Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Was plant Guardiola mit Müller?

Lesezeit: 3 min

Von Benedikt Warmbrunn, München

Pep Guardiola verzweifelte. Die Anweisung war doch eindeutig gewesen, er hatte es gerufen, er hatte es vor allem mit Händen und Füßen in die Frühlingsluft und auf den Frühlingsrasen gezeichnet, ein paar Schritte zurück, jetzt nicht zu schnell handeln, mehr wollte er ja gar nicht, seine Mannschaft führte doch. Aber der Adressat wollte nicht auf ihn hören, er stand immer noch ein paar Meter zu weit vorne, machte mit seinem Stursinn die schöne komplexe Taktik Guardiolas kaputt. Der Trainer des FC Bayern rief und fuchtelte noch einmal, dann endlich war seine Anweisung angekommen. Der vierte Offizielle ging ein paar Schritte zurück, ließ seine kleine Leuchttafel wieder sinken, auf der er bereits einen Wechsel angekündigt hatte.

Eine Minute später nickte Guardiola dem vierten Offiziellen wieder zu, ein paar Schritte nach vorne, leuchtende Zahlen auf der Leuchttafel, Jérôme Boateng ging raus, David Alaba kam rein. Applaus für Boateng, Guardiola beruhigte sich. War gerade noch einmal gutgegangen.

Guardiola nominiert eine erstklassige Ersatzbank

Dieses Samstagsspiel in der Bundesliga gegen Borussia Mönchengladbach war für den Trainer durchaus ein Spiel, in dem Punkte zu gewinnen waren, das schon; für ihn war es jedoch vor allem ein Spiel, in dem er vor der vielleicht wichtigsten Partie seiner drei Jahre in München testen konnte, welche Anweisung auch im Rückspiel des Halbfinales der Champions League am Dienstag gegen Atlético Madrid als Anweisung gebraucht werden kann, und welche nicht.

Dass der vierte Offizielle auf ihn hörte, war ein willkommener Nebeneffekt, aber es ging Guardiola um andere Dinge - und dass das mit dem Ergebnis beim 1:1 gegen Mönchengladbach gerade so noch einmal nicht gutgegangen war, war für ihn ein unwichtiger Nebeneffekt. Wird der FC Bayern eben nächstes Wochenende in Ingolstadt Meister. Oder übernächstes, zu Hause gegen Hannover.

Dieses Spiel gegen Mönchengladbach hatte Guardiola unübersehbar dem Rückspiel gegen Atlético untergeordnet. Er nominierte eine erstklassige Ersatzbank (Thiago, Lewandowski, Costa, Lahm, Vidal, Alaba und natürlich Sven Ulreich). Er gab Spielern Einsatzzeiten, die sonst von derart intensiven Anweisungen nur träumen, wie sie der vierte Offizielle anhören durfte. So spielte Sebastian Rode wieder einmal im Mittelfeld, und Serdar Tasci durfte sich in der sechsten Minute für ein Tor feiern lassen, bei dem er den Ball mit der Fußsohle verfehlt hatte; erzielt hatte es Thomas Müller. Der wichtigste Test war jedoch der mit Jérôme Boateng.

99 Tage lang hatte der Innenverteidiger aufgrund einer Adduktorenverletzung gefehlt, seit dem ersten Rückrundenspieltag. Guardiola stellte ihn in das Zentrum einer Dreierkette, rechts daneben Medhi Benatia, links Tasci. "Wir wollten Jérôme helfen", erklärte Guardiola, "mit Benatia und Serdar ist innen weniger Platz zu verteidigen." Es war dann immer noch so viel Platz zu verteidigen, dass Boateng gleich nach 75 Sekunden sein erstes Kopfballduell bestreiten durfte, er gewann es gegen André Hahn.

Ansonsten war für ihn vor allem viel Platz im Spielaufbau, mit Blick auf das Halbfinale am Dienstag dürfte Guardiola dabei aber aufgefallen sein, dass Boateng in seinen präzisen langen Bällen noch ein bisschen das Präzise und gelegentlich auch das Lange fehlte. "Es waren anfangs schon einige Fehlpässe dabei. Das Gefühl auf dem Platz ist für mich noch etwas neu nach so langer Pause", sagte Boateng.

Guardiola kündigte eher verhalten an: "Wir müssen schauen, wie seine Kondition nach diesem Spiel ist." Boateng kann immerhin für sich geltend machen, dass das Gegentor durch André Hahn vier Minuten nach seiner Auswechslung fiel (72.).

Ansonsten war der Erkenntnisgewinn bescheiden, allein Mario Götze dürfte sich endgültig aus Guardiolas Gedanken herausgespielt haben. Dass er dabei war, fiel erst bei seiner Auswechslung auf. Ihn verabschiedeten die Fans mit Pfiffen.

Bleibt die Frage: Was plant Guardiola mit Thomas Müller?

Beim Hinspiel in Madrid hatte er auf ihn verzichtet, nun spielte er in der Elf der Vernachlässigten durch. Anschließend dachte Guardiola im Presseraum laut nach. Er dachte nach über seine übergeordnete Idee: "Meine Idee ist: gut aufbauen, dann viel passen, viel passen." Er dachte nach über die Flügelspieler, die ihm schon in Madrid wichtig waren. "In diesen Situationen brauchst du Spieler zum Eins-gegen-eins", deswegen habe er Costa geschont, dieser sei schließlich "ein Spieler mit vielen Minuten in den Beinen".

Guardiola dachte nach über ein stabiles Zentrum: "Hast du Xabi Alonso, hast du Arturo, hast du Philipp Lahm in der Mitte, spielst du auf eine andere Art und Weise." Und Guardiola dachte nach über Thiago, den er am Samstag spät eingewechselt hatte: "Thiago hat keine Angst", nicht einmal vor Ballverlusten, deswegen schätze er, Guardiola, ihn in den wichtigen Spielen so sehr. Über Müller, der für Guardiola nicht der ideale Passspieler ist, der kein Flügelspieler ist, der kein Spieler für ein stabiles Zentrum ist, dachte Guardiola nicht nach, zumindest nicht laut.

Müller bewarb sich daher selbst, er warte "ganz entspannt" auf die Aufstellung, er sei aber "natürlich heiß". Wer weiß, ob ihm das hilft für einen Platz in der Startelf, aber Angst hat Müller offensichtlich also auch keine.

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SZ vom 02.05.2016
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