FC Bayern verliert 2:3 in Mainz:Dramatische Meenzer Fassenacht

Trotz zwei Treffern von Daniel Van Buyten verliert der FC Bayern 2:3 beim FSV Mainz 05 - damit ist nicht nur die Tabellenführung weg, sondern auch das bisherige Selbstvertrauen. Die Leistung war zeitweise so enttäuschend, dass Präsident Uli Hoeneß zur Pause angeblich in die Kabine eilte.

Andreas Burkert, Mainz

Jupp Heynckes ging es nicht gut. Er ist schwer erkältet. Am Samstag hat der Tugendmensch vom Niederrhein sogar dem Abschlusstraining für das Auswärtsspiel in Mainz fernbleiben müssen, so mies fühlte er sich. Sonntagabend litt er sichtbar unter seiner roten Wollmütze, zumal durch die neue Arena des FSV 05 zwar die herzerwärmenden Gesänge des Mainzer Anhangs wehten, aber auch kühl-feuchte Novemberwinde.

Alaba of Bayern Munich challenges Baumgartlinger of FSV Mainz 05 during their German first division Bundesliga soccer match in Mainz

Umkämpftes Duell: Bayerns David Alaba (rechts) gegen Julian Baumgartlinger.

(Foto: REUTERS)

Selten verließ der 66-Jährige seinen Sitzplatz, und wenn, dann nur, um den Profis seine grenzenlose Unzufriedenheit über das Spiel seines Teams mitzuteilen. Dieser Unmut blieb aus Münchner Sicht die einzige Konstante in einer Partie, an deren Ende die Mainzer die Arme hochrissen und die bisherigen Tabellenführer nach dem 2:3 (0:1) trübe dreinblickten. Die zweite Pleite nacheinander hat sie tatsächlich auf Rang drei abstürzen lassen.

Der entkräftete Trainer musste hinterher die Analyse Sportdirektor Christian Nerlinger überlassen, er vertrat ihn auf dem Podium und gab ein schonungsloses Urteil ab. "Wir haben vor allem in der ersten Halbzeit grundlegende Sachen vermissen lassen", sagte er, "wie Laufbereitschaft, Aggressivität, aber auch Kompaktheit." In der Liga sei ein negativer Trend erkennbar, "wir haben drei der letzten fünf Spiele verloren". Nerlinger ergänzte eindringlich: "Wir müssen uns im Endspurt jetzt anders präsentieren."

Im Gegensatz zum Rückschlag gegen Dortmund (0:1) starteten die Bayern in Mainz mit jener logischen Formation, die schon vorige Woche erwartet worden war. Nach den beiden Einsätzen von Beginn an trotz langer Fehlzeit saß Arjen Robben diesmal draußen, seine rechte Außenbahn übernahm wieder Thomas Müller. Kommando zurück also für den Niederländer, für den ja zuletzt die von der sogenannten Robben-Debatte genervten Klublenker vehement Partei ergriffen hatten.

Zudem ersetzte David Alaba im defensiven Mittelfeld den weiterhin vermissten Patienten Bastian Schweinsteiger und nicht Toni Kroos, der wieder eine Reihe weiter vorne auflief. Es ist jetzt wohl nicht nachzuweisen, ob der zumindest gewagte, frühe Einbau Robbens in ein intaktes Gefüge und die Rochaden im Zentrum die Münchner aus dem Tritt gebracht haben - oder doch nur Schweinsteigers Knochenbruch.

Aber offensichtlich wurde auch in Mainz, dass die Bayern jene Selbstverständlichkeit verloren haben, mit der sie im ersten Saisondrittel ihre Abwehr entlasteten - und dank der vorne der pure Ballbesitz zur Bedrohung für jeden Gegner geriet. Souveränität strahlten vor allem Alaba und sein Partner Luiz Gustavo nie aus gegen die hoch stehenden 05er und ihre beiden Viererketten. Einmal schoss der junge Wiener den Kollegen Gustavo in höchster Not am Strafraum an, das nächste Durcheinander vor Keeper Manuel Neuer hielt somit noch ein Weilchen an.

Zu diesem Zeitpunkt führten die auf Sicherung und schnelle Konter ausgerichteten Mainzer 1:0. Nicolai Müller hatte Gustavo stehen lassen und den Ball gegen eine unsortierte Deckung perfekt in den Lauf von Andreas Ivanschitz gespielt; er umkurvte das Stürmerschreckgespenst Neuer mit der Ruhe eines Schalterbeamten (11.). Es folgte eine grotesk konfuse Phase der Gäste, die bei Sotos Kopfball (16.), Nicolai Müllers Fernschuss (20.), Caligiuris Versuch (26.) und Allaguis Luftsprung (33.) orientierungslos wirkten.

Hoeneß in der Kabine?

In der Offensive schoben sich die Bayern ohne Tempo und ideenlos den Ball zu; Franck Ribérys exzellente Torchance entsprang einem Freistoß, nach welchem Mario Gomez den Franzosen bediente - doch Torwart Christian Wetklo parierte aus kurzer Distanz (24.).

Die Leistung der Seriensieger aus dem Herbst war derart enttäuschend, dass Präsident Uli Hoeneß zur Pause angeblich in die Kabine eilte. Von den Bayern wurde das allerdings dementiert.

Der Klassiker einer Standardsituation bescherte den Bayern das zu diesem Zeitpunkt unverdiente 1:1. Kroos, dieser junge Meister der Präzisionsarbeit, hatte sich den Ball aus halblinker Position zum Freistoß zurecht gelegt und schaufelte ihn zu Daniel Van Buyten, gegen dessen Kopfball Wetklo machtlos war.

Heynckes hatte inzwischen gewechselt. Allerdings kam nicht Robben, der sich schon lange vor dem Wechsel aufgewärmt hatte; "er hat muskuläre Probleme angezeigt", erklärte Nerlinger später. Heraus ging Gustavo, Heynckes zog Kroos nun doch zurück und schickte Ivica Olic als hängende Spitze ins Spiel. Die Mainzer reagierten mit einigen Ballverlusten auf den Ausgleich, die Bayern setzten allerdings nicht zwingend nach.

Und als sie sich zumindest ein optisches Übergewicht erarbeitet hatten, folgte wieder etwas Unerwartetes: eine Unsicherheit von Neuer. Caligiuri, der Jérôme Boatengs Seite als persönlichen Laufsteg nutzen durfte, hatte aus knapp 30 Metern abgezogen, auf die fulminant beschleunigte Kugel reagierte der Nationaltorwart zu spät - 2:1 (65.).

Neun Minuten später schien die Partie entschieden zu sein, nach einer Ecke kam Niko Bungert frei zum Kopfball und eröffnete eine Meenzer Fassenacht (74.). Van Buyten störte die Party noch einmal mit seinem nächsten Anschlusstor, wieder nach einen Kroos-Freistoß (79.), Mit etwas Glück überstand Mainz das Finale und die Schlussszene, als Thomas Müller und Van Buyten fast das 3:3 erzielt hätten.

Viel Aufmerksamkeit und Schläue" attestierte 05-Trainer Thomas Tuchel seinen Leuten, während der Gast bedient abreiste. "Wir haben heute was auf die Fresse bekommen", befand Gomez. Thomas Müller dachte eine Woche zurück, als man gegenüber Dortmund auf acht Punkte hätte davonziehen können. Nun liegen sie als Dritter hinten, "und das", stöhnte Müller, "fühlt sich im Moment an wie eine Katastrophe".

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