FC Ingolstadt:Das System fährt hoch

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Grund zum Brüllen: Pascal Groß nach seinem Treffer zum 1:0. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Weite Bälle auf Lezcano: Der FCI beweist gegen den Hamburger SV seine Tauglichkeit für den Abstiegskampf.

Von Christoph Leischwitz

Eigentlich ist Bernardo de Oliveira, genannt Roger, für seine neue Arbeit völlig überqualifiziert. Der Defensivspieler des FC Ingolstadt hat bereits in der vergangenen Bundesliga-Saison mehrfach unter Beweis gestellt, dass er in Sachen Zweikampfverhalten, Stellungsspiel und Übersicht erstligareif agieren kann. Doch unter dem neuen Trainer Maik Walpurgis ist er vom defensiven Mittelfeld in die Mitte der neu installierten Dreierkette gerückt, und von dort hat er im Spielaufbau eine einzige große Aufgabe: die Bälle aus der potenziellen Gefahrenzone so weit wie möglich nach vorne zu schlagen. Dort vorne steht dann Dario Lezcano, mit 1,71 Metern nicht gerade eine Empfehlung für diese Art von Spiel. Und doch drückt sich der 26-jährige Paraguayer immer wieder in den Gegner und macht die Bälle fest, wie Fußballer das gerne nennen.

Vorne bereitet der agile Dario Lezcano den Boden

Die schönen, entscheidenden Momente hatten am vergangenen Samstag im Bundesligaspiel gegen den Hamburger SV dann zwar andere - Pascal Groß mit einem perfekten, verdeckten Schuss ins entfernte Eck (14.), Markus Suttner mit einem abgefälschten Freistoß (22.), Almog Cohen mit einem Elfmeter, den Groß herausgeholt hatte (47.). "Aber Dario ist so unglaublich wichtig für unser Spiel", schwärmte Kapitän Marvin Matip nach dem Spiel, "er wird auch noch seine Tore machen." Bis es so weit ist genügt es ja, dass der agile Lezcano seine Gegner so demoralisiert und den Boden bereitet.

Der FC Ingolstadt darf sich wieder verstärkt Hoffnungen auf den Klassenverbleib machen, auch wenn nach dem souveränen 3:1-Erfolg gegen den Tabellennachbarn meist nur bescheiden von einer "Momentaufnahme" die Rede war. Doch der Plan des Trainers war aufgegangen. "Wir verstehen das System immer besser", sagt Matip. Das klingt so, als sei das System besonders kompliziert, dabei besticht es durch seine Einfachheit: Das Spiel wird mit simplen Methoden vom eigenen Tor weggehalten, so lange es geht, die weiten Bälle als Spielaufbau-Substitut sind nur ein Beispiel dafür. "Wir waren giftig, wir haben die entscheidenden Zweikämpfe gewonnen", analysierte Trainer Maik Walpurgis hernach. So hatte man nur wenige HSV-Chancen zugelassen, der 1:3-Anschlusstreffer fiel per Sonntagsschuss von Gotoku Sakai (63.).

In acht Spielen hat der 43-jährige Ostwestfale, der zuvor keine Erstliga-Erfahrung hatte, nun schon den vierten Sieg mit Ingolstadt geholt. Die Mannschaft ist "wieder im Geschäft" um den Klassenverbleib, wie Matip sagt, auch wenn in den kommenden Wochen schwere Aufgaben warten mit Gegnern wie Hertha BSC oder dem FC Bayern. Doch Spielern und Verantwortlichen war anzumerken, dass sie jene Zuversicht, die sie am Samstag dem HSV geraubt hatten, sich selbst einverleibt hatten: Die Mannschaft hat Abstiegskampf-Tauglichkeit bewiesen.

War das nun schon ein Befreiungsschlag nach der unglücklichen Niederlage eine Woche zuvor bei Schalke 04? "Quatsch, wir sind Drittletzter", sagt Ingolstadts Vorstandschef Peter Jackwerth, man werde bis zum letzten Spieltag gegen den Abstieg spielen müssen. Und nach aktuellem Stand auch mit dem selben Kader wie bisher. "Wir schauen uns um. Aber im Moment sieht der Markt nicht so aus, dass wir uns groß verstärken können", sagte Jackwerth. Zumindest ist der ausgewechselte Mathew Leckie nicht schwerer verletzt, eine Wadenprellung dürfte den Leistungsträger nicht lange davon abhalten, das neue System weiter mit Leben zu füllen.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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