FC Bayern vor der Rückrunde:Die Harlaching Globetrotters

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Xabi Alonso und Bastian Schweinsteiger haben alles erlebt, aber zusammen Fußball gespielt haben sie fast noch nie. Wie gut sie beim FC Bayern harmonieren, könnte vor allem in der Champions League entscheidend sein.

Von Christof Kneer

Einhundertelf. Das ist eine Zahl, unter der man sich bei Bastian Schweinsteiger und Xabi Alonso einiges vorstellen könnte. Man könnte an Länderspiele denken oder an Ballkontakte, aber am Ende passt die schöne Zahl nur fast. Bei Länderspielen liegen beide knapp darunter (Alonso 109 - Schweinsteiger 108), bei Ballkontakten an einem normalen Tag weit darüber (111 Ballkontakte schaffen sie, wenn sie in der 60. Minute eingewechselt werden).

Die 111. Spielminute würde sich auch noch aufdrängen als Assoziation, diese Minute haben die beiden in ihren Karrieren immer wieder erlebt, in den Verlängerungen der ganz großen Spiele. Vor einem halben Jahr gab es zum Beispiel ein recht großes Spiel in Rio, und in diesem Spiel könnte die 111. Minute ungefähr jene gewesen sein, in der sich Schweinsteiger zum dritten oder siebten Mal tackern ließ.

Alonso und Schweinsteiger waren beim Wunder von Bern noch nicht dabei, aber sie können es nur knapp verpasst haben. Sie müssen kurz nach dem Fußball erfunden worden sein, man hat das Gefühl, die beiden spielen schon immer. Aber gemeinsam, im selben Trikot, haben sie in all den Jahrzehnten und Jahrhunderten nur 111 Minuten gespielt, gegen Ende der Vorrunde, als Schweinsteiger allmählich aus jener Verletzungspause zurückkehrte, die nach dem Finale von Rio begonnen hatte.

111 - das ist die Zahl, die geradezu skandalös niedlich wirkt angesichts der Ewigkeit dieser beiden Würdenträger.

Die "111" ist auch eine jener Zahlen, die Spannung für jene Rückrunde garantiert, in die der FC Bayern in Wolfsburg startet. Denn es geht in den nächsten Monaten nicht nur darum, ob noch Schnee liegt, wenn Bayern Meister wird und ob Manuel Neuer jemals noch ein Gegentor kassiert. Es geht auch darum, ob die Bayern am 6. Juni einen Termin im Berliner Olympiastadion haben werden - ob Pep Guardiola also diesmal dabei ist, wenn der Champions-League-Sieger gekürt wird.

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In der vergangenen Saison war Guardiola nicht dabei - auch, weil er im zentralen Mittelfeld zur falschen Würzmischung gegriffen hatte; Schweinsteiger und Toni Kroos standen damals alleine Real Madrid gegenüber.

"Will ernsthaft jemand deren Robustheit in Frage stellen?"

Es ist auch diese Vorgeschichte, die diese 111 Minuten so interessant macht. Denn die Frage lautet ja: Sind die aus Film, Funk und Fernsehen bekannten Xabi Alonso, 33, und Bastian Schweinsteiger, 30, jung genug, um sich noch so aneinander zu gewöhnen, dass sie auch gegen Real Madrid oder den FC Chelsea ein zeitgenössisches Duo abgeben können, das im Zentrum einerseits die eigene Abwehr beschützt und andererseits das Spiel in Räume verlagert, die dem Gegner weh tun?

"Für gute Fußballer darf es kein Problem sein, miteinander Fußball zu spielen", sagt Sportchef Matthias Sammer, der sich "da überhaupt keine Sorgen" macht. Sammer war selbst mal das, was man heute einen Sechser nennen würde, er kennt die Tücken und Lücken auf dieser Position, und er kennt auch die Fragen, die manche Experten dem Charismatiker-Duo Alonso/Schweinsteiger nachrufen. Bleiben sie überhaupt dauerhaft fit? Taugen die weit gereisten Körper noch für modernen Tempofußball? Sind sie schnell genug in der Rückwärtsbewegung?

Xabi Alonso und Schweinsteiger sind Spieler, deren Namen von anderen Spielern stets mit einem ehrfürchtigen Raunen genannt werden, aber es kann sich keiner darauf verlassen, dass der Gegner das Kontern vergisst, nur weil er gerade mit Raunen beschäftigt ist.

Alonso und Schweinsteiger sind so etwas wie die Harlaching Globetrotters, sie touren durch die Arenen, um Menschen glücklich zu machen und ihnen zu beweisen, dass es sie wirklich gibt. Sammer ist aber auf sehr kämpferische Art überzeugt, dass hinter der Aura immer noch handfeste Sportler stecken, die das Spiel nicht nur erhaben steuern, sondern auch für niedere Dienste taugen. "Xabi Alonso hat in England gespielt und alles gewonnen, und Schweinsteiger war im WM-Finale dreimal tot und ist immer wieder aufgestanden", ruft Sammer, "will da ernsthaft jemand ihre Robustheit in Frage stellen?"

Auch Pep Guardiola war als Spieler das, was man unter Umständen einen Sechser nennen könnte, und als Trainer hat er heute eine sehr präzise Idee davon, wie Spieler im Zentrum spielen sollen. Er will da Spieler, die mindestens alles können, sie sollen Phantasie haben, das Spiel im Fluss halten, Bälle sichern, vorne und hinten sowie rechts und links Augen haben, sie sollen mit präziser Risikoabwägung Zweikämpfe führen, sie sollen der Abwehr Ruhe und ein gutes Gefühl geben.

Dem Gegner sollen sie gar kein gutes Gefühl geben, der Gegner soll sich nachher ruhig bei der Fifa beschweren, weil die Bayern wieder 13 Mann auf dem Platz hatten. Dieses nicht ganz schmale Aufgabenprofil führt dazu, dass Guardiola gern den schlauen Philipp Lahm im Herzen des Spiels postiert, aber es dürfte März werden, bis der Kapitän sich wieder um einen Zentrumsplatz bewirbt.

Lahm, Schweinsteiger und Xabi Alonso könnten übrigens auch nebeneinander spielen, sagt Sammer. Die Fans der Harlaching Globetrotters würden wahrscheinlich heulen vor Freude.

Diese drei hohen Herren werden das Zentrum also erst mal unter sich aufteilen, Javi Martínez und Thiago werden erst mittelfristig (Martínez) oder sehr mittelfristig (Thiago) zurückerwartet. Wem die Münchner ihr Zentrum langfristig anvertrauen, nach Alonso und Schweinsteiger, die beide nur bis 2016 gebunden sind, ist die vielleicht spannendste Frage, die der Verein zu lösen hat.

Im Stillen jonglieren Sammer und Manager Michael Reschke längst mit Namen, David Alaba spielt bei den Jonglagen eine zentrale Rolle, der verliehene Pierre-Emile Hojbjerg ebenso, und auch auf den im Sommer erwarteten Zugang Joshua Kimmich, 19, habe Guardiola "richtig Bock", sagt Reschke. Immerhin: Philipp Lahm hat noch einen Vertrag bis 2018.

© SZ vom 30.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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