Süddeutsche Zeitung

FC Ingolstadt:Auf der Suche nach Zusammenhalt

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Der FCI verliert den direkten Vergleich im Abstiegskampf gegen Sandhausen, auch in Sachen Mentalität.

Von Johannes Kirchmeier

Als sich der Jubel ausbreitete auf der Stehplatztribüne im Norden des Ingolstädter Sportparks am Sonntagnachmittag, da gaben die Anhänger endlich die Sicht frei auf das gesamte Transparent. Mehr als 90 Spielminuten lang stand da ja in Grau auf rotem Grund: "Einsam unten raus." Doch manche Fans erhoben sich jetzt in der Freude von ihrem Sitzplatz auf den Steintreppen, sie hüpften vor ihrem feiernden Torschützen Andrew Wooten hin und her - und so war die Blick frei auf: "Gemeinsam unten raus." In der Nachspielzeit des Spiels FC Ingolstadt gegen den SV Sandhausen entschied Wooten mit seinem Heber die Zweitliga-Partie - das Transparent der Sandhäuser traf spätestens jetzt nur auf sie selbst zu.

Der SV Sandhausen siegte dank Wootens Tor 2:1 (0:1), es war der dritte Erfolg nacheinander, von ganz unten bis auf Rang 15 ging es seither, gemeinsam unten raus bewegt sich das Team seit Wochen. "Es ist im Moment einfach geil bei uns. Es freut mich für alle, das Trainerteam und die Mitarbeiter ziehen alle an einem Strang", sagte Dennis Diekmeier, der das 1:1 von Kevin Behrens (55.) vorlegte, und damit mithalf, den Tabellenletzten FC Ingolstadt zu distanzieren. Den Klub, bei dem die Lage genau gegensätzlich zu der beim SVS aussieht nach fünf Niederlagen in Serie und fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsrang 16. Aber auch in Sachen Zusammenhalt: "Der Verein kann nichts mehr machen", sagte Kapitän Almog Cohen. "Sportdirektor, Harald, Trainer, alle weg. Wir Spieler haben die Schuld."

Jens Keller ist bereits der dritte Trainer der Saison, die Position des Sportdirektors ist seit Oktober unbesetzt, Geschäftsführer Harald Gärtner ging am Donnerstag, das war auch beim Spiel Thema. Der Vorstandschef Peter Jackwerth verriet, dass der jüngst in Nürnberg entlassene Andreas Bornemann "ein interessanter Mann" sei, aber er sich als Nachfolger für Gärtner, der zwölf Jahre lang da war, auch jemanden aus der zweiten Reihe oder einem Nachwuchsleistungszentrum vorstellen könnte. In jedem Fall solle die Person noch in dieser Saison vorgestellt werden.

Es sieht inzwischen viel danach aus, dass sie sich dann mit einem Drittligaetat und -kader beschäftigen muss, große Durchhalteparolen wollte Trainer Keller explizit nicht mehr abgeben am Sonntag. Und nach der Niederlage bleiben dem FCI nicht mehr viele Chancen, nächste Woche tritt er beim Vorletzten an: "Wenn es in Duisburg nicht klappt, sieht es richtig düster aus", sagte Christian Träsch. Wieder einmal hatten die Ingolstädter 1:0 geführt und standen trotzdem ohne Ertrag da, das zieht sich durch die ganze Saison. "Jeder muss sich hier klar werden, um was es geht. Manchmal hat man das Gefühl, dass das nicht der Fall ist", sagte Mittelfeldspieler Robin Krauße zum Thema Zusammenhalt.

Dabei hatten sich die Ingolstädter vorbereitet auf ihr Abstiegsduell. Die FCI-Fans hatten auch ein Transparent gebastelt, sie ermahnten ihr Team in Herbergerscher Manier: "Ein Spiel dauert 90 Minuten - heute zählt nur der Sieg!!!" Der Ball, das soll noch erwähnt sein, war rund. Abstiegsendspiel, Kellerkracher, so oder so ähnlich hätte man diese Partie auch taufen können, was der Klub jedoch unterließ. Trotzdem stürmten von Beginn an die Ingolstädter, spielten kluge Pässe und erarbeiteten sich Gelegenheiten, die sie nicht nutzten. Die alten Muster schüttelt das Team nicht mehr ab: Dario Lezcano spielte erneut nicht wie ein Profi-Mittelstürmer, erst schlug er im Strafraum am Ball vorbei, später schoss er aus acht Metern statt aufs Tor ans nächste Abwehrbein (31.). Als er alleine vor dem leeren Tor der Luft statt des vorbeifliegenden Balles einen Kopfstoß gab, hatte er immerhin Glück, dass der Schiedsrichter Manuel Gräfe die Situation wegen Abseits abpfiff (49.). Das 1:0 köpfte der Rechtsverteidiger Björn Paulsen in Mittelstürmer-Position (12.) am linken Fünfmetereck - er war die effizienteste Angriffslösung.

Nur wurde er halt auch auf der rechten Seite benötigt. Dort entwischte ihn zum Ende der ersten Halbzeit Leart Paqarada, der den Innenpfosten traf (38.). Kurz danach prallten SVS-Stürmer Fabian Schleusener und FCI-Torwart Philipp Tschauner folgenreich zusammen, Schleusener erlitt dabei einen Schienbeinbruch (45.).

Trotz dieses Rückschlags kamen die Sandhäuser mit Schwung und deutlich offensiver aus der Halbzeitpause und trafen erst zum 1:1 durch Behrens' starken Kopfball. In einer Phase, in der dann beide Teams große Chancen hatten auf den Sieg hatten, nutzte das effizientere Team der Saison die Abschlussschwäche des anderen aus. Philipp Förster schickte Wooten, der überlupfte Tschauner und öffnete so auch endlich die Sicht aufs Transparent. "Heute ist es der größte Schlag in dieser Saison", sagte Cohen. "Aber wir werden nicht aufgeben."

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SZ vom 01.04.2019
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