Süddeutsche Zeitung

Frauen-Bundesliga:Die beste Defensive besiegt die beste Offensive

Merle Frohms, Klara Bühl, Lena Oberdorf: Im Spitzenspiel zwischen den Fußballerinnen des FC Bayern und des VfL Wolfsburg zeigen die deutschen Nationalspielerinnen ihr Können - am Ende entscheidet ein Elfmeter.

Aus dem Stadion von Anna Dreher

Alexandra Popp verstand die Welt nicht mehr. Die Kapitänin des VfL Wolfsburg redete auf Schiedsrichterin Fabienne Michel ein. "Wieso denn bitte Elfmeter?", fragte Popp mit entsetztem Blick. Kurz zuvor hatte ihre Mitspielerin Lena Lattwein beim Schuss von Glodis Viggosdottir im Weg gestanden, genauer gesagt: ihr Arm. Michel zeigte auf den Punkt und Lattwein die gelbe Karte, und dann war es also ein Strafstoß in der 84. Minute, der das Spitzenspiel der Bundesliga entscheiden sollte: Georgia Stanway schoss mit all ihrem Selbstvertrauen ins rechte obere Eck das 1:0 für den FC Bayern, unhaltbar für Merle Frohms.

Sechs Spieltage vor dem Abschluss dieser Runde ist den Münchnerinnen damit gelungen, woran sie erst wieder seit der ersten Saisonniederlage des VfL gegen Hoffenheim Anfang März glauben konnten: Sie haben die Tabellenführung vom Titelverteidiger übernommen und könnten Deutscher Meister werden. Mit 43 Punkten liegen sie nun einen Zähler vor ihrem ärgsten Konkurrenten - und feierten zudem den ersten Sieg in diesem Duell seit November 2020 (4:1).

Diejenige, die von den Münchnerinnen zuletzt besonders torgefährlich war, saß überraschend auf der Bank. Lea Schüller hatte die vergangenen vier Bundesliga-Partien getroffen - und auch am Dienstag im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League in der Arena das siegbringende 1:0 gegen den FC Arsenal erzielt. Ihr Fuß schmerze, hatte Schüller mit einem Verband um das erwähnte Körperteil nach dem Königsklassenspiel gesagt, in dem sie gefoult worden war. Ihr Trainer Alexander Straus hatte sich keine Sorgen gemacht: "Sie hat gelächelt nach dem Spiel, es kann also nicht so schlimm sein", sagte er am Dienstag, um am Samstag dann doch Jovana Damnjanovic in die Startelf zu berufen.

Dem VfL gegen Bayerns Frauen hilft zweimal das Aluminium

Mit der 28 Jahre alten Serbin in der Spitze versuchten die Münchnerinnen sich an einem ähnlich furiosen Start wie gegen Arsenal. Die Wolfsburgerinnen jedoch stellten sich entschieden in den Weg - und fanden ihrerseits kaum Lücken, wenn sie sich in den Strafraum aufmachen wollten. Die ersten Minuten gestalteten sich so, wie es die Bundestrainerin prophezeit hatte: "Ich erwarte ein sehr taktisch geprägtes und ausgeglichenes Spiel", hatte Martina Voss-Tecklenburg gesagt. Ihre Torhüterin in der Auswahl, Merle Frohms, wurde nach einer Viertelstunde erstmals so richtig durch Nationalteamkollegin Klara Bühl mit einem Distanzschuss getestet.

Dank Bühls Zweikampfstärke konnte Frohms wenige Minuten später den 2500 Zuschauern im ausverkauften Campus-Stadion erneut zeigen, wie hoch sie springen und wie lang sie sich strecken kann. Und obwohl ihr hierfür beste Haltungsnoten zu geben wären, hätte sie dennoch keine Chance gehabt, wenn Georgia Stanway etwas präziser abgezogen hätte. So prallte der Ball aus 18 Metern mit einem lauten Knall von der Latte zurück ins Feld. Nach einer knappen halben Stunde half dem VfL wieder das Aluminium. Nach einer Ecke lenkte Frohms einen Kopfball von Sydney Lohmann an die Latte, der Ball sprang gerade so vor der Linie auf - und hätte ihn Dominique Janssen dann im Aufsteigen nicht weggeschossen, wäre das wohl der Führungstreffer für die Gastgeberinnen gewesen. So blieb die Frage, was die Torlinientechnik angezeigt hätte.

Dass in diesem Duell mit dem FC Bayern die beste Defensive auf dem Platz stand, machte sich stärker bemerkbar als die Tatsache, dass der VfL mit 52 Treffern in der Offensiv-Statistik deutlich führt. Die Wolfsburgerinnen mühten sich, aber im Angriff setzten in der ersten Halbzeit vor allem die Münchnerinnen Akzente.

Über dem Stadion hatte sich vor den dunkelgrauen Regenwolken ein imposanter Regenbogen ausgebreitet, doch so romantisch wie am Himmel ging es auf der Erde keineswegs zu. Wie viel Druck auf dieser Partie lag, wurde kurz vor der Pause für alle deutlich sichtbar. Nach einem Foul von Stanway an Felicitas Rauch landete der Ball bei Sydney Lohmann. Dort blieb er nicht lange, denn Lena Oberdorf rauschte in ihre Nationalteamkollegin hinein - und lag Sekunden später selbst auf dem Rasen, weil die aufgebrachten Lohmann und Lina Magull sie schwungvoll zur Rede stellten, was in einem Schubser gipfelte, der zu einer kleinen Rudelbildung und einer Menge Diskussion führte. Schiedsrichterin Michel bewertete die Situation mit einer gelben Karte für Oberdorf und Magull.

In drei Wochen treffen die beiden Teams erneut aufeinander

Dass Lea Schüller weniger am Fuß, sondern die vergangenen Tage an einem Infekt gelitten hatte, gab Straus Gelegenheit zu reagieren, in der 55. Minute kam sie für Damnjanovic. Der frische Wind, den Schüller bringen sollte, wehte dann aber eher auf der anderen Seite, erst Alexandra Popp und dann Ewa Pajor kamen zu guten Chancen, bevor auch VfL-Trainer Tommy Stroot neue Kräfte für die Offensive einwechselte, Tabea Waßmuth kam für Pajor, Sveindis Jonsdottir für Jill Roord. In der 69. Minute landete der Ball über Popp bei Svenja Huth und dann beinahe im Tor, weil FCB-Keeperin Maria-Luisa Grohs nicht richtig zupackte - aber eben nur beinahe. In der 82. Minute scheiterte Lohmann knapp am 1:0, aber der Groll über eine weitere starke Parade von Frohms verflog schnell. Kurz danach war der Elfmeter drin.

In drei Wochen schon treffen die beiden Teams im Pokalhalbfinale aufeinander - und eine Woche darauf womöglich erneut: Sollten sich die Wolfsburgerinnen kommenden Donnerstag gegen Paris Saint-Germain und die Münchnerinnen am Mittwoch bei Arsenal im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League durchsetzen, wird es auch in der Königsklasse am 22. und 29. April ein Halbfinale in dieser Besetzung geben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5775587
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/nee/bek
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.