Süddeutsche Zeitung

FC Bayern vor dem Dortmund-Spiel:"Angstgegner können Sie vergessen"

Der FC Bayern will gegen Dortmund nicht nur gewinnen: Er will nach den Misserfolgen zuletzt gegen den BVB auch etwas beweisen. Vor Anpfiff des Viertelfinals im DFB-Pokal plagt sich der Klub deshalb mit der Frage, ob eine Niederlage die nahezu sichere Meisterschaft entwerten würde.

Von Andreas Burkert

Diesen Dank verweigert Jupp Heynckes den Dortmundern dann doch, zumindest am Tag vor dem großen Spiel. Dabei hat er sich in den zurückliegenden Monaten mehrmals lobend erkenntlich gezeigt für den Erkenntnisgewinn, den die Borussia ihm und seinen Leuten geliefert habe mit ihrem Stil, der dem BVB binnen zwei Jahren drei Titel einbrachte und dem FC Bayern Symptome eines Traumas.

Diese Saison ist alles anders, die verstärkten Münchner schweben durch die Wettbewerbe, aber mit den renitenten Trendsettern aus Dortmund hat das ganz sicher nichts zu tun. Sagt Heynckes. "Der Knackpunkt" für das bayerische Revirement seien nicht die Vorführungen durch die Dortmunder gewesen, "das war das verlorene Champions-League-Finale".

So ganz stimmt das natürlich nicht. Für ihre Zwecke adaptierten die Bayern sehr wohl den zeitgemäßen Dortmunder Weg, etwa das Detail der gruppendynamischen Vorwärts-Verteidigung. Man kann das Woche für Woche beobachten, wenn selbst im Ligaalltag jemand wie Franck Ribéry am eigenen Strafraum erscheint. Und Mario Mandzukic darf bisher jene Tore schießen, die sonst Mario Gomez schösse, weil er bei gegnerischem Ballbesitz mehr Kilometer macht als der schwäbische Kollege.

Heynckes, 67, liefert vor dem Pokal-Viertelfinale wohl ganz bewusst seine persönliche Relativitätstheorie bezüglich des Dortmunder Vorbildcharakters. Die Bayern haben sich ja schon genug mit Menschen auseinanderzusetzen, die ihnen angesichts der dünnen Bilanz gegen den BVB - zuletzt sechs Duelle in Liga und Pokal, davon fünf verloren und eines remis; das 2:1 im Supercup zählt nur unter Puristen - einen Komplex andichten wollen. Oder die eben im Zweifel "das Glas halb leer sehen und nicht halb voll", wie Uli Hoeneß beklagt.

Der Präsident mag sich nicht vorstellen, wie das wäre, verlören seine in der Meisterschaft enteilten Bayern ausgerechnet gegen den BVB die zweite Titeloption. Zugleich legt er aber Wert auf die Feststellung, "dass Dortmund in der Bundesliga nicht einen Punkt näher an uns herankäme, wenn sie am Mittwoch gewinnen". Hoeneß kommt jetzt in Fahrt, "17 Punkte sind die zurück", sagt er, "das ärgert die!" Die Meisterschaft sei das Ziel gewesen, "und die lasse ich mir nicht verderben von einer Niederlage". Aber ärgern würde er sich schon, oder? "Sicher", sagt Hoeneß, "aber ich würde mich auch ärgern, wenn wir gegen Bochum verlieren würden."

Am Ende zählt in München immer das Resultat. Am Mittwoch könnte es allerdings, bei allem Prestige, das auf dem Spiel steht, sogar den Bayern mal um Inhalte gehen. Nicht zuletzt der Stratege Heynckes will beweisen, wie sich das Team im zweiten Jahr unter seiner Führung weiterentwickelt hat. Und was es gelernt hat etwa aus diesem 2:5 im Berliner Pokalfinale vom Mai 2012. "Das Pokal-Endspiel war schon bitter", räumt er ein, "das hat weh getan."

Im Bundesliga-Hinspiel Anfang Dezember (1:1) gelang den Bayern die Revanche nicht wirklich. Sie dominierten in der Schlussphase, traten jedoch davor lange mit zu viel Respekt auf - trotz ihrer schon damals beneidenswerten Daten in der Tabelle. "Aber Angstgegner können Sie vergessen", betont Heynckes, "diese Saison ist Zug in der Mannschaft, wir können auch mal Ausfälle kompensieren."

Wie den von Ribéry, der im Pokal gesperrt ist und erst im Finale wieder dabei wäre. "Das ist ein Nachteil", sagt Hoeneß. Arjen Robben ersetzt den Franzosen, und die Partie mag einige Schlüsselduelle sehen wie jenes: Ist Bastian Schweinsteigers strategische Attitüde im Mittelfeld einflussreicher als das kleinteiligere Tempospiel seines angehenden Nationalelf-Konkurrenten Ilkay Gündogan?

Doch wie konsequent die Bayern den Dortmunder Kollektiv-Stil in ihren Vortrag eingebaut haben, könnte am ehesten am bisherigen Luxus-Reservisten Robben abzulesen sein. Heynckes nennt den Auftrag: "Jeder hat seine Aufgabe auch defensiv zu erfüllen."

Nicht nur besser wegen ihrer individuellen Qualität, sondern mindestens genauso klug wie das westfälische Original - das ist es, was Heynckes' Bayern am Mittwochabend anstreben. Das Ergebnis muss natürlich auch stimmen. Verloren haben sie genug, was aber auch Vorteile habe, wie Heynckes findet: "Man wird etwas bescheidener und demütiger und freut sich mal wieder über die deutsche Meisterschaft."

Was dieser Titel an Wert verlöre im Fall eines Pokal-K.o.s gegen die Freunde aus dem Pott, diese Frage stellt sich zumindest nicht für Uli Hoeneß. Sein Glas wäre trotzdem halb voll, und überhaupt hat er andere Pläne. Am Sonntag spielen seine Basketballer im BBL-Hit gegen Bamberg und die Fußballer nachmittags in Hoffenheim.

"Wenn wir am Mittwoch gegen Dortmund gewinnen, überlege ich mir ernsthaft, zum ersten Mal überhaupt ein Fußballspiel des FC Bayern auszulassen", sagt er. Darauf könnten sich die Dortmunder wirklich etwas einbilden. Hoeneß, 61, lenkt den Verein im 34. Jahr.

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SZ vom 27.02.2013/jüsc
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