Süddeutsche Zeitung

FC Ingolstadt:Keine Chance, genutzt

Fünf Spiele, 13 Punkte: Die erstaunliche Serie des FCI unter Trainer Tomas Oral setzt sich mit dem 3:0 beim Hamburger SV fort.

Von Jörg Marwedel

Mergim Mavraj, der frühere HSV-Profi, hat nach dem 3:0-Triumph des FC Ingolstadt im Hamburger Volksparkstadion praktisch zwei Pressekonferenzen abgehalten. Einmal für die alten hanseatischen Weggefährten, denen er sagte, er habe auch ein "weinendes Auge" bezüglich der Probleme seines alten, "sehr leidgeprüften" Arbeitgebers HSV. Dann für die zwei mitgereisten Ingolstädter Journalisten, denen er etwas von einem "Prestigesieg" erzählte und einem "schweren Erbe", das in der Hinrunde eröffnet wurde, als der FCI ganze zehn Punkte mit nur einem einzigen Sieg holte. Nun haben die lange als erster Abstiegskandidat gehandelten Oberbayern den Tabellen-16. 1. FC Magdeburg überholt. Das ist eine kleine Sensation für einen Klub, der mit Tomas Oral schon den fünften Trainer in dieser Saison beschäftigt.

Doch Oral, der schon einmal 2011 bis 2013 in Ingolstädter Diensten stand, bis dann nach kurzem Zwischenspiel von Marco Kurz Ralph Hasenhüttl den Klub vorübergehend in die Bundesliga führte, hat offenbar die richtigen Knöpfe bedient. Seit er da ist, hat der FCI in fünf Spielen 12:4 Tore und 13 Punkte gesammelt. "Als ich gekommen bin, haben wir ganz klar gesagt, dass wir eigentlich keine Chance haben", sagte der Trainer, "dass wir so eine Serie spielen, ist nicht üblich. Da gehört auch Glück dazu." Aber wer Oral nach dem Spiel weiter lauschte, der hat vor allem vom neu entfachten Teamgeist gehört. Alle Mann, auch die Verletzten und nicht im Kader befindlichen Spieler, seien neben 500 Fans im Volksparkstadion dabei gewesen, erwähnte er: "Die Mannschaft hat begriffen, was die Stunde geschlagen hat."

Wer die Ingolstädter nun noch aufhalten solle auf dem Weg zum Klassenverbleib, wurde Oral noch gefragt. "Genau solche Fragen", erwiderte er. Ob man der Relegation noch aus dem Weg gehen kann, hängt natürlich vom Tabellenfünfzehnten SV Sandhausen ab, der fünf Zähler mehr aufweist, während sich Erzgebirge Aue mit einem 3:1-Sieg in Regensburg in Sicherheit brachte.

Ingolstadt empfängt am nächsten Sonntag Darmstadt 98, während die Sandhäuser daheim gegen Bielefeld spielen. Am letzten Spieltag muss der FCI nach Heidenheim reisen, Sandhausen gastiert dann in Regensburg. Die wahrscheinlichste Variante für Ingolstadt sind wohl Relegationsspiele gegen den Drittliga-Dritten, der vermutlich SV Wehen Wiesbaden heißt.

Aber wie war es gelungen, den angeschlagenen Hamburgern "das Spiel aus der Hand zu nehmen", wie Oral hinterher feststellte? Einerseits dadurch, dass man um seinen Strafraum ein Abwehrbollwerk baute, das die nicht sehr kreativen HSV-Profis kaum knacken konnten. Das hatten auch schon Darmstadt, Magdeburg und Aue zuletzt erfolgreich praktiziert. Andererseits durch eine Mischung aus HSV-Fehlern und sehr guten Konterspielern, die sogar den gelbgesperrten Spielmacher Sonny Kittel fast vergessen machten.

Etwa Dario Lezcano, der es schon in der achten Minute ausnutzte, dass Hamburgs Leo Lacroix über den Ball schlug und das Spielgerät dann unhaltbar für Julian Pollersbeck in den Winkel schoss - ein Traumtor. "Man muss lange suchen, bevor man in der zweiten Liga einen solchen Stürmer findet", lobte Oral den in dieser Spielzeit bis zu Orals Ankunft noch enttäuschenden Paraguayer in höchsten Tönen.

Auch Thomas Pledl, der Kittel vertrat, spielte so, als wolle er in der nächsten Saison bei seinem neuen Klub Fortuna Düsseldorf direkt einen Stammplatz erkämpfen. Er war in der 68. Minute einfach zu schnell für die weit aufgerückte HSV-Abwehr und ließ sich bei seinem Spurt aus dem Mittelkreis nicht mehr einholen, bevor er den Ball zum 0:2 ins Netz beförderte. Und auch Marcel Gaus nutzte einen Fehler cool aus, nachdem er eine missratene Kopfballabwehr von Lacroix zum 3:0 ins Tor schoss. Oral warnte dennoch vor Euphorie. "Wir haben noch einen richtig brutalen Weg vor uns", warnte der Coach, der schon einmal als Assistent von Felix Magath mit dem FC Fulham aus der Premier League abstieg. Fußball in der zweiten Liga sei eben "knallhart".

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Quelle:
SZ vom 06.05.2019
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