Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Brandschutz oder Meinungsunfreiheit

Die Gerichtverhandlung im Konflikt zwischen einem Bayern-Fan und dem Klub um ein Hausverbot wegen eines harmlosen Banners ist beendet. Nun wird ein Urteil erwartet. Worum es bei dem Streit geht, darin sind sich die Parteien weiter uneins.

Von Sebastian Fischer

Elf Monate waren bereits vergangen, seitdem sich der FC Bayern und einer seiner Fans zuletzt vor Gericht getroffen hatten, mehrmals war die Verhandlung verschoben worden, und es dauerte dann noch mal mehr als zwei Stunden, bis überhaupt der Vorwurf zur Sprache kam, der diesem Streit die Relevanz verleiht: Der deutsche Rekordmeister, verlas der Fan-Anwalt Andreas Hüttl aus einem vielseitigen Antrag am Ende der Beweisaufnahme, versuche, sich eines kritischen Geists zu entledigen.

Davor ging es am Dienstagnachmittag im achten Stock des Münchner Amtsgerichtsgebäudes um Brandschutzverordnungen im Fußballstadion, den Unterschied zwischen Schwenk- und Zaunfahnen, ihr Ein- und Anbringen sowie ihre Genehmigungspflicht. Es ging um einen Fall, der je nach Auffassung exemplarisch und wegweisend ist für das Mitspracherecht von Fans im Fußball - oder zur Posse zu geraten droht.

Der Fan, der mit Namen nicht in den Medien erscheinen möchte, hat vom FC Bayern ein umfängliches Hausverbot erhalten, nachdem er am 17. Februar 2020 maßgeblich daran beteiligt gewesen sein soll, als Anhänger der zweiten Mannschaft beim Drittliga-Spiel gegen den Halleschen FC im Grünwalder Stadion ein harmloses, allerdings nicht genehmigtes Banner mit der Aufschrift "Bayern-Amateure gegen Montagsspiele" zeigten. Der als einer von zwei Zeugen geladene Sicherheitsbeauftragte, ein Angestellter des Klubs, erklärte, dass er den Fan zwar nicht beim Einschmuggeln beobachtet habe, wohl aber mithilfe von Videomaterial beim Transportieren des Banners - sowie später beim Versuch, wegzurennen. Er habe ihn erkannt: Derselbe Fan habe schon im Jahr 2019 zu einer Partie ein Transparent mitgebracht, das er am Eingang als erlaubte Schwenkfahne ausgab, die sich später aber als Teil einer vom Verein nicht genehmigten Choreografie erwies. Das Transparent wiederum sei bei einem späteren Spiel im Jahr 2019 von Fans dazu genutzt worden, Pyrotechnik zu verhüllen.

Das klingt nun ziemlich umständlich und aus Fan-Sicht vor allem weder besonders dramatisch noch unüblich. Schon bei der gescheiterten Güteverhandlung im August 2020 hatte der Fan-Anwalt Hüttl auf rund 100 vergleichbare Fälle nicht genehmigter und trotzdem gezeigter Transparente beim FC Bayern im Vorjahr verwiesen, die keine Konsequenzen nach sich zogen. Für den Klub allerdings ist der Fall klar. Es gehe um "eine Maßnahme im Interesse der Stadionsicherheit", sagte Gerhard Riedl, Anwalt der FC Bayern AG und Vorsitzender des Ehrenrats des FC Bayern e.V.

Der Fan ist ein vehementer Kritiker der Geschäftsbeziehungen mit Katar

Die Brandschutzdirektion hatte zwar, anders als zunächst vom FC Bayern in der Begründung für das Hausverbot kommuniziert, im Anschluss an den Vorfall gar keine Rüge ausgesprochen. Am Telefon habe er Aussagen der Brandschutzdirektion als Rüge interpretiert, erklärte der Sicherheitsbeauftragte lediglich. Doch ob nun Bagatelle oder nicht: "Vorfälle, die man ahnden kann, muss man ahnden", sagte Riedls Anwaltskollege Christian Schwepcke. Ahnden mit einem unbefristet ausgesprochenen Hausverbot für jegliche Anlagen des Vereins, wohlgemerkt: Allianz Arena, das Grünwalder Stadion sowie den Nachwuchs-Campus und die Trainingsplätze in der Säbener Straße. Drastischer kann eine Strafe für einen Fußballfan kaum sein.

Für den Anhänger selbst ist der Fall ganz anders gelagert. Er ist ein so vehementer wie nachhaltiger Kritiker der Geschäftsbeziehungen des FC Bayern mit Katar, unter anderem war er im Januar 2020 an einer Podiumsdiskussion über die von Menschenrechtlern angeprangerten Arbeitsbedingungen im Land des WM-Ausrichters 2022 beteiligt. Auf der Mitgliederversammlung 2019 brachte er einen Antrag auf eine Erweiterung der Satzung ein, wonach sich der FC Bayern zur Einhaltung der Menschenrechte gemäß den Leitprinzipien der Vereinten Nationen verpflichten und sich für die Menschenrechte einsetzen sollte. Der FC Bayern lehnte den Antrag ab. Eine Mitarbeit des Fans an einer Kommission zur entsprechenden Satzungsänderung scheiterte bislang (wofür sich die Parteien jeweils gegenseitig vorwerfen, verantwortlich zu sein).

Es geht laut Fan-Anwalt Hüttl in der Sache nicht um Brandschutz, sondern vielmehr um Meinungsfreiheit im Stadion und den Versuch des wichtigsten deutschen Fußballvereins, diese mit "Willkür" zu beschränken. Außerdem habe sein Mandant das Banner zwar gezeigt, aber nicht ins Stadion gebracht, wie es ihm vom FC Bayern vorgeworfen werde. Hüttl sei guten Mutes, sagte er, dass mindestens die "Lebenslänglichkeit" des Hausverbots nicht haltbar ist. Das Gericht will am 25. August seine Entscheidung verkünden. Und die Fans von der Vereinigung "Club Nr. 12" sammeln weiter Spenden. Sie seien darauf eingestellt, heißt es, dass der Streit weitergeht. Zur Not vor einer weiteren Instanz.

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