FC Ingolstadt:Erinnerungen an Schalke

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Angespannt auf der Bank: Ingolstadts Trainer Tomas Oral (hinten) darf sich auch noch berechtigte Hoffnungen auf den Aufstieg machen. (Foto: via www.imago-images.de/MIS/Imago)

Der FCI setzt für die zwei Spiele gegen den 1. FC Nürnberg darauf, relegationserprobt zu sein.

Von Johannes Kirchmeier

Stefan Kutschke hatte am Samstag genug gesehen im Grünwalder Stadion, er drehte sich weg auf der Haupttribüne, stützte sich auf einem Wellenbrecher ab und tippte auf seinem Smartphone herum. Kurz zuvor hatte er sich mit seinen Kollegen auf einem anderen Handybildschirm noch das Parallelspiel der Würzburger Kickers gegen den Halleschen FC angeschaut, doch da passierte etwas, das ihn unzufrieden dreinblicken ließ. Der Grund dafür verbreitete sich schnell: Würzburg hatte einen Elfmeter bekommen - und diesen schließlich auch zum 2:2 verwandelt.

Damit reichte dem FC Ingolstadt 04 das 2:0 (0:0) beim TSV 1860 München am letzten Drittliga-Spieltag nicht mehr zum Aufstieg in die zweite Fußball-Bundesliga. Zwei Minuten wähnten sich die Ingolstädter nach dem Abpfiff im Glück, dann purzelten sie auf den Relegationsrang zurück. In den anfänglichen Jubel mischte sich so etwas Frust bei den Oberbayern, recht viel dramatischer konnte dieser Samstagnachmittag nicht enden. In Giesing wurden Erinnerungen an die Meisterschafts-Entscheidung 2001 wach, als der FC Bayern München dem FC Schalke 04 die Schale mit einem Remis in Hamburg in der Nachspielzeit noch entriss. Fußballspiele dauern eben manchmal länger als 90 Minuten.

So geht die Saison der Ingolstädter in die Verlängerung: Am Dienstag und Samstag (je 18.15 Uhr) trifft die Mannschaft von Trainer Tomas Oral auf den 1. FC Nürnberg. "Es ist natürlich klar, dass wir uns ärgern", sagte Oral. "Wir hätten es absolut verdient gehabt, direkt hochzugehen, aber der liebe Gott will, dass wir noch mal nachsitzen." Und der liebe Gott hatte sich dafür einen ganz feinen Plan ausgedacht. Denn beim Thema Relegation kommen Erinnerungen hoch für den FCI: Vor einem Jahr stieg der Klub mit Oral nach der Relegation aus der zweiten Liga ab, nach einem 2:1 und 2:3 gegen den SV Wehen Wiesbaden und der geringeren Anzahl an Auswärtstoren. Der Trainer beendete seine Aufgabe am nächsten Tag, Jeff Saibene folgte ihm nach. Als der im März freigestellt wurde, kam Oral zurück, um den Abstieg wieder vergessen zu machen. Jetzt sagt er: "Wir sind Relegations-erprobt als Verein, und diesen Vorteil wollen wir nutzen."

"Wir haben alles getan, dass wir körperlich und mental in einer super Verfassung sind", sagt Oral

Oral führte den Klub schon zuletzt durch ein Mammutprogramm. Seine erste Partie durfte er ja virusbedingt erst Ende Mai anleiten, danach absolvierten die Drittliga-Klubs elf Spiele in fünfeinhalb Wochen, die Bonusmatches gegen den Club haben sich die Ingolstädter hart erarbeitet. "Wir haben in den letzten vier, fünf Monaten alles getan, dass wir körperlich und mental in einer super Verfassung sind", sagt Oral. Tatsächlich hielten sich trotz der Belastung die Verletzungen beim stärksten Auswärtsteam der Liga in Grenzen: Frederic Ananou musste einmal mit muskulären Problemen pausieren. In München ging Kapitän und Angreifer Kutschke, mit 13 Saisontreffern zweitbester FCI-Torjäger, nach einer halben Stunde vom Feld - auch er hatte muskuläre Probleme am linken Oberschenkel. Die Ingolstädter rechnen damit, dass er beim Spiel in Nürnberg wieder dabei sein wird. Aber keine Frage, ausgeruhter dürfte der FCN sein, der vor einer Woche sein letztes Ligaspiel absolvierte und jüngst ein Kurz-Trainingslager unweit von Ingolstadt, im niederbayerischen Kurort Bad Gögging, einlegte.

In der Samstagsform kann der FCI aber auch den favorisierten Nürnbergern wehtun. Da bestimmte er die Partie: Rechtsaußen Maximilian Beister traf nach 24 Minuten die Latte - und später sehenswert zur Führung. Aus 25 Metern schlenzte er den Ball mit seinem starken linken Fuß in den linken Torwinkel (50.). Beister, den Oral zwischendurch aus dem Kader gestrichen hatte, erweist sich im Schlussakt als wichtigste Waffe, die gefährliche Szenen kreiert. Relegations-erprobt ist auch der ehemalige U21-Nationalspieler, der aufgrund seiner Serie zum Glücksbringer werden könnte: 2012 traf er im Rückspiel der Bundesliga-Relegation für den späteren Aufsteiger Fortuna Düsseldorf gegen Hertha BSC. Drei Jahre darauf hielt er mit dem Hamburger SV in den Entscheidungsspielen die Klasse gegen Karlsruhe. Und 2018 setzte er sich mit dem KFC Uerdingen nach seinem Hinspiel-Siegtor in der Aufstiegsrunde zur dritten Liga gegen Waldhof Mannheim durch. Am Samstag folgten auf sein wichtiges Tor zwei ebenso wichtige Paraden des Torhüters Marco Knaller, der den Ausgleich und ein Abrutschen in der Tabelle verhindert. Der 14-Tore-Mann Dennis Eckert Ayensa entschied die Partie dann nach einem klasse Solo von Maximilian Thalhammer mit dem 2:0 (82.).

Nach der Entscheidung meldet sich FCN-Sportvorstand Palikuca - siegesgewiss und nassforsch

Auf die erwähnten Spieler wird es auch gegen den Club ankommen. Einmal trafen sich beide Vereine in dieser Saison bereits: 1:0 setzte sich der FCN in der ersten DFB-Pokalrunde durch. Dessen Interimstrainer Michael Wiesinger, seit einer Woche im Amt, coachte vor zehn Jahren auch einmal Ingolstadt. "Sie haben wesentlich mehr zu verlieren als wir", sagt Oral. Den Nürnbergern droht schließlich der zweite Abstieg in Serie. Trotzdem sagte deren Sportvorstand Robert Palikuca unmittelbar nach der Entscheidung am Samstag so siegesgewiss wie nassforsch: "Sie haben sicher eine gute Mannschaft, aber an unserer Zielsetzung hat sich nichts geändert. Ingolstadt will unseren Platz in der zweiten Liga. Das werden wir zu verhindern wissen."

© SZ vom 06.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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