FC Chelsea: Michael Ballack:Mehr Arbeit, weniger Geld

DFB-Kapitän Michael Ballack zählt beim FC Chelsea nach einer schwierigen Phase wieder zur Stammelf. Doch die ausbleibenden Vertragsgespräche schüren Spekulationen.

Philipp Selldorf

Der Bundestrainer will demnächst mit seinem Stab nach London fliegen, um Michael Ballack beim FC Chelsea zu besichtigen, das hat Joachim Löw anfangs der Woche angekündigt. Es wäre eine Premiere - in den vier Jahren, die der Kapitän der Nationalelf in England spielt, hat Löw bisher nicht den Weg auf die Insel gefunden. Sollte er sich nun aber auf die beschwerliche Reise machen, könnte er zumindest relativ gewiss sein, Ballack tatsächlich in Aktion zu erleben. Zuletzt hatte der 33-jährige Mittelfeldspieler wegen einer Verletzung pausieren und anschließend in drei Partien bis zur Einwechslung auf der Bank Platz nehmen müssen. Am Dienstag beim 1:0-Sieg gegen die Bolton Wanderers gehörte er aber wieder zur ersten Elf.

Über Ballacks Stand im Team des italienischen Trainers Carlo Ancelotti hatte sich Löw zuvor bereits am Telefon erkundigt und Beruhigendes erfahren. Er wusste, dass sein Kapitän beim zweiten Champions League-Achtelfinale gegen Inter Mailand nur dank einer Spritzenbehandlung hatte mitwirken können, und dass er nach der verlorenen Partie nicht wegen personeller Umstürze im Londoner Spitzenteam oder wegen chronisch nachlassender Leistung, sondern aufgrund einer Achillessehnenblessur aussetzen musste. Als er sich davon erholt hatte, vermachte ihm einer seiner Söhne eine Erkältung, die er aus dem Kindergarten importiert hatte. So verlängerte sich die Trainings- und Spielpause.

Unsicherheit im Verein

Während Löw darauf vertrauen darf, einen gesunden und motivierten Kapitän zur WM-Vorbereitung begrüßen zu dürfen, hat Ballacks vorübergehendes Verschwinden aus Chelseas Stammformation den Spekulationen in der Branche Nahrung gegeben. Es schien zu seiner unsicheren Situation beim Londoner Spitzenklub zu passen. Seit Monaten verbreitet die englische Presse Meldungen, die eine just bevorstehende Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrages verheißen, er selbst hatte im vergangenen Herbst erzählt, "dass wir uns bald zusammensetzen werden", aber auf dieses ergiebige Gespräch wartet er immer noch.

Es gibt zwar nach Angaben seines Beraters Michael Becker ein Angebot des Vereins, die Zusammenarbeit ein weiteres Jahr fortzusetzen. Aber die Garantie reicht Ballack nicht aus. Er möchte eine Zusage, die seine Vorstellung vom Karrierehorizont erschließt, er will eine längere Bindung oder zumindest die Option darauf. Offenkundig möchte er seine Laufbahn im Nationalteam nicht nach der WM in Südafrika beenden, er hat auch die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine noch im Blick. Bis dahin braucht er einen Arbeitgeber, der ihn auf hohem Niveau beschäftigt.

Zur Zeit keine Perspektive

Der FC Chelsea lässt jedoch zur Zeit keine verlässlichen Perspektiven zu. Das Management ist seit dem Weggang des Geschäftsführers Peter Kenyon geschwächt, die Verhandlungen führt jetzt Präsident Bruce Buck, ein amerikanischer Anwalt und Vertrauensmann des steinreichen russischen Klubbesitzers Roman Abramowitsch. Der Milliardär propagiert angeblich eine personelle Wende, nachdem sich die Fünf-Jahres-Verträge für die englischen Stars Terry und Lampard alles andere als produktiv auf deren Leistungen ausgewirkt haben. So wissen außer Ballack auch andere namhafte Spieler wie Anelka, Deco oder Joe Cole nicht, ob sie beim möglichen englischen Doublegewinner bleiben dürfen.

Mit der Frage, ob Ballack womöglich in die Bundesliga zurückkehren könnte, hat sich nun die Zeitschrift "Sportbild" beschäftigt. Sie hat auch Schalkes Generaldirektor Felix Magath befragt, der entgegnet hat, man müsse "mit ihm reden, wenn er Chelsea verlassen will". Doch diese Ankündigung wird im Umfeld des Spielers eher als Höflichkeitsfloskel aufgefasst, Magath hatte in seinen Zeiten bei den Bayern ein gutes Verhältnis mit dem Spieler.

Ballack ist zwar bereit, für einen Zweijahresvertrag Gehaltsabstriche in Kauf zu nehmen, aber wenn er davon spricht, dass die Finanzen diesmal eine untergeordnete Rolle Spielen, dann heißt das nicht, dass Schalke die reduzierten Erwartungen erfüllen könnte. Gleiches gilt für Bayer Leverkusen, wo in Gestalt von Sportchef Rudi Völler einer der größten Bewunderer des Nationalspielers das Sagen hat, und wohl auch für den Hamburger SV, der angeblich bereits Erkundigungen eingezogen hat.

In England wird trotz der diffus vorgehenden Vereinsführung damit gerechnet, dass Ballack noch wenigstens ein weiteres Jahr in Chelsea bleibt, aber es ist fraglich, ob er den neuen Kontrakt bereits vor der WM unterzeichnen wird. Der Bundestrainer wird dafür Verständnis haben - Joachim Löw kennt die Situation, auch seine Beschäftigung beim DFB ist ungewiss.

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