersten Liga nicht mit einem finanziell aufgepumpten und strategisch platzierten Kunstprodukt, sondern mit einem durchschnittlichen Etat - und dem breiten Publikum meist kaum bekannten Kickern.

In der Tabelle der aktuellen Kadermarktwerte der zweiten Liga steht Ingolstadt mit gut 19 Millionen Euro nur auf Platz fünf, knapp vor den Abstiegskandidaten St. Pauli und Fürth (je um die 18 Millionen Euro), aber deutlich hinter dem mit Abstand hochwertigsten Kader von RB Leipzig (30 Millionen Euro). Wenn man so will, ist der FCI trotz der engen Anbindung an den ortsansässigen Autohersteller Audi allenfalls der Kleinwagen unter den Konzernklubs.

Daran würde auch der Aufstieg nichts ändern. Ingolstadt würde in der kommenden Saison im Oberhaus voraussichtlich gegen den Abstieg spielen, genauso wie beispielsweise Braunschweig in der Saison 2013/14 oder in der aktuellen Spielzeit Paderborn. Die Ingolstädter haben jedenfalls nicht vor, nun einen Strategiewechsel zu vollziehen. Auf Nachhaltigkeit haben sie ihr Projekt ausgerichtet, auf eine gute Infrastruktur, in der junge Spieler weiterentwickelt werden, auf regionale Verwurzelung.

Traditionalisten haben Vorbehalte

Dass Audi nun das ganz große Geld locker macht, damit der FCI mit spektakulären Transfers eine Mannschaft zusammenstellen kann, die die obere Tabellenhälfte oder gar die internationalen Plätze aufmischt, ist nicht zu erwarten. Hasenhüttl hat ohnehin frühzeitig klargestellt, dass er auch eine Etage höher weitgehend mit seinem aktuellen Kader plant. "Ich bin der Meinung: Wenn eine Mannschaft einen Aufstieg schafft, dann hat sie es auch verdient, dort zu spielen", sagte er. Und Sportdirektor Thomas Linke versprach jüngst: "Wir werden keine verrückten Sachen machen, sondern unserem Weg treu bleiben."

Das jüngste Transfergerücht kommt beinahe wie ein Beleg daher. Und es legt zugleich nahe, wie sie das Unternehmen Bundesliga beim FCI angehen werden. Demnach soll sich Ingolstadt um Angreifer Stefan Kutschke bemühen. Der 26-Jährige ist Ergänzungsspieler beim SC Paderborn. Orientieren wollen sich die Ingolstädter an Freiburg, Mainz und Augsburg.

"Vor uns muss keiner Angst haben"

Dass die Traditionalisten Vorbehalte gegen den jungen Verein haben, können sie beim FCI in gewisser Weise sogar nachvollziehen. Sie finden allerdings auch, dass es ihnen nicht gerecht wird, sie mit Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim oder gar RB Leipzig gleichzusetzen. "Natürlich verbinden die Menschen Fußball mit Tradition", sagte Linke gerade dem "kicker".

Er wünscht sich jedoch zugleich Respekt vor dem alles andere als großspurigen Ingolstädter Weg: "Wir haben eine Vision, aber vor uns muss keiner Angst haben", sagte er. Das darf man wohl schon alleine deshalb für durchaus glaubhaft halten, weil Audi als Anteilseigner und Großsponsor des FC Bayern auf absehbare Zeit andere Prioritäten setzen dürfte.

Auf ein nachhaltiges Wachstum, das ist allerdings auch richtig, wurde der FC Ingolstadt schon bei seiner Gründung vor elf Jahren ausgerichtet. Das gilt auch für den vor fünf Jahren errichteten Sportpark. Derzeit fasst das Stadion gut 15.000 Zuschauer. Relativ kurzfristig könnte es auf 22.000 Plätze erweitert werden, entsprechende Überlegungen gibt es bereits.

Und für einen zweiten, etwas aufwendigeren Ausbau, ließe die Konstruktion auch bis zu 30.000 Plätze zu. Das wäre dann die Größenordnung der Arenen von Wolfsburg, Leverkusen und Hoffenheim. In Ingolstadt sehen sie es aber eher so: Es wäre die Größenordnung des Augsburger Stadions.

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