FC Bayern vor dem Spiel in Dortmund:"Da ist manchmal auch Zufall dabei"

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Seit Philipp Lahms Rückkehr auf die rechte Abwehrseite ist das Spiel des FC Bayern wieder ausbalanciert. Die Bilanz seit dem Wechsel: neun Pflichtspielsiege und eine harmonische Statik. Dabei geschah alles nicht geplant, sondern wegen einer Erkältung. Manchmal ist Fußball ganz einfach.

Andreas Burkert

Die Nachricht tauchte ganz unten in Meldung Nr. 20 auf, die der FC Bayern im März aufsetzte. Vorletzter Absatz, zweiter Satz: "Dabei muss Heynckes aber auf den Grippe-kranken Rafinha verzichten." Niemand hat dieser Krankmeldung vor dem Spiel gegen Hoffenheim irgendeine Bedeutung beigemessen. Doch im Rückblick lässt sich sagen: Selten zuvor hat der FC Bayern von einem Schnupfen so profitiert.

Bei Rafinha, 26, das ist wichtig zu erwähnen, handelt es sich laut Kollegen-Angaben um einen prima Typen, und im Gegensatz zu Schalker Zeiten stänkert der Brasilianer auch nicht vernehmbar, obwohl es gerade nicht gut läuft für ihn. Auch mit Rafinha habe man schon tolle Spiele hingelegt, entgegnen sie einem momentan in München, wenn man sie auf die Auswirkungen einer heilsamen Influenza anspricht.

Und es kann natürlich sein, dass die Bayern in Dortmund den Titel verspielen, der BVB läge bei einem Sieg sechs Punkte vorne, und sechs Punkte Vorsprung nach 30 Partien hat noch kein Team vergeben. Doch dass die Bayern es überhaupt wieder in der Hand haben und auch Champions League und Pokal ins Visier nehmen dürfen, hängt mit den Bazillen zusammen, die sich Rafinha vor fünf Wochen einfing. Seitdem ist ihr Spiel wundersam ausbalanciert.

Rafinha rechts hinten in der Viererkette, in der Mitte Boateng und Badstuber, dazu Lahm links, so haben die Bayern die Saison begonnen. Es lief anfangs, abgesehen vom 0:1-Start gegen Gladbach, ziemlich gut. Manchmal wurde Rafinha, im Sommer für 5,5 Millionen Euro Ablöse vom CFC Genua erstanden, von Boateng ersetzt, innen stand dann van Buyten.

Es kam der Herbst, und die Gegner entschlüsselten das etwas statische, auf die Flügelzange Robben/Ribéry kaprizierte Spiel der Münchner. Trainer Jupp Heynckes war in diesen Wochen erfolglos auf der Suche nach jener Formation, die sein Offensiv-Quintett mit Gomez, den Zangenspielern sowie mit Müller und Kroos vereinte; dabei befand sich der Schlüssel woanders: hinten rechts. Dort spielt jetzt wieder Philipp Lahm.

Im Februar, als Rafinha gesperrt war, hatte es Heynckes mal mit Mittelfeldarbeiter Timoschtschuk als Rechtsverteidiger versucht, beim HSV. Ein verwegenes Experiment. Gegen Hoffenheim kehrte also der Kapitän auf seine bevorzugte Position zurück - und der Wiener Allrounder David Alaba, 19, spielte für Lahm links. Hoffenheim verlor 0:7. Die Bilanz seit diesem Testlauf: acht weitere Pflichtspielsiege, eine harmonische Statik - und in Alaba ein Teenager, der mit athletisch-energetischen Auftritten schon ein Favorit des Publikums geworden ist.

Und das alles wegen einer Erkältung. Manchmal ist Fußball ganz einfach.

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Bei Dortmund gegen Bayern geht es nicht nur um Punkte und Pokale - sondern auch um Demütigungen, Reibereien und goldene Streichler. Der große Rückblick zum Bundesliga-Kracher.

Lahm wehrt sich nicht gegen den Eindruck, dass die eher zufällig entstandene Außenverteidiger-Combo mit ihm und Alaba der schon verloren geglaubten Saison eine Wende beschert haben dürfte. "In einer schwierigen Situation muss man auch mal aus dem Bauch heraus etwas verändern und ausprobieren, um einen neuen Impuls zu setzen", sagt er. "Lahm rechts und Alaba links hat sicher auch dazu beigetragen, dass wir jetzt neun Spiele in Serie gewonnen haben."

Grätschen kann Philipp Lahm (hier im Hinspiel gegen Kevin Großkreutz) links wie rechts hinten gleichermaßen gut. (Foto: dapd)

Heynckes wird noch etwas präziser, er sagt: "Wir haben jetzt mit Philipp und David zwei überragende Außenverteidiger, und seit dieser Umstellung ist unser Spiel nicht mehr so berechenbar, vor allem Mario Gomez profitiert davon."

Erst am Samstag gegen Augsburg (2:1) ist der Torjäger wieder Nutznießer gewesen: Lahms tiefes Anspiel auf Vorbereiter Robben entschied ein mutmaßliches Remis-Spiel. Denn Robben hat erkennbar wieder einen Partner, der ihn offensiv unterstützt und hinten konzentriert absichert. Rafinha vermochte das nicht.

Man sollte meinen, Ribéry auf der anderen Seite würde jetzt der alte Gefährte Lahm abgehen. Doch auch mit dem ungemein quicken, technisch versierten Draufgänger und Linksfuß Alaba im Rücken glänzt der Franzose als Triebfeder und Vorbereiter. Alaba wird noch Fehler machen, beim 6:0 in Berlin unterliefen ihm gleich mehrere, wenn auch folgenlos.

Doch sein Spielverständnis, seine Anpassungsfähigkeit, das sichere Passspiel und auch seine Physis erfreuen nicht nur Lahm. Er sagt: "Wenn jetzt noch weitere Erfahrung hinzukommt, dann hat er alle Möglichkeiten, dass ein hervorragender linker Verteidiger aus ihm wird."

Gerade Lahm würde das begrüßen. Rechts, links, rechts, zuletzt wieder links - hin- und hergeschoben wurde der DFB-Kapitän. Dabei fühlt er sich rechts wohler, "ja", sagt er, "ich habe auch nie einen Hehl daraus gemacht". Routinierter, natürlicher erfolgen dort seine Vorstöße; als Rechtsfuß, erklärt er, sei es dort "etwas einfacher in der Defensive, und ich kann dort besser flanken, passen und das Spiel aufbauen".

Bei Alaba verhält es sich ähnlich, der linke ist sein starker Fuß. Austrias Fußballer des Jahres ist zudem ein lernwilliger Schüler; wenn ihn Ribéry anmault wegen zu wenig Tempo, nickt er halt artig. "Ich bin dankbar für meine Chance, Franck hilft mir viel", sagt Alaba. "Ja, manchmal schrei' ich zu ihm", sagt Ribéry. "Er braucht das."

Außenverteidiger von internationalem Format suchen die Bayern seit Jahren. Vor der Saison dachten sie an Domenico Criscito, 25, ein italienischer Nationalspieler, der jetzt sehr passabel in St. Petersburg auf links verteidigt. Die Bayern griffen nicht zu. Sie holten Rafinha. Alabas Glück. Lahms Glück. Bei solchen Fügungen, das hat Heynckes' Assistent Peter Hermann neulich gesagt, "da ist manchmal auch Zufall dabei - Rafinha war krank, und David Alaba hat gleich richtig belebend gewirkt".

Auch von Rafinha gibt es übrigens wirklich gute Nachrichten. Er ist wieder gesund.

© SZ vom 11.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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