FC Bayern:Zum Fest der nächste überforderte Gegner

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Verlieren und gratulieren: Wolfsburgs Trainer Florian Kohfeldt mit Robert Lewandowski und Thomas Müller. (Foto: Sascha Walther/Imago/Eibner)

56 Tore, 43 Punkte, das ist die Bilanz des FC Bayern nach der Hinrunde. Das 4:0 gegen Wolfsburg zeigt noch mal eindrucksvoll, wie wenig die Bundesliga derzeit mit dem Rekordmeister mithalten kann.

Von Sebastian Fischer

Sein Lieblings-Weihnachtslied haben sie nicht gespielt. Er möge "Stille Nacht, heilige Nacht", hatte Julian Nagelsmann tags zuvor in der Pressekonferenz erzählt, da würden beim Singen am Weihnachtsbaum immer die Tränen "kullern". Aber im Stadion liefen nach dem 4:0 des FC Bayern gegen Wolfsburg eher die englischen Klassiker für die Feiertage. Und als der Trainer die letzten Fernsehinterviews auf dem Rasen gab, war auf der Playlist keine besinnliche Musik mehr vorgesehen. Durch die leere Münchner Arena hallte "Sober" von Pink, eher eine Art Rausschmeißer: "Why do I feel this party's over?"

Es war nach dem letzten von vielen Siegen nicht gerade ein hochemotionaler Jahresabschluss 2021 für den deutschen Rekordmeister. Das lag natürlich vor allem daran, dass in Bayern gerade pandemiebedingt wieder Geisterspiele ausgetragen werden müssen. Es lag aber auch an der Begegnung, deren Ergebnis sich früh und deutlich abzeichnete. Der VfL Wolfsburg, der nun sieben Pflichtspiele hintereinander verloren, die Saison aber immerhin mal als Champions-League-Teilnehmer begonnen hat, stellte sich so tief in die eigene Hälfte, dass es einer Kapitulation gleichkam.

Symptomatisch für die Münchner Überlegenheit war eine Szene kurz vor Schluss, als Jamal Musiala ausgewechselt werden sollte, stattdessen aber Benjamin Pavard vom Platz ging. "Er kam raus und hat auf Französisch gesagt, dass er aufs Klo muss", berichtete Nagelsmann. "Als der Ball auf der anderen Seite war, ist er in den Katakomben verschwunden." Machte aber nichts, "es hat auch so ganz gut funktioniert".

56 Tore hat der FC Bayern in der Hinrunde geschossen, so viele wie keine Mannschaft zuvor. 43 Punkte bedeuten bis Samstagabend neun Zähler Vorsprung vor dem Tabellenzweiten Borussia Dortmund. So schlagbar der Rekordmeister zwischenzeitlich wirkte, obwohl gegen Frankfurt und Augsburg zwei Spiele verlorengingen und auch das rätselhafte 0:5 im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach zu dieser Saison gehört, so sehr deutet trotzdem alles auf den Fortgang der Münchner Dominanz und Titel Nummer zehn in Serie hin. Oder wie Vorstandschef Oliver Kahn bei Sat.1 sagte: "In der Bundesliga sind wir absolut auf Kurs."

Robert Lewandowski erzielt sein 43. Tor im Jahr 2021

Wie die Bayern die Tore erzielten, war aus fußballästhetischer Sicht dadurch nicht weniger beeindruckend. Gerade in der zweiten Halbzeit gingen den Treffern Kombinationen voraus, die auf feinste Abstimmung schließen ließen. Das Spiel schien außerdem dem Muster zu folgen, möglichst viele Geschichten der Hinrunde abzurunden. Thomas Müller traf in seinem 400. Bundesligaspiel schon nach sieben Minuten zum 1:0 und legte später das 2:0 mit seiner 15. Torvorlage der Saison auf, der nächste Rekord. Die Leistung gab seinem Trainer den Anlass, Müllers Wirken und Wesen in Gänze zu loben, von seinem Einfluss auf dem Feld bis hin zu seinen Witzen ("echt klasse").

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Robert Lewandowski erzielte zum 4:0 kurz vor Schluss sein 43. Tor des Kalenderjahres - klar, ein Rekord, Gerd Müller hatte 1972 42 Treffer geschafft. Lewandowski jubelte danach sogar über sein 19. Saisontor, anders als zuletzt bei zwei Toren in Stuttgart. Alles erst mal wieder paletti also, so durfte man das deuten und kann nun abwarten, wie Lewandowski reagiert, wenn ihn das nächste Mal ein Pass nicht erreicht.

Auch die übrigen beiden Torschützen waren zwei Protagonisten der Hinrunde. Das 2:0 erzielte per Kopf Verteidiger Dayot Upamecano, im Sommer der teuerste Einkauf. Sicherheit strahlt der 23-Jährige zwar längst noch nicht immer aus, aber nun hat er sein erstes Tor beim neuen Klub erzielt. Das 3:0, ein in die Ecke gezwirbelter Schuss vom Strafraumrand, war das nächste von vielen schönen Toren von Leroy Sané, den man Bayerns Spieler der Hinrunde nennen kann: Im ersten Heimspiel wurde er von ein paar Fans noch ausgepfiffen. Inzwischen widerlegt er seine Kritiker regelmäßig sogar mit laufintensiver Defensivarbeit.

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Wenn es darum geht, die fast jeden Bundesligagegner überfordernde Offensive zu beschreiben, führt aber nicht nur an erwähnten Protagonisten kein Weg vorbei, sondern auch am Trainer. Nagelsmann, 34, hat den Münchner Fußball wohl am deutlichsten sichtbar vor dem gegnerischen Tor entwickelt. Im leeren Stadion war zu hören, wie Müller seine Kollegen aufforderte, "Chaos" in Wolfsburgs Strafraum zu stiften. Es war eine anschauliche Beschreibung dafür, wie die Münchner regelmäßig mit mindestens der Hälfte ihrer Feldspieler Überfälle auf gegnerische Sechzehnmeterräume unternehmen.

Der Trainer hat es zum Ende der Hinrunde außerdem geschafft, den wegen Corona-Folgen (Joshua Kimmich, Eric Maxim Choupo-Moting) oder leichter Verletzungen (Leon Goretzka, Corentin Tolisso, Kingsley Coman, Niklas Süle) geschwächten Kader trotzdem nicht so klein aussehen zu lassen. Er probierte etwa Musiala erfolgreich als zentral-defensiven Mittelfeldspieler aus. Auch der vorherige Dauer-Reservist Marco Roca neben ihm erfüllte seine Aufgabe.

Dazu passte, was Sportvorstand Hasan Salihamidžić bei Dazn sagte: Einkäufe seien im Winter keine geplant. Er möge keine großen Kader, arbeite lieber inhaltlich mit etwas weniger Spielern, sagte auch Nagelsmann. Und er berichtete, dass er in der Kabine seinen Dank an die Mannschaft und seine Vorfreude auf die Rückrunde ausgedrückt habe.

"Wir können uns auf die heißen Monate März und April freuen", sagte auch Torwart Manuel Neuer. Die wichtigsten Spiele für den FC Bayern finden dann voraussichtlich eher in der Champions League statt.

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