Süddeutsche Zeitung

FC Ingolstadt:Endlich im Abstiegskampf

Auf Platz 17 in die Winterpause: Was für viele Bundesliga-Klubs nach einer schlimmen Diagnose klingt, ist für den FC Ingolstadt eine seriöse Heilungschance.

Von Max Ferstl

An dieser einen Frage kommt am späten Mittwochabend kein Ingolstädter vorbei: an der Frage nach den "psychologischen Auswirkungen". Der FC Ingolstadt hat kurz zuvor sein letztes Spiel vor der Winterpause 1:2 gegen Freiburg verloren. In der Tabelle wird der FCI deshalb auf Platz 17 geführt, einem Abstiegsplatz. Er wird dort überwintern, was besonders unangenehm ist. In den kommenden vier Wochen wird jeder Blick auf die Tabelle daran erinnern, was bisher schiefgelaufen ist. In Ingolstadt haben sie sich deshalb dieses Jahr frühzeitig eine effektive Taktik zu Recht gelegt. "Wir schauen seit dem dritten Spieltag nicht mehr auf die Tabelle", sagt Marvin Matip nach dem 16. Spieltag. Er rechnet also nicht mit psychologischen Langzeitschäden.

Der bisherige Saisonverlauf hat die Ingolstädter weitgehend abgehärtet. Diejenigen, die trotz Vermeidungsstrategie gelegentlich die Tabelle angesehen haben, erblickten dort nach zehn Spieltagen bei Ingolstadt nur zwei Punkte. "Wir sind immer hinterhergelaufen und sind nie belohnt worden", sagt Matip. Das habe wirklich "Körner" gekostet, auch im Kopf. Aber mittlerweile steht der Klub anders da.

Seit Maik Walpurgis den glücklosen Markus Kauczinski auf der Trainerposition abgelöst hat, punkten die Ingolstädter regelmäßig. Mit einfachem, leidenschaftlichem Fußball hat der FCI zuletzt sogar die Teams aus Leipzig und Leverkusen bezwungen. Walpurgis hat aus sechs Spielen zehn Punkte geholt und einem Verein, der bereits tot schien, neues Leben eingehaucht. "Wir sind mittendrin im Abstiegskampf", sagt Pascal Groß.

Was für viele Klubs nach einer schlimmen Diagnose klingt, ist für Ingolstadt eine seriöse Heilungschance. "Ich bin total, total zuversichtlich für das neue Jahr", betont Walpurgis. Die Niederlage gegen Freiburg soll den wiedergewonnenen Glauben auf keinen Fall bröckeln lassen. Tatsächlich ist es so, dass Spieler und Trainer bei allem Ärger gelassener mit der Niederlage und dem Überwintern auf Patz 17 umgehen als mancher Reporter. Zum Beispiel möchte einer von Matip wissen, wie denn der Klassenerhalt noch zu schaffen sei (der Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt einen Zähler). "Schau dir die letzten Spiele an", entgegnet Matip, "wir sind auf Augenhöhe mit den Gegnern." Auch die Partie gegen Freiburg sei ja nicht so schlecht gewesen, sondern nur die erste Halbzeit.

Da trat Ingolstadt nicht so beherzt auf wie zuletzt gegen Leipzig oder Leverkusen. Matip glaubt, diese beiden Siege hätten die Mannschaft etwas blockiert: "Wir waren noch euphorisiert von den letzten Spielen und wollten trotzdem nicht gegen den nicht ganz großen Namen in eine Falle tappen. Das hat uns irgendwie zu einer Passivität verleitet, wir haben die Zweikämpfe zu spät geführt und die entscheidenden verloren."

Vor dem 0:1 kam Roger nicht rechtzeitig vor Freiburgs Florian Niederlechner an den Ball, der Vincenzo Grifo im Strafraum bediente und Marcel Tisserand sich nur mit einem Foul behelfen konnte (34. Minute). Vor dem 0:2 sahen Roger und Matip zu, wie Janik Haberer hochsprang und auf Niederlechner durchsteckte (41. Min.).

Der Brasilianer Roger, der vor kurzem zum Chef in Ingolstadts neuer Dreierkette befördert wurde, galt nach einigen starken Auftritten als Sinnbild für den Ingolstädter Aufschwung. Am Mittwoch hingegen stand Roger stellvertretend für Ingolstädter Passivität. Als Roger zur Halbzeit ausgewechselt wurde und Walpurgis von einer Dreier- auf eine Viererkette umstellte, kam Ingolstadt plötzlich ins Spiel. Es gelang ihnen zunehmend, sich die aggressiven Freiburger vom Leib zu halten und selbst Druck zu erzeugen.

"Wir haben über das Pressing von Freiburg drüber gespielt", fand Markus Suttner, der den FCI mit einem Freistoßtreffer wieder heranbrachte (53. Min.). Doch zum Punktgewinn reichte es gegen fleißig verteidigende Freiburger nicht, weshalb die Ingolstädter auf Platz 17 überwintern und sich Fragen über die psychologischen Folgen stellen müssen.

Eine gute Antwort könnte Freiburgs Trainer Christian Streich geben. Dieser sammelte mit dem SC vor drei Jahren in der Hinrunde kaum Punkte, überwinterte auf dem Relegationsplatz, und hielt am Ende mit großem Vorsprung die Klasse. Streich sagt deshalb am Ende: "Wenn du die Mentalität hast - und Ingolstadt hat sie -, dann ist alles möglich."

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Quelle:
SZ vom 23.12.2016
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