FC Bayerns scheidender Trainer:Meister Heynckes fliegt in Daunenjacke

FC Bayern München, Fußball Bundesliga, Jupp Heynckes, Deutscher Meister, Eintracht Frankfurt

Meister bei winterlichen Temperaturen. Die Spieler des FC Bayern lassen ihren Trainer Jupp Heynckes hochleben.

(Foto: AFP)

Der FC Bayern feiert eine Meisterschaft der Rekorde - und im Mittelpunkt steht Trainer Jupp Heynckes. Nach dem Sieg gegen Eintracht Frankfurt hält deren Coach Armin Veh eine hochemotionale Lobrede auf seinen früheren Mentor. Heynckes bleibt sachlich. Es ist nur der erste von drei angestrebten Titeln - bevor Pep Guardiola kommt.

Von Claudio Catuogno

Jupp Heynckes sagt, er wolle sich "als erstes zum Spiel äußern". Ein schwieriges Spiel, für beide Mannschaften. Frankfurt hatte ja "einen Aderlass zu beklagen", der Spieler Schwegler verletzt, der Spieler Meier verletzt. "Trotzdem haben wir uns schwer getan, weil der Gegner sehr engagiert war", sagt Heynckes. "Und in der Schlussphase haben wir objektiv ein bisschen Glück gehabt."

Schwegler, Meier, Glück gehabt. Müsste Jupp Heynckes jetzt nicht über sich selbst sprechen? Über diese Rekord-Meisterschaft, die er dem FC Bayern gerade beschert hat? Über diesen in 50 Jahren Bundesliga nie da gewesenen Triumph: Meister zu werden schon am 28. Spieltag?

Armin Veh, der Trainer von Eintracht Frankfurt, wird dazu später noch ein paar Sätze voller Respekt und Zuneigung sagen, Schwegler, Meier, das ist doch heute alles egal, findet Veh. Aber Jupp Heynckes, 67, kann da eben nicht aus seiner Haut. Er will da auch gar nicht aus seiner Haut. Nach einem Spiel äußert man sich auf der Pressekonferenz zum Spiel. So macht Jupp Heynckes das, seit er 1979 mit 34 Jahren in Mönchengladbach der bis dahin jüngste Cheftrainer der Bundesliga wurde. So hat er das jetzt mehr als 600 Mal gemacht. Inzwischen ist er der älteste Cheftrainer der Bundesliga, und fast vergisst man angesichts seiner routinierten Gelassenheit, dass auch Heynckes schon eine Weile nicht mehr deutscher Meister war. Das letzte Mal im Sommer 1990. Vor 23 Jahren.

Dabei sind ihnen schon die zwei Jahre, die sie in München auf diesen Titel warten mussten, wie eine Ewigkeit vorgekommen.

Als es schließlich vollbracht ist, am Samstag um einzwanzig nach fünf, fällt Jupp Heynckes seinen Co-Trainern in den Arm, der Sportchef Matthias Sammer komplettiert die Jubeltraube. Danach steht Heynckes noch eine Weile vor seiner Trainerbank, er schnäuzt sich kurz, vermutlich wegen der Kälte, danach zieht er seine Hände nur noch aus den Jackentaschen, wenn jemand zum Gratulieren vorbeikommt. Eine ganze Weile steht Heynckes so da. Die Bayern-Granden Hoeneß, Rummenigge, Hopfner haben das 1:0 (0:0) bei der Eintracht oben auf der Tribüne verfolgt. Sammer ist in die Kabine verschwunden.

Heynckes ist im Einzelkämpfermodus

Heynckes hat den Moment für sich. Aber das passt schon so. Seit die Bayern für die kommende Saison hinter seinem Rücken den spanischen Star-Trainer Pep Guardiola verpflichtet haben, hat er ohnehin in den Einzelkämpfermodus geschaltet. Jeder Rekord, jeder Titel, der da noch kommen mag, ist da eine gewaltige Genugtuung. Auch, wenn Heynckes das öffentlich nie so sagen würde.

Irgendwann macht er sich dann aber doch auf den Weg zu seinen Spielern, die vor dem Gästefanblock tanzen und singen, er nimmt, angefangen beim Kapitän Philipp Lahm, einen nach dem anderen in den Arm. Vom kleinen Schweizer Xherdan Shaqiri lässt er sich sogar zu einem Tänzchen bewegen. Und dann wird Jupp Heynckes von allen in die Luft geworfen, wieder aufgefangen, wieder in die Luft geworfen, wieder aufgefangen. Das wird wohl das prägende Bild bleiben von dieser Meisterschaft: der fliegende Heynckes in der Daunenjacke. "Ich bin ja schon einige Male als Spieler und Trainer deutscher Meister geworden", wird er später sagen, "aber es war noch nie so kalt wie heute."

"Niemandem gönne ich diesen Titel mehr"

Das ist eben der Preis der Dominanz: Dass es am Samstag eher so aussah, als seien die Bayern gerade Herbst- oder Winter- oder Weihnachtsmeister geworden. Bastian Schweinsteiger spielte mit Handschuhen, Arjen Robben mit langer Unterhose. Weißbierduschen gab es nicht, dafür ging Mitte der ersten Halbzeit eine Eisregen-Dusche nieder. Und lange wirkten die Münchner auch auf dem Rasen wie eingefroren: Shaqiri schoss aus der Distanz an den Innenpfosten (10.), David Alaba trat einen Foulelfmeter an den Außenpfosten (27.), sehr viel mehr gelang dem Titelanwärter nicht. Der FC Augsburg führte zu diesem Zeitpunkt in Dortmund. Die Bayern hätten in Frankfurt jetzt sogar 0:1 oder 2:9 oder 0:199 verlieren können, sie wären trotzdem Meister gewesen, Fußball ist eben manchmal doch nur Mathematik. Aber will man auf so trostlose Weise die Schale holen? Natürlich nicht.

Dortmund drehte also das Spiel gegen Augsburg. Und bei den Bayern schickte Philipp Lahm eine Hereingabe von links vor Oka Nikolovs Tor, die Bastian Schweinsteiger mit der Hacke verwertete: 1:0 (52.). "Wir wollten diesen Titel einfach so schnell wie möglich", sagte Lahm, "auch wegen der Rekorde." Elf Siege nacheinander. Erst 13 Gegentore, davon nur zwei auswärts. Und jede Menge weitere Bestmarken. Längst stricken sie beim FC Bayern des Jahres 2013 an ihrer eigenen Legende, mit einer kühlen Effizienz, die gut passt zu dieser Wintermeisterschaft.

Vielleicht wäre es so kühl geblieben, so geschäftsmäßig konzentriert, wenn jetzt nicht Armin Veh zusammen mit Heynckes auf dem Podium sitzen würde. Veh hat einst unter dem jungen Heynckes trainiert. "Lieber Jupp", ergreift er nun das Wort, "über das Spiel sage ich nichts." Dafür sagt Veh eine Menge über Heynckes, den Trainer ("Top-Leistung") und den Menschen ("Niemandem gönne ich diesen Titel mehr als dir"). Fast rührselig wird es jetzt: "Ich wünsche dir", sagt Veh, "dass du die anderen Titel auch noch gewinnst, und dass du mit dem glücklich wirst, was du danach machen wirst. Und als Mensch sage ich: Ich habe viel von dir gelernt."

"Ich traue der Mannschaft alles zu"

Was Heynckes danach machen wird - also wenn im Sommer sein Vertrag endet, den er gerne noch etwas verlängert hätte -, das weiß bisher wohl nur er selbst. Die kurzfristigen Ziele sind hingegen klar. Wer derart dominant durch die Liga fegt, muss sich ja auch die Champions League vornehmen, nach zuletzt zwei verlorenen Endspielen binnen drei Jahren. Und im DFB-Pokal sind außer den Münchnern nur noch Wolfsburg, Stuttgart und Freiburg im Wettbewerb. "Vielleicht", sagt Heynckes, "sind diese Ziele noch schwerer zu realisieren, aber ich traue der Mannschaft alles zu."

Jupp Heynckes spricht jetzt doch noch über Jupp Heynckes. Worauf es ankomme als Bayern-Trainer? Na ja, sagte er, wichtig sei schon, "dass man das Innenleben des FC Bayern kennen muss, mit ehemaligen großen Fußballern, deren Meinung du als Trainer immer reflektieren und in deine Arbeit einfließen lassen musst . . . ja, Sie dürfen ruhig schmunzeln." Und "dass man glaubwürdig bleibt, dass man mit seinen Spielern ehrlich kommuniziert".

Armin Veh sitzt still daneben und hört zu. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Jupp Heynckes im nächsten Jahr schon noch mal in Frankfurt vorbeikommen dürfen als Trainer des FC Bayern.

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