Am Samstag durfte beim FC Ingolstadt erstmals Felix Keidel in der dritten Liga auflaufen. Keidel ist 19 Jahre alt, und der Stadionsprecher war ein bisschen stolz: Erstmals durfte er nämlich den Namen eines Spielers vorlesen, dessen Vater er auch schon mal angekündigt hatte - Ralf Keidel spielte bis 2011 für die Schanzer. Außerdem ist der junge Mittelfeldspieler nur minimal älter als der Verein selbst, die 04-er feierten am Sonntag ihren 19. Geburtstag. Dazu passt, dass der FC in diesen Tagen ein wenig auftritt wie ein spätadoleszenter Jugendlicher: sehr körperlich zwar, aber mit starken Stimmungsschwankungen. Und auch ein wenig wankelmütig bei der Frage, was man nun eigentlich will - sprich: welchen Fußball der FCI spielen soll.
Seit Ralph Hasenhüttl Ingolstadt vor knapp sieben Jahren verließ, waren nun 13 verschiedene Cheftrainer im Amt. Der Youngster Roberto Pätzold durfte im Sommer 2021 nur wenige Wochen bleiben, dann folgte der Champions-League-erfahrene André Schubert. Rüdiger Rehm durfte immerhin länger als ein Jahr in der Verantwortung zu bleiben. Der Neueste teilt mit dem Verein schon mal den Geburtstag, Guerino Capretti wurde am Sonntag 41.
Seine Verpflichtung bedeutete erneut eine Trendwende, sowohl vom Typ her als auch von der taktischen Ausrichtung. "Als ich hier angetreten bin, habe ich den Jungs klar gesagt: Wir haben für das 4-3-3-System den Kader", erklärte Capretti am Samstag nach dem Drittliga-Spiel gegen Borussia Dortmund II. Vor dem Spiel hatte er erwähnt, gleich ein paar Möglichkeiten gesehen zu haben, mehr Torchancen zu kreieren. Das gelang dann auch, verglichen mit den drei letzten Spielen unter Rehm, trotzdem endete die Partie 1:2 (0:2) aus Sicht der Oberbayern. "Man muss sagen, dass es ein glücklicher Sieg war", resümierte Dortmunds Trainer Christian Preußer, der ausgerechnet bei den ambitionierten Schanzern eine Serie von sechs Niederlagen beendete.
Capretti hat das Gefühl, "dass am Ende so ein bisschen die Kraft ausging"
Das lag zum einen daran, dass Dortmund kurz vor der Pause gleich zwei Standardsituationen auch mit etwas Glück in Tore ummünzte (40., 42.), und zum anderen daran, dass Ingolstadts Pascal Testroet zwar einen schwierigen Ball zum Anschlusstreffer versenkte (53.), einen denkbar einfachen aber aus wenigen Metern am Tor vorbei setzte (61.) - draußen an der Seitenlinie hatte Trainer Capretti schon mit geballter Faust gejubelt. "Diese Szene - die tut unglaublich weh", sagte der 32-jährige Testroet, "wir hätten hier 4:2, 5:2 gewonnen und wären wieder in eine Euphorie gekommen".
Der Routinier gab sich über die Maßen enttäuscht, weil doch so ein Trainerwechsel an niemandem spurlos vorbeigehe, das lasse auch einen Spieler nicht kalt. Er sagte sogar: "Wir sind ja daran schuld, dass der Trainer nicht mehr da ist, weil wir es nicht auf den Platz gekriegt haben." Und dann sei so eine vergebene Chance nach einem perfekt vorgetragenen Angriff natürlich besonders ärgerlich. Jedoch: In der Schlussphase kam von den Gastgebern auffällig wenig. "Mein Gefühl war auch", sagte Capretti, er müsse sich da erst noch die Werte seiner Spieler anschauen, "dass am Ende so ein bisschen die Kraft ausging." Es brauche sicherlich ein paar Spiele, damit "wir bis zur 90. Minute immer intensive Läufe machen".
Erst am Donnerstag war Capretti in Ingolstadt vorgestellt worden, ohne den Geschäftsführer Dietmar Beiersdorfer zwar, aber zusammen mit FCI-Sportdirektor Malte Metzelder auf dem Podium. Denn der 40-Jährige war es, der den ehemaligen Coach des SC Verl und von Dynamo Dresden nach Oberbayern holte - man kennt sich schon länger. Metzelder räumte ein, in den vergangenen Monaten und Jahren Fehler gemacht zu haben. Das Ergebnis: Ein permanent guter Kader sieht sich ständig mit neuen Ausrichtungen konfrontiert.
Am kommenden Sonntag empfangen die Schanzer den aktuell sehr erfolgreichen VfL Osnabrück, danach geht es zum Spitzenteam nach Saarbrücken. Capretti sagt, er wolle so schnell wie möglich seinen Spielstil etablieren. Die Frage ist freilich, wie viel Zeit Ingolstadt hat, um nicht auch jenen intensiven Lauf zu verpassen, der hinauf an die Tabellenspitze führen soll.
