Süddeutsche Zeitung

FC Bayerns Erfolg gegen Nürnberg:Lektion im Umpflügen

Ein trockener Rasen und ein mutiger Gegner verlangen dem FC Bayern in Nürnberg einiges ab. Am Ende demonstriert das Team von Pep Guardiola, dass es auch unter widrigen Umständen gewinnen kann. Doch das besänftigt Sportdirektor Matthias Sammer kaum.

Von Johannes Knuth, Nürnberg

Der Fußballspieler Philipp Lahm hätte wohl auch einen passablen Greenkeeper abgegeben. Dieser Rasen im Nürnberger Stadion, sagte Lahm nach dem Spiel seiner Bayern gegen den 1. FC Nürnberg, dieser Rasen sei "nicht optimal" gewesen. Und dass, obwohl das Areal bestens belüftet sei, ohne Dach, ohne hohe Tribünen, die der Sonne die Sicht auf das Grün nehmen.

"Ein Rätsel", befand Lahm. "Sehr, sehr schwierig, stumpf und trocken", ergänzte Trainer Pep Guardiola, ein "Acker" schimpfte Arjen Robben und mutmaßte, "die haben den Zeugwart letzte Woche wohl in den Urlaub geschickt" (und den Platzwart dazu, Anm. d. Red.). Oder wie Sportdirektor Matthias Sammer sagte: "Eine Katastrophe." Und er wurde noch deutlicher: "Vor 20 Jahren hattest du solche Plätze".

Der FC Bayern München hat am Samstag das 188. fränkisch-oberbayerische Duell beim 1. FC Nürnberg 2:0 gewonnen, seit 45 Spielen sind sie in der Bundesliga unbesiegt, aber an derartigen Taten waren die Münchner nach dem Spiel nur peripher interessiert. Vor allem Sammer umtrieb weniger die Frage, was war, sondern was gewesen sein könnte.

Vor dem Spiel hatte er über "unwürdige" Platzverhältnisse geklagt, vor Verletzungen gewarnt. Während der Partie humpelten dann zwei Nürnberger vom Platz, Verteidiger Timothy Chandler nach zehn Minuten, kurz darauf Stürmer Daniel Ginczek. Chandler war im gelbgefleckten Rasen hängengeblieben, Ginczek nach einem Kopfballduell umgeknickt. "Jetzt haben sich zwei Nürnberger verletzt und keiner von uns, das ist ein Wahnsinn", sagte Sammer.

Später stellte sich heraus, dass Chandlers Außenmeniskus gerissen war, er fällt mindestens acht Wochen aus, Ginczek wird sogar die gesamte Rückrunde fehlen, er riss sich das rechte Kreuzband. Sammer gab dem Platz eine Mitschuld, und im Fall von Chandler war das nach Studium der Fernsehbilder eine plausible Theorie. "Für Hochleistungsfußball", polterte Sammer, "müssen die Rahmenbedingungen stimmen".

Absicht wollte den Nürnbergern niemand unterstellen, wieso auch? Spätestens seit Gertjan Verbeeks Ankunft als Trainer wird in Nürnberg schneller, offensiver Fußball gelehrt. "Die Nürnberger wollen auf so einem Platz sicherlich nicht spielen", glaubte Robben. Verbeek bestätigte das auf der Pressekonferenz ungefragt, er sagte: "Der Rasen war sehr schlecht."

Seine Mannschaft hatte das zunächst nicht irritiert. Nürnberg drückte, nahm die FCB-Spieler in Manndeckung, eroberte Bälle und trug diese vor das Tor der Bayern, als gäbe es nur einen Durchgang. Nach zwei Minuten schaufelte Neuer einen Schuss von Ginczek ins Seitenaus. Nach fünf Minuten klatschte Hiroshi Kiyotakes Seitfallzieher auf die Latte.

Und dann die 17 Minute, die Führung für den "Club", das muss sie sein, Drmic schüttelt Dante ab, sein Schuss saust an Neuer vorbei - nein, Neuer kommt irgendwie an den Ball, mit der Hacke. Wer gegen die Bayern ein Tor erzielen will, der hat es derzeit so schwer wie jemand im letzten Level eines Computerspiels: Wenn alle Hindernisse und Gegner erledigt sind, wartet im Tor der Endgegner. "Manuel ist Weltklasse", stellte Robben später zufrieden fest.

Hinten rettete Neuer, vorne lebten sich die Bayern nach zwanzig Minuten im Nürnberger Stadion langsam ein. Anstatt minutenlang den Ball zu zirkulieren, schlugen sie weite Bälle auf Mario Mandzukic. Mandzukic behauptete die Bälle, verteilte sie, mal an Müller, mal an Robben - oder gleich ins Tor, wie in der 18. Minute, Alaba hatte geflankt.

Josip Drmic, der zuletzt so starke Nürnberger Rechtsaußen, musste sich derweil ohne Absicherung (Chandler) und Sturmpartner (Ginczek) durchschlagen. Ginczek war Dante und Boateng davongelaufen, er hatte viel Unruhe in der Münchner Abwehr entfacht. Sein Stellvertreter Tomas Pekhart lief Dante und Boateng meist hinterher, und wenn er sie mal abgeschüttelt hatte, stand er im Abseits. Als Lahm kurz nach der Pause den Ball zum 2:0 ins Tor löffelte, war der Nürnberger Wille gebrochen. Jetzt presste Bayern wie gewohnt, phasenweise am Nürnberger Strafraum, zu zweit, zu dritt umzingelten sie die bedauernswerten Pinola und Petrák. Acht Mal schossen die Nürnberger im ersten Durchgang aufs Tor, ein Mal im zweiten.

"Wenn wir am Anfang eine Chance nutzen, läuft das Spiel anders", sagte Drmic nach dem Spiel. Gegen 16 von 17 Gegnern wäre wohl tatsächlich eine Nürnberger Chance im Tor gelandet. Nur nicht bei Endboss Neuer.

Matthias Sammer arbeitete noch ein paar Themen ab, die an ihn herangetragen wurden: Die Wechselgerüchte um Javí Martinez und Thomas Müller, die es angeblich zu Real Madrid zieht ("Alles Bullshit"), dazu Toni Kroos, der in Nürnberg keine Minute mitmachen hatte dürfen, wie zuvor gegen Frankfurt ("Never change a winning team"). Die nächste Chance für Kroos bietet sich am Mittwoch im Pokal-Viertelfinale beim Hamburger SV, "wir rotieren ja eigentlich die ganze Saison", sagte Lahm.

Der Rasen in Hamburg machte am Samstag beim Spiel zwischen dem HSV und Hertha BSC übrigens nicht den besten Eindruck.

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