Kai Havertz in die Premier League?:Chelsea erwischt ein günstiges Zeitfenster

Kai Havertz in die Premier League?: Ein Sonntag zum Zungezeigen: Torschütze Olivier Giroud (Mitte) und die Mitspieler vom FC Chelsea feiern den Sieg im Pokalhalbfinale gegen Manchester United.

Ein Sonntag zum Zungezeigen: Torschütze Olivier Giroud (Mitte) und die Mitspieler vom FC Chelsea feiern den Sieg im Pokalhalbfinale gegen Manchester United.

(Foto: Alastair Grant/AP)

Die Londoner wollen wieder Liverpool und Manchester City herausfordern - mit den Millionen von Eigentümer Abramowitsch, Timo Werner und womöglich bald mit Kai Havertz.

Von Sven Haist, London

Das Duell um den Einzug ins Pokalfinale gegen Manchester United hatte der FC Chelsea vermutlich schon vor dem Anpfiff gewonnen. Im Taktieren um die Aufstellung entschloss sich Frank Lampard, seine auf dem Papier schlagkräftigste Mannschaft aufzubieten. Und dies, obwohl es in den beiden ausstehenden Ligaspielen in dieser Woche um die für Chelsea so wegweisende Qualifikation zur Champions League geht.

Das Risiko, seine wichtigsten Spieler trotz der Hektik eines eng getakteten Spielplans erneut enorm zu beanspruchen, wollte Lampards Trainerkollege Ole Gunnar Solskjaer hingegen nicht eingehen. Bei der Wahl der Startreihe kam für Solskjaer erschwerend hinzu, dass United zwei Tage weniger Zeit zur Vorbereitung auf dieses FA-Cup-Halbfinale hatte. Und zudem im Millionenspiel mit Chelsea und Leicester City in der Premier League um die zwei freien Plätze zur Königsklasse die kniffligste Ausgangslage besitzt.

Mit fünf Spielerwechseln und einer Formationsänderung mischte Solskjaer also seine Elf am Sonntagabend gehörig durcheinander - entsprechend sah es bei Manchester über weite Strecken auf dem Rasen aus. Das ungefährdete 3:1 ist Chelsea quasi auf dem Silbertablett übergeben worden. Alle Gegentreffer resultierten aus Fehlern von United, jeweils gab der spanische Torwart David de Gea eine unglückliche Figur ab: besonders beim zweiten Tor durch Mason Mount (46.), als er den Ball nach einem Flachschuss durch die Hände rutschen ließ. Chelseas dritter Treffer resultierte aus einem Eigentor von Harry Maguire (74.).

Sinnbildlich für den verwirrten Auftritt des Rekordmeisters war die Karambolage der Innenverteidiger Maguire und Eric Bailly, die kurz vor der Halbzeit mit den Köpfen zusammenrasselten. Bailly musste ins Krankenhaus gebracht werden, Maguire spielte mit einem Turban weiter. Das Spiel war minutenlang unterbrochen, ehe Olivier Giroud den gegnerischen Schockzustand zur Führung ausnutzte (45.+11). Der Anschlusstreffer durch Bruno Fernandes per Elfmeter (85.) spielte am Ende keine Rolle mehr. Längst stand fest: Chelsea tritt am 1. August zur Revanche gegen den FC Arsenal für das 1:2 verlorene Pokalfinale von 2017 an.

Chelsea kann jetzt Arsenal und Tottenham abhängen

Wichtiger aber als die dritte Endspiel-Teilnahme im Pokal in den vergangenen vier Jahren war für Chelseas Laune die kurz vor Spielbeginn feststehende Niederlage von Leicester in der Premier League bei Tottenham Hotspur. Durch das 0:3 reicht den in der Tabelle drittplatzierten Londonern aus den Ligaspielen gegen Meister FC Liverpool (Mittwoch) und Wolverhampton (Sonntag) ein Sieg, um den Champions-League-Start klarzumachen.

Unmittelbar nach Abpfiff sagte Torschütze Giroud deshalb direkt mit Blick aufs andere Ergebnis: "Thanks to Spurs!"

Mit einem Titel in seiner Einstiegssaison als Chelsea-Coach könnte Frank Lampard den milliardenschweren Klubeigentümer Roman Abramowitsch ködern. Aus seinen Spielertagen in London weiß Lampard nur zu gut, dass nichts besser wirkt als Siegerpokale, um den russischen Oligarchen in die Laune zu versetzen, für kostspielige Transfers aufzukommen. Für 18 Trophäen in den 17 Jahren seiner Regentschaft bei den Blues war Abramowitsch bisher bereit, knapp zwei Milliarden Euro zu investieren.

Durch die Verwerfungen der Corona-Pandemie tut sich aktuell für Chelsea gerade ein günstiges Zeitfenster auf, um auf Sicht die wirtschaftlich und sportlich strauchelnden Stadtrivalen Arsenal und Tottenham abzuhängen. Beide Klubs werden die für ihre Kalkulation eigentlich unverzichtbare Teilnahme an der Champions League verpassen, Arsenal bereits zum vierten Mal hintereinander.

Kommt nach Timo Werner auch Kai Havertz?

Das bietet Chelsea die Chance, sich nicht nur abzusetzen, sondern mit Liverpool, Manchester City und Manchester United dauerhaft die vorderen vier Plätze in England zu belegen und den Rest der Liga vom prestigeträchtigsten Europapokal abzuschneiden. Der abgesagte Umbau des sanierungsbedürftigen Stadions an der Stamford Bridge kommt dem Budget der Blues aktuell ebenso zugute wie die - ironischerweise! - vom Fußball-Weltverband Fifa verhängte Transfersperre gegen Chelsea im Vorjahr. Die Verkäufe von Eden Hazard (Real Madrid), Angreifer Álavaro Morata (Atlético Madrid), Abwehrchef David Luiz (FC Arsenal) und ein paar Talenten füllten die Kasse mit circa 200 Millionen Euro - kaum Ausgaben standen dagegen.

In der Rückrunde hat Chelsea für sein verheißungsvolles Aufgebot mit vielen hochveranlagten Spielern auch noch den Spielmacher Hakim Ziyech und Torjäger Timo Werner eingekauft. Für 40 Millionen Euro kommt Ziyech, 27, von Ajax Amsterdam, beim deutschen Nationalspieler Werner, 24, nutzen die Londoner dessen Ausstiegsklausel bei RB Leipzig und zahlen 53 Millionen Euro. Wenn sich jetzt noch der bei Bayer Leverkusen unter Vertrag stehende Kai Havertz, 21, für vielleicht 80 Millionen Euro Sofortkasse (plus Boni am Ende wohl über 100 Millionen) den Blues anschließt, stellt sich direkt die Luxusfrage: Wie lässt sich dieser Schwarm an Jugend und Ehrgeiz in eine einzige Elf einbauen?

Für die in der Regel vier vorderen Chelsea-Positionen besitzen Mount, Giroud, Pulisic, Abraham, Hudson-Odoi, Loftus-Cheek und Barkley gültige Arbeitspapiere auch in der neuen Saison. Zudem will Chelsea mit Willian, 31, verlängern, sofern der Brasilianer nicht auf einem Dreijahresvertrag beharrt. In jedem Fall hat sich der Klub mit den genannten Profis einen erheblichen Transferwert für potenzielle Verkäufe geschaffen.

Die Bruchstelle im schönen Plan? Die Defensive scheint derzeit noch nicht den höchsten Ansprüchen zu genügen.

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