FC Bayern vor Rafinha-Transfer:Nickliger Giftzwerg aus Brasilien

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Wechselt der Brasilianer Rafinha zum FC Bayern, bekämen die Münchner einen temperamentvollen und vor allem offensivstarken Anschieber hinzu. Nebenbei wappnet sich der Klub auch für den Fall, dass Bayer Leverkusen Arturo Vidal nicht ziehen lässt.

Moritz Kielbassa, Frankfurt

Im sonnendurchfluteten Innenhof der Villa Kennedy, des DFB-Mannschaftshotels in Frankfurt, nahm Philipp Lahm bei den Presseterminen am Montag, aus seiner Sicht, links außen in der braunen Rattan-Sitzgruppe Platz. Das war Zufall - und ein Symbol. Lahm, der frühere Links- und aktuelle Rechtsverteidiger des FC Bayern und der Nationalelf, soll in der Münchner Abwehr fortan wieder in den linken Außendienst geschickt werden.

Wiedersehen in München? Rafinha (links) und Franck Ribéry. (Foto: dpa)

Joachim Löw plant für diesen Fall denselben Zug. Der Bundestrainer ist sich einig mit seinem Kapitän: "Es ist besser", gab Lahm nach dem 2:1 gegen Uruguay zu Protokoll, "auf einer Seite durchzuverteidigen" - und nicht fürs Vaterland am einen Flügel und für den Verein vis-à-vis.

Dass Lahms Reise zurück nach links geht, belegen die Dispositionen der Bayern. Bereits in München gelandet für medizinische Untersuchung und Vertragsunterzeichnung ist jener Spieler, der bei Jupp Heynckes Lahms alte Planstelle rechts übernehmen könnte, bei Jogi Löw leider nicht: Marcio Rafael Ferreira de Souza, Künstlername: Rafinha.

Kampfname wäre treffender. Der Brasilianer, 25, gilt als nickelig, giftig, temperamentvoll, als offensivstarker Anschieber von hinten - und als topfitter Profi, trotz zuweilen lebensfroher Freizeitgestaltung. Beim FC Schalke haben sie Rafinha mit allen Stärken und Macken fünf Jahre lang kennengelernt, 2005 kam er vom Coritiba FC in den Ruhrpott, 2010 ging er zum FC Genua, Schalke wurde reich entschädigt, mit angeblich neun Millionen Euro.

Ein Jahr zuvor hatten die Bayern erstmals Rafinhas Ankauf erwogen, doch Louis van Gaal, gerade Trainer geworden, wollte neben Lahm keinen zweiten Außenverteidiger ohne Gardemaß. Jupp Heynckes zeigt am Kraftbündel Rafinha - 1,71 Meter groß, 66 Kilo schwer - mehr Interesse als sein Vorgänger aus Holland, dessen Ära die Bayern sehr, sehr deutlich abwickeln.

Als Alternative für rechts hinten galt bisher Arturo Vidal, bei der Arbeit ebenfalls, im charmanten Sinne, ein Giftzwerg. Doch ob Heynckes seinen chilenischen Liebling aus Leverkusen mitbringen darf, ist fraglich. Bayer 04 sperrt sich nach Aussage des knorrigen Geschäftsführers Holzhäuser gegen einen Verkauf an den Direktkonkurrenten Bayern, zumal Vidals Heimatklub Colo Colo 30 Prozent der Millionenablöse abgreifen würde.

Vidals Kernfähigkeiten liegen ohnehin im defensiven Mittelfeld. Einen weiteren Bewohner der Villa Kennedy, den zur Reha nach Frankfurt gereisten Nationalspieler Jerome Boateng, wollen die Bayern von Manchester City holen, auch der könnte notfalls rechts verteidigen, soll es aber bei Heynckes innen tun.

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Rafinha ist reinrassiger Rechtsverteidiger. Bei Genua spielte er in der ergrauten italienischen Liga zuletzt im Mittelmaß, es passte zu seiner zähen Saison, dass ihn der Trainer zeitweise im Mittelfeld fehlpostierte. Nur einen Höhepunkt erlebte Rafinha: Im Stadtderby schoss er das Siegtor gegen das abgestiegene Sampdoria, damit eroberte er im Nu die Fanherzen. Am Wochenende verriet Präsident Enrico Preziosi bereits im Rundfunk, Rafinha wolle nach Deutschland zurückkehren. Für eine Summen zwischen fünf und sechs Millionen Euro können ihn die Bayern offenbar haben und bis 2014 anstellen.

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Rechts wäre er die neue Rückendeckung für Flügelangreifer Arjen Robben, dem eine verlässliche defensive Absicherung nicht schadet - Lahm soll diesen Schutz künftig wieder links dem nicht minder schutzbedürftigen Franck Ribéry gewähren. Rafinha hat Qualitäten für beide Spielrichtungen: "Er kann sich hinten einigeln - und plötzlich nach vorne abgehen wie die Feuerwehr", charakterisierte einst Mirko Slomka, als Trainer von Schalke, Rafinhas Stil.

Wo dessen Leistungslimit liegt, ließ sich bisher schwer ermitteln, dafür gab es zu selten internationale Prüfungen auf Spitzenniveau. In Brasiliens Seleção hatte Rafinha erst einen Einsatz. Als er 2008 mit der Olympia-Auswahl in Peking antrat, bekam er Ärger mit Arbeitgeber Schalke.

Rafinha polarisiert: mit seinem Jähzorn, manchmal rüdem Spiel, der Lust zur Provokation des Gegners und seiner Dickköpfigkeit. 2009, als Medien am Tag eines Heimspiels voreilig seinen Transfer zu Bayern meldeten, pfiffen ihn Schalkes Fans aus. Mit Felix Magath, dem alten Trainer, waren die menschlichen Verwerfungen so groß, dass Rafinha Reißaus über die Alpen nahm, doch Probleme mit Magath, wer hat die nicht?

Andere frühere Trainer und Manager brachen Lanzen für Rafinha, sie widersprachen seinem Rabauken-Image und lobten ihn als Fußballer mit viel Herz und Fleiß, der immerzu die Grenze des Machbaren suche.

Im Kader des FC Bayern fehlte zuletzt so ein Unbeugsamer, Unbequemer, ohne Kompromisse im Zweikampf; einer, der den Gegnern weh tut. Diese Mark-van-Bommel-Attitüde würde Rafinha durchaus mitbringen.

© SZ vom 31.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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