Süddeutsche Zeitung

Zugänge beim FC Bayern:Zeit zum Aufholen

Vier Spieler holte der FC Bayern im Oktober, um seinen Kader zu verbreitern. Nachhaltig überzeugt hat bislang noch keiner - und zwei haben schon große Chancen verpasst.

Von Sebastian Fischer

Robert Lewandowski war die kürzeste Winterpause seiner Karriere wahrscheinlich zu lang. Jedenfalls war der Stürmer des FC Bayern, frisch von der Fifa als Weltfußballer geehrt, gleich am ersten Tag nach Weihnachten schon wieder unterwegs, um seinen nächsten Preis abzuholen. Er gewann in Dubai den "Globe Soccer Award" als bester Spieler des Jahres - und flog dafür persönlich in die Vereinigten Arabischen Emirate. Es handele sich um eine "48-Stunden-Geschäftsreise", alle Corona-Regeln würden eingehalten, sagte seine Sprecherin der Bild-Zeitung.

Nun waren es wohl nicht unbedingt solche Unternehmungen, die sein Kollege Thomas Müller meinte, als er nach dem 2:1 vor Weihnachten im Spitzenspiel bei Bayer Leverkusen anmahnte, in der kurzen, nur rund eine Woche langen Urlaubszeit "die Beine nicht zu sehr" hochzulegen. Interessanter war da schon, was etwa Douglas Costa im Urlaub so trieb. Zunächst, an Weihnachten, verbreitete er auf seinen Kanälen in den sozialen Medien ein Bild, das nach Gemütlichkeit aussah: Mit seiner Lebensgefährtin posierte er vor einem Weihnachtsbaum, derart hell erleuchtet, dass man ihn vielleicht vom Weltraum aus sah. Am Sonntag zeigte er sich dann aber schon wieder beim Lauftraining, inklusive Beweisfoto von seiner Fitness-Uhr.

Wenn der FC Bayern an diesem Dienstag das Training in Vorbereitung auf den Wiederbeginn der Liga am kommenden Wochenende aufnimmt, dann ist Costa, 30, einer jener Spieler, von denen sie sich in München eine Leistungssteigerung erhoffen dürften. Seit Oktober ist der Brasilianer von Juventus Turin für eine Saison ausgeliehen. Er habe noch Aufholbedarf, hieß es damals über den Rückkehrer. Nun, rund drei Monate später, sollte er aufgeholt haben. Und mit diesem Vorhaben ist er nicht allein.

Bevor am Sonntag der Tabellenvorletzte Mainz 05 zu Gast ist, geht für die Bayern ein herausragendes Jahr mit fünf Titeln zu Ende. Das bedeutet zunächst noch mal berechtigten Grund zu großer Zufriedenheit - aber es bedeutet auch, dass ein neues Jahr beginnt, das eigentlich kaum besser werden kann. Und 2021 ist die Belastung weiterhin so hoch, wie es den Kader im Dezember manchmal schon an Grenzen führte. Sieben Partien inklusive eines Nachholspiels im DFB-Pokal stehen allein im Januar im Kalender, danach beginnt für die Bayern die Klub-WM in Katar.

Um dem zu begegnen, hatte Sportvorstand Hasan Salihamidzic Anfang Oktober, am letzten Wochenende der verlängerten Sommer-Transferperiode, nicht nur Costa zurückgeholt, der von 2015 bis 2017 schon mal in München war. Es kamen zur Ergänzung des Kaders auch Eric Maxim Choupo-Moting, Marc Roca und Bouna Sarr. Doch ähnlich wie bei Nationalspieler Leroy Sané, dessen kritische Begutachtung durch sämtliche Fußballexperten des Landes eines der Dauerthemen der vergangenen Monate war, ist es auch den weniger prominenten Münchner Neuen noch nicht so recht gelungen, mit nachhaltig starken Leistungen auf sich aufmerksam zu machen.

Choupo-Moting, 31, hat hinter Lewandowski die gleichermaßen komfortabelste wie undankbarste Rolle: Er soll den besten Stürmer der Welt ersetzen, der sich ausgesprochen ungern ersetzen lässt. Neulich, in der Champions League gegen den Gruppenletzten Lok Moskau, schoss er immerhin mal wieder ein Tor.

Mehr Einsatzzeit sehen eigentlich die Rollen von Sarr und Roca vor. Auf ihren Positionen, außen in der Viererkette und im zentralen Mittelfeld, ergaben sich auch bereits personelle Engpässe. Doch als Rechtsverteidiger Benjamin Pavard nach konstant verhaltenen Leistungen zuletzt aus der Startelf flog, ersetzte Trainer Hansi Flick ihn nicht etwa mit dem Rechtsverteidiger Sarr, sondern änderte sein System, sodass rechts hinten Innenverteidiger Niklas Süle spielte. War der Franzose Sarr, 28, in den vergangenen Monaten auf dem Platz, dann gehörte sein Vorname oft zu den meistgerufenen unter den Kollegen, aber das war nicht immer als Lob gemeint. Er lief zwar mit und ohne Ball immer schnell und viel, aber nicht immer richtig.

Noch augenscheinlicher ist der Aufholbedarf bei Roca, 24, der im Oktober sogar noch einen um ein Jahr länger befristeten Vertrag als Sarr unterschrieb, bis 2025. Als durch die Verletzung von Joshua Kimmich ein Sechser mit seinem Profil gebraucht wurde, saß Roca auf der Bank. Wenn er spielte, in der Liga bisher nur insgesamt 20 Minuten, schien sich der für sein Passspiel gelobte Spanier eher Rück- oder Querpässe zuzutrauen. Viel mehr machte im Mittelfeldzentrum, wenn auch offensiver, der hochtalentierte Jamal Musiala, 17, auf sich aufmerksam. Gegen Mainz dürfte nun Kimmich in die Startelf zurückkehren, der in Leverkusen bereits als Einwechselspieler das späte Siegtor einleitete. Und mit Beginn des neuen Jahres ist ein weiterer Oktober-Zugang fürs zentrale Mittelfeld bei den Profis spielberechtigt, der bislang nur in der Drittliga-Mannschaft der Bayern zum Einsatz kam: Tiago Dantas, 20, geliehen von Benfica Lissabon.

Bleibt also Douglas Costa, der zwar eher kein Spieler für die ferne Münchner Zukunft ist, aber in der Gegenwart bislang der meistgebrauchte der Spät-Transfers. Das bedeutete für ihn zwar oft nur Kurzeinsätze als Einwechselspieler auf dem Flügel, aber immerhin ein paar schöne Dribblings, drei Torvorlagen und einen Treffer. Was sein Fitness-Programm nach Weihnachten angeht, begegnete ihm in den Kommentarspalten allerdings liebevolle Skepsis. Seine Uhr zeigte für 10,01 Kilometer eine Zeit von 48:24 Minuten an. Sein früherer Mitspieler in Turin, der Schweizer Stephan Lichtsteiner, kommentierte das mit einem küssenden und einem lachenden Smiley - und mit einer Schnecke.

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