FC Bayern:Wehmut bei Boateng

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  • Der FC Bayern gewinnt seinen Sommer-Test 1:0 gegen Manchester United.
  • Über die Zukunft von Jérôme Boateng wird weiter spekuliert. Er soll den Verein verlassen wollen.
  • Manchester United gilt als Interessent für den Innenverteidiger.

Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Irgendwann durfte auch noch ein Mensch namens Tahith Chong ein wenig Sport treiben in der Münchner Bullenhitze. Und damit war dann eigentlich alles zu diesem Abend gesagt. Chong, das sei Interessierten ans Herz gelegt, ist ein 18-jähriger Rechtsaußen von Manchester United, er stammt aus Curaçao, einer Insel der früheren Niederländischen Antillen. Er trägt eine Frisur, die man gesehen haben muss, doch leider blieb sein Beitrag zum 0:1 im Testkick seines Klubs gegen den FC Bayern marginal. Chong spielte nur zwölf Minuten.

Die 75 000 Zuschauer, laut Stadionsprecher eine "Sensation" von einer Besucherzahl, erlebten Sommerfußball feinster Prägung. Und wenn von Sommerfußball die Rede ist, weiß der Experte: Es ist nicht allzu viel passiert. Ein Tor von Javi Martínez (60. Minute), haushoch überlegene Bayern gegen eine maue United-Elf, exakt 15 Auswechslungen.

Sportlich lieferte die Begegnung kaum Erkenntnisse. Doch dafür gab es nach Spielende und am Stadionausgang Berichtenswertes zu Jérôme Boateng.

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Aus dem Stadion von Sebastian Fischer

Kovac hat drei "fantastische Innenverteidiger"

Der Bayern-Verteidiger hatte 45 Minuten mitgespielt, er hatte eine für ihn typische Halbfeldflanke zu einem Tor von Arjen Robben geschlagen, doch der Treffer zählte wegen Abseits nicht. Wichtiger war, was sich hinterher abspielte. Da trottete er ein wenig wehmütig an den Spielfeldrand und applaudierte den Zuschauern. Es könnte sein, dass es sein Abschied vom Volk in der Südkurve war. Pünktlich zum Schlusspfiff vermeldete nämlich die Sport Bild, dass Boatengs Berater ausgerechnet mit dem Gegner des Abends über einen Transfer verhandelt. Er steht offenbar vor einem Wechsel zu Manchester United, diese Nachricht verlieh diesem Saunaabend etwas Abkühlung.

Eine erste Einschätzung lieferte schließlich Niko Kovac. "Ich habe drei fantastische Innenverteidiger und bei Jérôme gibt es meines Wissens nichts Neues", sagte der Bayern-Trainer, was insofern glaubhaft ist, als dass er sich bereits mehrfach so geäußert hat. Er würde sich freuen, wenn Boateng bliebe. Andere klangen skeptischer, etwa Sportdirektor Hasan Salihamidzic: "Sie wissen ganz genau, dass wir darüber nichts sagen." Ein kategorisches Nein zu einem Verkauf Boatengs war das nicht und auch Manuel Neuer konnte die Abschiedsstimmung kaum verbergen: "Jérôme würde uns natürlich fehlen, es wäre schade, wenn er ginge."

Boateng selbst sagte übrigens auf recht laute Art nichts, er schlenderte handytippend mit Kopfhörern am Ohr zum Bus. Selbst intensives Händewedeln der Reporter ignorierte er. Boateng und die Bayern, diese Geschichte scheint also ihrem Ende entgegenzutrudeln und es sieht so aus, als würde sich noch in dieser Woche ein Abschluss ergeben. United startet am Freitagabend gegen Leicester in die Premier League, dann ja vielleicht schon mit dem Nationalspieler, der Manchester noch aus seiner Zeit bei City kennt. Bisher war die Sachlage so, dass der Spieler sich die Situation unter dem neuen Trainer schon noch ganz gerne angeschaut hätte und Kovac selbst ihn auch gerne halten würde.

Doch insbesondere Karl-Heinz Rummenigge sieht das offenbar anders. Der Vorstandsboss des FC Bayern ließ zuletzt keine Gelegenheit aus, um einen Verkauf des 29-Jährigen ins Spiel zu bringen - bei einem entsprechend hoch dotierten Angebot. Eine Summe von knapp 50 Millionen sollte es schon sein, aber dann gerne, so die Interpretation. Schon länger scheint man beim Rekordmeister nicht mehr so ganz davon überzeugt zu sein, dass der aktuelle Boateng noch einmal so gut wird wie der Boateng von 2014.

Erst hielten sich Gerüchte um ein Geschäft mit Thomas Tuchel und den Scheichs von Paris Saint-Germain, ehe Paris bemerkte, dass man dafür erst einmal durch ein paar illustre Verkäufe dem Financial Fairplay Rechnung tragen müsste. Dann kehrte Boateng aus dem WM-Urlaub zurück, reihte sich im Trainingslager am Tegernsee ein und jetzt nahmen er und United offenbar die Gelegenheit für Vertragsgespräche wahr, als der Tross von United ohnehin in München weilte. Die Bayern würden mit Boateng einen Profi verlieren, dessen Verletzungshistorie wohl das Vertrauen in seine sportlichen Qualitäten schwinden ließ.

Süle ist langfristig als Stammspieler eingeplant

Schulter, Muskeln, Oberschenkel, das sind relevante Körperstellen, die beim Körperfußballer Boateng zuletzt öfters wehtaten. Hinzu kommen gewisse Nebentätigkeiten des gebürtigen Berliners, die von Instagram über Geschäftstreffen mit dem Rapper Jay-Z in New York bis zu einem Brillen-Label reichen, was Rummenigge schon Ende 2016 auf seine Weise tadelte: "Es wäre im Sinne von ihm und dem des ganzen Klubs, wenn er mal wieder ein bisschen back to earth runterkommt." Am Ende könnte mit Jérôme Boateng nach Arturo Vidal der nächste Fußballer aus der Kategorie "Typen und Tattoos" München verlassen.

Es ist ein nötiger, wenn auch etwas riskanter Umbruch, schließlich müssen die Bayern ihre Mannschaft verjüngen, ohne gleichzeitig Qualität einzubüßen. Der Zukauf des Stuttgarters Benjamin Pavard wird Boatengs Lücke langfristig füllen, auch Niklas Süle soll sich als Stammspieler neben Mats Hummels entwickeln. So ließ das große Schwitzen gegen Manchester in der Vorbereitung auch diesen Schluss zu: Der FC Bayern hat angefangen, ein paar unangenehme Personalentscheidungen zu treffen. Tahith Chong, den Frisurenkönig von United, wird man aber eher nicht holen.

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