Süddeutsche Zeitung

FC Ingolstadt:Ruhe am Herd

Der FCI führt die dritte Liga an. Es ist ein Zeichen dafür, dass sich der Klub nach der großen Enttäuschung doch noch erneuern konnte.

Von Johannes Kirchmeier

Es waren nur ein paar Worte, die da plötzlich auf seinem Handy aufploppten, als er im Urlaub eine Nachricht von seinem Mitspieler Björn Paulsen empfing. So in etwa stand da vor mehr als zwei Monaten auf dem Display: "Und? Wie sieht's aus? Packen wir es nochmal an?" Der FC Ingolstadt 04 war gerade in die dritte Liga abgestiegen, der Däne Paulsen entschied sich trotzdem schnell, Teil der Mannschaft zu bleiben. Diese frühe Entscheidung überraschte den Empfänger Marcel Gaus, schließlich grübelte er noch über einen Verbleib, erbat sich Bedenkzeit vom FCI nach elf Spielzeiten als Zweitliga-Kicker. Der Abstieg nagte an ihm. "Ich habe zuvor klar gesagt: Ich will nichts von Michael Henke oder einem der Verantwortlichen hören. Ich will meinen Urlaub genießen", sagt er mit einem Lachen. Gehört hat er dann trotzdem etwas, nicht nur von Paulsen, sondern auch von Kapitän Stefan Kutschke und Henke, dem Direktor Sport. "Das macht dann doch schon etwas mit einem."

Der 30-Jährige Gaus, der zuvor keinen Vertrag für die dritte Liga gehabt hatte, unterschrieb kurz nach dem Trainingsstart einen neuen Kontrakt bis 2021. Sein neuer Trainer Jeff Saibene ernannte ihn zu Kutschkes Stellvertreter, an diesem Freitag eröffnet der FCI als Tabellenführer gegen Hansa Rostock (19 Uhr) den sechsten Spieltag - trotz des Umbruchs um die alten und neuen Führungsfiguren Paulsen, Kutschke und Gaus herum. Die sahen sich an den ersten Trainingstagen zwei neuen Gruppen gegenüber: denen, die wie Thomas Keller aus der U21 dazukamen, und den Zugängen wie Caniggia Elva oder Peter Kurzweg: "Das war bei uns ganz schnell eine perfekte Symbiose", sagt Gaus.

Er selbst, seit zwei Jahren Ingolstädter, kann das schon beurteilen nach elf Jahren Profitum. Der starke Start in der Liga mit vier Siegen und ohne Niederlage überrascht ja tatsächlich, wenn man die Anlaufschwierigkeiten der vergangenen Zweitliga-Jahre betrachtet. Nun hat sich das Team viel flinker angepasst und darf so auf eine Rückkehr in die zweite Liga hoffen, was auch mit dem Trainer Saibene zu tun hat, der der Mannschaft schnell Sicherheit gab: "Ein guter Start heißt meistens, dass es eine gute Saison wird", sagte Saibene am Donnerstag. "Auf den Punkten, die man jetzt schon hat, kann man aufbauen."

Die jungen Spieler und die Zugänge haben den Kern schnell ergänzt. Es war ja durchaus die Frage, ob sich der Klub nach der großen Enttäuschung und den zahlreichen Weggängen im Sommer erneuern kann. Fünf der elf Tore schossen nun die hinzugekommenen Maximilian Beister, Fatih Kaya (je zwei) und Elva für das in der Vorsaison angriffsschwache Team: "Letztes Jahr war es eher so nach dem Motto: Viele Köche verderben den Brei", findet Gaus, der nicht der einzige ist, bei dem ganz offensichtlich mit mehr Ruhe am Herd der Hunger auf die Erfolge wieder stieg. "Wir hatten so viele potenzielle Stammspieler. Und die, die spielen wollen, alle bei Laune zu halten, ist dann schwer." Henke setzte nun auf einen kleinen Kader, der jungen Spielern mehr Möglichkeiten bietet, mitzuspielen. Der aber im Laufe einer 38-Spiele-Saison zu Engpässen führen kann, dessen sind sie sich auch bewusst beim Klub.

Wie sein Vorgänger Tomas Oral baut Saibene auf eine solide Defensive, was Gaus, der entweder Linksverteidiger oder Sechser spielt, entgegenkommt. Nach dem 3:0 am vergangenen Samstag beim KFC Uerdingen war Saibene trotzdem sauer: "Das einzige, was stimmt, ist das Resultat", sein Team habe "keine drei Pässe hintereinander spielen können", sagte er bei Magenta Sport. "Die Spiele hätten alle auch in die andere Richtung kippen können", findet auch Gaus. "Das sollte uns jetzt Warnung genug sein, dass wir auf dem Boden bleiben."

Ein Geheimnis, wieso ihnen der Auftakt in die neue Liga so reibungslos gelang, weiß er nicht. Aber es dürfte schon damit zusammenhängen, dass es beim FC Ingolstadt wieder deutlich ruhiger zugeht als in der chaotischen Abstiegssaison, in der man sich anfangs Aufstiegschancen in die Bundesliga ausrechnete und dann selbst nach vier Cheftrainern den Ligaverbleib nicht schaffte. Das mit der Ruhe gilt bei Gaus auch im Privaten, er zog im Sommer mit seiner Familie um. "An den Abstieg habe ich, seitdem ich wieder hier bin, nicht mehr gedacht. Das Thema war erledigt." Er hat es stattdessen ganz im Sinne Paulsens nochmal angepackt - wenn auch mit Verzögerung.

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SZ vom 23.08.2019
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