FC Bayern:Zwischen Leichtigkeit und Leichtsinn

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Robert Lewandowski jubelt nach seinem Tor. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Der FC Bayern schlägt Werder Bremen trotz zwischenzeitlichen Rückstandes mit 4:2.
  • Robert Lewandowski und Thomas Müller schießen dabei zwei Tore.
  • Trotz diverser Leichtsinnigkeiten gewinnen die Münchner souverän.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Sven Ulreich legte sich den Ball zurecht, es gab Abstoß, für den Torwart eine Routineübung. Er passte den Ball nach links, zu Niklas Süle, doch er passte zu kurz, Süle nahm den Ball im Strafraum an. Der Abstoß, so fordert es das Regelwerk, musste wiederholt werden. Also legte sich Ulreich den Ball wieder zurecht. Dieses Mal passte er nach rechts, zu Jérôme Boateng, wieder passte er zu kurz, Boateng nahm den Ball im Strafraum an. Auch dieser Abstoß musste wiederholt werden. Nun kickte Ulreich den Ball etwas weiter nach vorne, effektiv war das auch nicht, aber immerhin, der Abstoß musste diesmal nicht wiederholt werden. Dann war die 51. Minute abgelaufen, und nun konnte wirklich niemand mehr leugnen, dass der Auftritt des FC Bayern an diesem Nachmittag zumindest gelegentlich etwas ins Behäbige kippte.

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Wer könnte es der Mannschaft auch verübeln. Der FC Bayern spielt im Januar 2018 ja nicht mehr darum, ob er in dieser Saison Meister werden wird. Er spielt in der Liga darum, wann er Meister werden wird. Wie diese Gewissheit das Spiel einer Elf beeinflussen kann, zeigte sich am Sonntag gegen Werder Bremen: Der FC Bayern schwankte zwischen Leichtigkeit und Leichtfertigkeit. Er spielte sich immer wieder nett ein paar Chancen heraus, um sie dann wieder großzügig ungenutzt zu lassen. Und weil die Mannschaft gelegentlich auch großzügig verteidigte, hatte auch Bremen, der Tabellendrittletzte, gute Gelegenheiten. Dass der FC Bayern am Ende 4:2 (1:1) gewann, verdankte er vor allem Robert Lewandowski und dessen Doppelpack.

Begonnen hatte die Partie mit einer Szene bayerischer Leichtfertigkeit, angereichert mit etwas Leichtsinn. Nach einer Flanke von Bremens Augustinsson kam Max Kruse ungestört zum Kopfball - er traf den Pfosten (7.) - eine erste Warnung.

Anschließend war es ein paar Minuten lang eine Partie, in der es weniger darum zu gehen schien, ob der FC Bayern gewinnt, sondern eher darum, ob er 5:0 oder eher 6:0 gewinnt. Diese Phase eröffneten Thomas Müller, Arjen Robben, Robert Lewandowski und Franck Ribéry, indem sie sich den Ball am Strafraum hin und her passten, hübsch war das, allerdings auch verkünstelt - am Ende der Passfolge stand Lewandowski im Abseits (10.). Bremen verteidigte in dieser Phase recht zuvorkommend; die Gäste schafften es, eng gestaffelt zu stehen und doch große Lücken offen zu lassen. Und so häuften sich die Chancen des FC Bayern. Ribéry schoss den Ball nach einem Doppelpass auf Werder-Torwart Jiri Pavlenka (12.). Juan Bernat dribbelte energisch nach vorne, legte den Ball quer zu Müller, doch dessen Schuss wurde geblockt (13.). Und schließlich flankte auch noch Innenverteidiger Boateng von der Seitenlinie (!), doch Lewandowskis Kopfball flog über das Tor (13.). Dem FC Bayern fiel das Fußballspielen in dieser Phase zwar wirklich sehr leicht, es stand zwar 0:0, doch gefühlt war das 5:0 nicht fern.

So eine Partie also war das. Zumindest so lange, bis Bremen plötzlich führte.

Die Gäste hatten in ihrer engen, lückenhaften Defensivarbeit schon die ganze Zeit auf die Möglichkeit zum Gegenangriff gewartet, meist aber hatte der FC Bayern den Ball wieder abgefangen, am allermeisten durch Javier Martínez. Doch das war trügerisch. Und verleitete zu Leichtfertigkeit. Es lief die 25. Minute, dann passten sich die Bremer den Ball nett am Strafraum zu. Maximilian Eggestein spielte zu Kruse, der weiter zu Jérôme Gondorf, und der schoss den Ball einfach durch die Beine von Sven Ulreich. Schon führten die Gäste.

Danach wurde es für den Gastgeber eine zähe Partie. Auf einmal war die Bremer Defensive nicht mehr nur eng, sondern auch nahezu lückenfrei. Für den Ausgleich brauchte es eine Flanke des Innenverteidigers Boateng von der Außenlinie (!): Müller behauptete den Ball gegen Milos Veljkovic und traf voller Leichtigkeit mit einem Seitfallzieher (41.).

In der zweiten Halbzeit war der Gastgeber dann einerseits zielstrebiger, was vor allem für Lewandowski galt, der nach einer Ecke von James Rodríguez (63.) zur ersten Münchner Führung des Nachmittags traf. Immer wieder hatte der FC Bayern jetzt Minuten, in denen er die Gäste zurückdrängte, in denen die individuelle Qualität für viele gute Szenen reichte. So parierte Pavlenka einen scharfen Schuss des eingewechselten Arturo Vidal (61.). Oder die Bremer blockten innerhalb von wenigen Sekunden erst einen Schuss von Lewandowski ab, und dann einen von Ribéry (69.).

Zwischendurch hatte der FC Bayern allerdings auch immer wieder Aussetzer. Das zeigte sich erstmals in der unglücklichen Szene mit dem zweimal wiederholten Abstoß. Am deutlichsten wurde es allerdings in der 74. Minute - in einer Minute der absoluten Behäbigkeit. Erst verursachte Ulreich mit leichtfertigem Gehopse weit außerhalb seines Tores einen Eckball. Und diesen lenkte dann auch noch Süle ins eigene Tor. Es war eine letzte Warnung - zwei Minuten später traf Lewandowski zum zweiten Mal. Den Endstand erzielte schließlich Müller in der 84. Minute mit seinem 100. Bundesligator.

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"Beide Tore waren gut. Deswegen nehme ich den Tag heute mit ins Bett", sagte Müller.

Für den FC Bayern war es ein glücklicher Sonntag, einerseits. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass es bei der Meisterfeier in dieser Saison noch unangenehm kühle Temperaturen haben könnte.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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