FC Chelsea:Bis der Arzt kommt

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Teamärztin Eva Carneiro und Physiotherapeut Jon Fearn behandeln Chelseas Eden Hazard.

(Foto: AFP)
  • Chelseas Trainer José Mourinho wirft seiner Mannschaftsärztin vor, vom Fußball wenig zu verstehen.
  • Die Ärztin war kurz vor Schluss aufs Feld gelaufen, um einen Spieler zu behandeln. Chelsea spielte deshalb für kurze Zeit mit zwei Spielern weniger.
  • Der ehemalige Mannschaftsarzt des FC Schalke 04 sagt, dass Mourinhos Verhalten kein Einzelfall sei.

Von Christopher Gerards

Normalerweise ist ein Fußballspiel nach ein paar Tagen schon fast wieder vergessen. Die Menschen sprechen kurz über dieses Tor und jene Schiedsrichterentscheidung, das war es dann. Doch nach dem Spiel zwischen dem FC Chelsea und Swansea City am vergangenen Samstag ist das anders. Auch Tage danach wird immer noch aufgeregt darüber diskutiert, anstatt auf den nächsten Auftritt des FC Chelsea zu blicken. Und das hat mit José Mourinho zu tun. Denn der geriet in Streit mit seiner Teamärztin - und die wurde nun degradiert, wie der Telegraph berichtet.

Dem Fußballtrainer sind am ersten Spieltag der neuen Premier-League-Saison zwei bemerkenswerte Dinge gelungen. Mourinho hat zum einen all jene bestätigt, die ihn wahlweise für einen coolen Hund oder für ein riesengroßes Ekel halten. Mourinho hat zum anderen sehr publikumswirksam gezeigt, wie kompliziert und spannungsgeladen das Verhältnis sein kann zwischen dem Erfolg einer Fußballmannschaft und der Gesundheit eines einzelnen Sportlers.

Denn der Zwist zwischen Mourinho und seiner Ärztin sei kein Einzelfall, sagt Thorsten Rarreck, der jahrelang Mannschaftsarzt des FC Schalke 04 war. Der Sportmediziner findet sogar, die Beziehung zwischen Trainer und Arzt werde immer schwieriger. "Solange die Szene ist wie jetzt, käme ein solcher Job für mich nicht mehr in Frage", sagt Rarreck.

Mourinho springt und schimpft

Was ist da schief gelaufen beim FC Chelsea? Im Spiel gegen Swansea hatte es kurz vor dem Ende 2:2 gestanden. Das Team von Mourinho drückte auf das Siegtor, da wurde der Außenstürmer Eden Hazard gefoult. Der Spieler blieb am Boden liegen, woraufhin Chelseas Teamärztin Eva Carneiro und Physiotherapeut Jon Fearn auf den Platz rannten, um ihn zu behandeln. Und Mourinho? Der sprang durch seine Trainerzone und schimpfte.

Mourinho habe am Ende nicht sehr glücklich ausgesehen, stellte nach dem Spiel ein Reporter fest. Woraufhin Mourinho sagte, Schuld daran sei seine medizinische Abteilung. Chelsea habe in Unterzahl spielen müssen, Torhüter Thibault Courtois hatte zuvor die rote Karte gesehen. Und weil die Ärztin nun auf den Rasen gelaufen sei, habe Hazard vom Platz gemusst. Chelsea war nur noch zu neunt - der Siegtreffer gelang nicht mehr. Mourinho sagte nach der Partie: "Ob du Zeugwart, Arzt oder Sekretär bist: Wenn du auf der Bank bist, musst du das Spiel verstehen." Was so viel hieß wie: Teamärztin Carneiro versteht nach Ansicht von Mourinho das Spiel nicht.

Arzt gegen Trainer? Da war doch neulich was

Der ehemalige Schalke-Arzt Rarreck wiederum findet, dass Mourinho das Spiel nicht versteht. Mehr als zehn Jahre war Rarreck beim Bundesligisten angestellt, im Oktober 2014 hörte er auf. Zum Fall Chelsea sagt Rarreck dies: "Selbst mit viel Erfahrung: Aus der Entfernung kann man als Mediziner nicht erkennen, ob der Spieler schwerer verletzt ist. Aber wenn der Schiedsrichter ein Zeichen gibt, dann muss der Arzt möglichst schnell da sein." Der Unparteiische gab an jenem Samstag ein Zeichen.

Mourinho kein Einzelfall

Natürlich hofft jeder Trainer, dass ein Fußballer direkt weitermachen kann. Denn wenn ein Arzt zur Behandlung aufs Feld kommt, muss der Spieler runter, zumindest für kurze Zeit. Der Mannschaftsarzt müsse dabei in allen medizinischen Fragen unabhängig entscheiden, sagt Rarreck. "Ein Nicht-Mediziner weist einen Arzt an - das ist laut Berufsordnung verboten", sagt der ehemalige Mannschaftsarzt. Doch Rarreck habe beobachtet, wie Medizinier im Profifußball immer mehr "zu Erfüllungsgehilfen degradiert" werden.

Auch beim FC Bayern gerieten vor einigen Wochen Trainer und Arzt in Streit. Pep Guardiola störte es unter anderem, dass Mediziner Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt beim Training der Bayern nicht vor Ort war, sondern in seiner Praxis in der Münchner Innenstadt arbeitete. Zudem waren die zwei sich über Behandlungsmethoden uneins. Als der FC Bayern das Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen den FC Porto verlor, soll Guardiola den Arzt verantwortlich gemacht haben, weil viele Spieler verletzt fehlten. Müller-Wohlfahrt schmiss hin. Nach - mit kurzen Unterbrechungen - 38 Jahren beim FC Bayern.

Der FC Chelsea kommentierte das alles lange nicht, erst bei der Pressekonferenz vor der Partie gegen Manchester City äußerte sich Mourinho. Teamärztin Carneiro und Physiotherapeut Fearn werden in dem Spiel nicht auf Chelseas Bank sitzen, bestätigte er. Dies gelte allerdings nicht unbedingt für den Rest der Saison. Dann wich er dem Thema aus und sagte in Richtung Journalisten: "Wenn Sie mit mir über Fußball sprechen möchten - dafür bin ich da. Wenn Sie mit mir über andere Dinge sprechen möchten - dafür bin ich nicht da."

Wer am Sonntag als Arzt für Chelsea im Einsatz ist, ist noch offen. Mourinho jedenfalls wird auf der Bank Platz nehmen. Und womöglich wieder herumspringen und schimpfen.

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