FC Bayern vor dem Marseille-Spiel:Mario Gomez, der Unersetzbare

Lesezeit: 3 Min.

Bayern-Stürmer Mario Gomez steht an schlechten Tagen im Zentrum Münchner Debatten. Viele sagen, ihm fehle die Körperspannung, er könne ohnehin nur die einfachen Tore. Doch die Kritik wird ihm selten gerecht - denn Gomez' Torquote bleibt spektakulär.

Andreas Burkert

Vergangene Woche in Marseille ist Mario Gomez erst nach Mitternacht im Teamquartier angekommen, gemeinsam mit Franck Ribéry. Der französische Profi des FC Bayern München hatte seinen Landsleuten im Stade Vélodrome noch lange Auskunft geben müssen zu seiner Rückkehr ans Mittelmeer. Und Gomez war ewig beim Dopingkontrolleur gefordert gewesen, der die Konsistenz der Probe beanstandete. Als er dann mit Ribéry lange nach Eröffnung des Büfetts den Festsaal betrat, brandete Beifall auf. Mario Gomez nahm die Zuneigung reserviert entgegen. Als traue er ihr immer noch nicht.

Noch ein Tor: Bayern-Stürmer Mario Gomez. (Foto: AFP)

Es ist allerdings auch noch gar nicht so lange her, dass Gomez im Zentrum von Debatten stand. Weil ein westfälischer Verein in der Liga allmählich davonzuziehen drohte, polterte Präsident Uli Hoeneß in seiner Eigenschaft als "Adler vom Tegernsee" (Eigenwerbung), die Spieler müssten halt "mehr laufen" und den Ball besser verarbeiten. Gomez' Name fiel nicht explizit, aber der Nationalstürmer durfte sich angesprochen fühlen. Dabei ist Gomez auch damals viel unterwegs gewesen. Aber er hatte es eben tatsächlich gewagt, drei Partien nacheinander kein Tor zu schießen.

Das geht natürlich nicht.

Zumindest nicht in seinem Fall, und Gomez weiß, dass er "in den vergangenen Jahren die Latte sehr hoch gehängt" hat mit seinen spektakulären Quoten. International wird seine Verlässlichkeit bestaunt, und nur er kann ja zurzeit Schritt halten mit dem Größten, mit Lionel Messi aus Barcelona, der in dieser Champions-League-Saison mit bislang zwölf Treffern nur um ein Törchen besser liegt als der Schwabe.

In einer Wertung hat sich Gomez mit dem Führungstor im Viertelfinal-Hinspiel bei Olympique Marseille (2:0) sogar an die Spitze gesetzt: 23 Tore erzielte der Bayern-Mittelstürmer jetzt in seiner noch jungen Karriere in bisher 2097 Minuten Champions League: Alle 91 Minuten trifft er in diesem Wettbewerb - das ist die beste Quote sämtlicher Spieler mit mindestens 20 Toren seit Einführung der Königsklasse in der Saison 1992/93.

Den introvertierten Menschen Gomez zu fragen, ob er so gut sei wie Messi und ob ihn dieses Wettschießen ansporne, das kann man sich natürlich sparen. Der 26-Jährige ist zurückhaltend gelieben und wohl auch misstrauisch, dem Lauf des Lebens gegenüber und den Launen von Seeadlern. "Ich bin nicht so verrückt, mich mit Messi zu vergleichen", sagt er, "er ist der Beste, den es gab und den es wohl je geben wird. Wir sind komplett unterschiedliche Spielertypen."

Der Spielertyp Gomez hat sich jedoch zwangsläufig verändern müssen, seitdem er 2009 für rund 35 Millionen Euro Ablöse vom VfB kam. "Früher in Stuttgart", erinnert er sich, "da standen wir an der Mittellinie, man kann es vergleichen, wie Gladbach jetzt spielt. Da kannst du in die Räume starten, der Ball muss nur kommen." In München hat er sich umstellen müssen, ganz abgesehen davon, dass ihn der damalige Coach Louis van Gaal so empfing: "Sie sind Stürmer Nummer vier."

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Bei Bayern habe er "ganz, ganz wenig, viel weniger Platz", erklärt er und übertreibt dann ein wenig: "Da sind wir oft mit zehn, elf (!) Spielern in der gegnerischen Hälfte. Ich bin auf der Suche nach dem Raum, aber das ist nicht einfach, weil oft schon jemand da reinläuft." Thomas Müller zum Beispiel, der "Raumdeuter" (Eigenwerbung). Oder Ribéry. Oder Arjen Robben.

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Ihm fehle bisweilen Körperspannung, und er könne nur einfache Tore, solche Dinge hat Gomez zuletzt über sich vernehmen müssen. Weil er halt mal nicht traf. Und es stimmt ja auch: Virtuose Einzelleistungen sind seltener geworden bei ihm, weil er halt "am Ende der Kette" stehe", sagt er. "Ich bin dafür da, das Tor zu machen." Und doch wird ihm die Kritik selten gerecht, denn Gomez verfügt für einen athletischen Stoßstürmer (189 cm, 88 kg) durchaus über feine Technik; auch ist er jemand, der Fußball arbeiten kann.

"Er ist sich nicht zu schade, in die eigene Hälfte zu sprinten und zu grätschen", findet Sportchef Christian Nerlinger. Gomez habe "nicht nur überragende Fähigkeiten vor dem Tor, einen Torinstinkt", sagt Trainer Jupp Heynckes: "Er bringt sich auch sehr gut ein."

Auch abseits des Rasens hat der Torschützenkönig sein Profil geschärft. Man spiele "zu statisch", monierte Gomez etwa in den zähen Wochen nach der Winterpause. Das verstand man in München sehr wohl als Kritik am Trainer. Aber sie war nicht ganz unberechtigt. Und während die Kollegen nun, da Philipp Lahm auf die Rechtsverteidiger-Position wechselte und ihn links David Alaba ersetzt, auf Knopfdruck auch die Vorzüge des aus der Elf gerutschten Brasilianers Rafinha rühmen - erkennt Gomez die Vorteile der Rochade und spricht sie ganz offen an. In dieser Konstellation habe man mehr Erfolg, sagt er, denn mit dem Linksfuß Alaba und dem Rechtsfuß Lahm kämen doch "logischerweise viel mehr Flanken in den Strafraum - das ist gut für uns und gut für mich".

Mario Gomez wird bald den bis 2013 gültigen Vertrag verlängern. Die Bayern wollen zwar zum Juli Claudio Pizarro, 33, aus Bremen dazuholen, damit er den momentan Unersetzbaren etwas entlastet und intern fordert. Gomez stört das nicht sonderlich. Er hält sich nicht für Messi, doch der Spielertyp Gomez gefällt ihm recht gut.

© SZ vom 03.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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