SZ: Herr Pfannenstiel, haben die einstigen Bundesliga-Spieler Barbarez, Bobic, Heinrich oder Rehmer bei Ihnen eine Aufnahmeprüfung in ordnungsgemäßer Mülltrennung ablegen müssen?
Pfannenstiel: Nein, aber ich habe mich vorher schon mit allen über das Thema Klima- und Umweltschutz länger unterhalten. Beim Hallenturnier in Riesa waren durch die Bank Leute dabei, die von Haus aus gewusst haben, was man machen und was man lassen sollte.
SZ: Es gibt also keine politisch korrekten Kriterien, um beim von Ihnen gegründeten FC Global United mitspielen zu dürfen?
Pfannenstiel: Natürlich ist die Problematik mit den Benzinschleudern oder den unendlich vielen Flugmeilen der Fußballer da, aber ich kann und will keinem vorschreiben, dass er jetzt nur noch zweimal statt viermal in den Urlaub fährt, dass er seinen Müll sauber trennt und demnächst seinen Four-Wheel-Drive verkaufen muss.
SZ: Nun sind aber Fußballer nicht unbedingt eine Berufsgruppe, der man bislang nachsagen konnte, Sie kümmere sich in herausragender Weise um die Nöte des Planeten.
Pfannenstiel: Nicht alle Fußballer sind Umweltspezialisten, aber alle, die bei unserem ersten kleinen Auftritt in Riesa dabei waren, und alle, die künftig bei uns mitspielen werden, sollten sich hinter dieser Idee versammeln. Und vielleicht muss ich auch einige der Jungs, die mitmachen werden, noch mal richtig aufklären, sie ein bisschen zu läutern versuchen. Aber wenn ich einen, der fünf Autos in der Garage hat, dazu bringe, dass er sagt: Ich mach' mit, ich komme umsonst in die Antarktis, dann ist das schon ein Anfang.
SZ: In der Antarktis soll das nächste Gastspiel des FC Global United sein.
Pfannenstiel: Das übernächste, im Dezember. Für September planen wir, zum eigentlichen Start des Projektes, ein Spiel in Zentraleuropa. Ursprünglich waren Island und die Färöer Inseln vorgesehen, aber wir haben dieses Spiel wegen der dortigen Finanzkrise nach hinten verschoben. Geplant ist bisher, dass wir bis 2012 jedes halbe Jahr, möglichst in den Spielpausen der großen Ligen, je einmal in immer wechselnden Besetzungen antreten. In Tansania, Australien, auf den Fidschi-Inseln, am Amazonas, in Seattle, wir wollen auf allen Kontinenten mindestens ein Spiel machen.
SZ: Und wo spielt man Fußball in der Antarktis?
Pfannenstiel: Auf King George Island, der größten der Südlichen Shetlandinseln, 120 Kilometer vor der Küste der Antarktis. Dort ist bereits polares Gebiet mit vielen Forschungsstationen. Wir spielen auf dem Flughafengelände, weil die Landebahn ungefähr so breit ist wie ein Fußballplatz. Geplant sind zweimal 45Minuten, es ist zwar arktischer Sommer, aber da müssen wir sehen, ob wir das bei Temperaturen um den Gefrierpunkt wirklich durchhalten. Wir werden dort keine Zuschauer haben, wichtiger als das Spiel ist ohnehin der Film dazu: Von jedem Ereignis wird ein 90-minütiger Film produziert, in dem prominente Sportler konkret die Probleme ansprechen, die es an diesen Orten jetzt schon gibt. Welche Folgen die Eisschmelze hat, wie sich das auf die Tierwelt auswirkt, und wie am Ende die Malediven davon betroffen sind, dass der Meeresspiegel steigt. Wir nehmen den Fußball, das größte globale Spiel, dazu her, um auf das größte globale Problem hinzuweisen.
SZ: Wer ist wir?
Pfannenstiel: Wir sind keine Wald- und Wiesenfirma. Ich kümmere mich um die Kontakte, meine Agentur in Essen kümmert sich um das Wirtschaftliche. In jedem Land, in dem wir einen Auftritt planen, haben wir eine Marketing-Agentur am Ort. Inzwischen arbeiten 50 bis 60 Leute weltweit daran, es ist schon fast ein 30-Millionen-Euro Projekt. Was die Zusagen der Spieler angeht, will ich noch nicht zu stark auf den Putz hauen, aber wir haben beispielsweise Solskjaer aus Norwegen, Balakow aus Bulgarien, Soldo aus Kroatien, Töfting aus Dänemark, Oliseh aus Nigeria, Cafu aus Brasilien oder die argentinische Torwartlegende Ubaldo Fillol. Dann haben wir die große deutsche Gruppe, da kommt schon eine sehr gute Partie zusammen. Und wir sprechen natürlich auch mit Zidane und Beckham.
SZ: Sie bringen Brasilianer in die Antarktis?
Pfannenstiel: Auch die Afrikaner, wir wollen, dass alle Kontinente dort vertreten sind. Wir werden für eines unserer Projekte sogar versuchen, Maradona hinter dem Ofen vorzulocken.
SZ: Womit?
Pfannenstiel: Die Spieler bekommen überhaupt nichts. Keiner kriegt eine Auflaufprämie. Reise und Unterkunft wird organisiert, und ich hoffe, dass einige zudem aus freien Stücken spenden, damit das Ganze noch mehr Seriosität gewinnt. Wir wollen so viel Geld wie möglich einspielen und an Organisationen wie die Klima-Allianz in Berlin oder den World Wild Life Found überweisen, aber auch gezielt kleinere Projekte unterstützen.
SZ: Ihr Projekt erinnert an Bob Geldorf und sein Live-8-Projekt. Nur dass jetzt statt eines Musikers ein Fußballer auf die globale soziale Bühne stiegt.
Pfannenstiel: Gut, ich stehe zwar noch in Norwegen in der zweiten Liga im Tor, aber ich sehe mich jetzt nicht mehr als typischen Fußballer. Vielleicht als eine Art Robin Hood des Fußballsports. Ich war ja früher auch so ein typischer Klischee-Fußballer... -, aber Party ist längst nicht mehr alles, bei mir hat sich sehr viel verändert, nach meinen schockierenden Erlebnissen.
SZ: Sie meinen, nach Ihrem Aufenthalt 2001 im Knast von Singapur?
Pfannenstiel: Definitiv. Wenn man dort mitbekommt, dass jemand aufgehängt wird, dass die Prügelstrafe vollzogen wird ... - ich habe in den 101 Tagen dort die Bibel zwei Mal gelesen, da wird man einfach ein besserer Mensch. Ich wurde deshalb zwar kein Mönch, aber doch sehr gläubig, seither hat sich das gesamte Sozialverhalten geändert.
SZ: Der Vorwurf der Justiz lautete damals auf Spielmanipulation.
Pfannenstiel: Anfangs, aber nachdem viermal die Anklage geändert wurde, lautete der konstruierte Vorwurf am Ende: Es habe ein korruptes verbales Einverständnis meinerseits gegeben. Mit einem Menschen, den ich drei-, viermal auf der Straße gesehen hatte. Einmal hat er gefragt: Pfannestiel, gewinnt ihr? Und ich sagte: Natürlich. Das ist das Normalste, was ein Fußballer sagen kann. Und für genau das wird man ohne jeden Beweis verknackt und bekommt von der Richterin gesagt: Vielleicht haben Sie einfach zu gut gehalten. Frechheit. Es wurde mir damals vorgeworfen, dass ich meine Spiele gewonnen habe, und dass darauf gewettet worden sei.
SZ: Was wünscht sich ein geläuterter Umwelt-Robin-Hood konkret für sein Projekt und die Zukunft?
Pfannestiel: Dass wir an die Leute rankommen, die in Newcastle im Pub sitzen, oder an den Fan in St. Pauli und Rostock. An die breite Masse ranzukommen, sie noch mehr zu sensibilisieren, ist mein Hauptwunsch. Man liest jeden Tag überall über die globale Erwärmung, aber Otto Normalverbraucher sagt dann doch meist nur: Die Angela Merkel und der Obama, die machen ein Gesetz und werden das schon richten.