FC Bayern: Van Bommel geht:Adieu, aggressive leader!

"Es tut mir sehr weh, dass ich den Verein verlasse": Bayerns Kapitän Mark van Bommel wechselt zum AC Mailand, weil er sich nicht mehr gebraucht fühlt - die Münchner gehen damit ein Wagnis ein.

Andreas Burkert

Mark van Bommel ist früh dran gewesen, um 9 Uhr 47 kam er an der Säbener Straße an. Das ist zwar keine Zeit für den Familienvater van Bommel, der drei Kinder hat und den Nachwuchs öfters früh morgens im Hort in Grünwald abliefert. Doch das Training war erst für 13 Uhr angesetzt, van Bommel erschien somit deutlich vor den Kollegen auf dem Klubgelände.

Er hatte halt ein paar wichtige Dinge zu erledigen: den Vertrag beim FC Bayern auflösen. Den Spind leeren. Und sich verabschieden von all denen, die ihn als Menschen schätzen gelernt haben in den vergangenen viereinhalb Jahren. Denn Mark van Bommel, 33, zieht um nach Mailand, er spielt ab sofort für Milan. Er freut sich darauf, aber er geht auch schweren Herzens. Mittags, kurz vor dem letzten Besuch in der Kabine, sagte van Bommel: "Es tut mir sehr weh, dass ich den Verein verlasse."

Auf den Moment des Abschieds vom Mannschaftskapitän haben sich allerdings alle schon seit Wochen vorbereiten können. Denn dieser Moment ist vorhersehbar gewesen, seitdem der Vorstand um Karl-Heinz Rummenigge seine Vertragsverlängerung über den Sommer 2011 hinaus abgelehnt hatte - und fast zeitgleich der dann vollzogene Transfer des mutmaßlichen Nachfolgers im defensiven Mittelfeld diskutiert wurde, Luiz Gustavo.

Seitdem ließ van Bommel Angebote aus England, Wolfsburg und Italien sondieren und knurrte stets zu seiner Situation, bis zum Ende der Transferfrist am 31. Januar sei "gar nichts sicher".

"Am Sonntagabend hat der AC Mailand angerufen", berichtete van Bommel am Dienstag, "ich habe schon fast geschlafen." Es ging dann alles sehr schnell. Ob der AC Mailand noch eine Ablösesumme entrichtet und wie lange der holländische Nationalspieler von Italiens Tabellenführer verpflichtet wird, blieb offen. "Die Vereine sind fix, ich noch nicht", sagte der bald 34-Jährige. Er soll schon Mittwoch, wenn die Bayern in Aachen antreten, im Cup-Match bei Sampdoria Genua eingesetzt werden.

Ein letzter Gruß an van Gaal

Van Bommel betonte beim Abschied, wie sehr er sich wohlgefühlt habe, "mit dem Verein hatte ich überhaupt kein Problem". Der Grund seines Wechsels sei auf dem Rasen zu suchen, "die sportliche Situation war nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe".

Das kann als letzter Gruß an Trainer Louis van Gaal gewertet werden, der ihn zwar auch in den Auftaktpartien der Rückrunde samt Kapitänsbinde aufstellte - für die Zukunft jedoch mit Gustavo oder auch mit Toni Kroos auf der Position vor der Abwehr neben Bastian Schweinsteiger plant.

Van Bommel ist nun allerdings nicht explizit vor van Gaal geflüchtet, obwohl sich das Verhältnis der Landsleute abgekühlt hat. In diesem Fall sind sich der Trainer und die Klubspitze mal einig gewesen: Van Bommel darf aus sportlichen Gründen gehen. Die Bayern sind sich zwar bewusst, nun ohne ihre letzte widerborstige Leitfigur in die schweren Spiele des Frühjahrs inklusive der Duelle mit Inter Mailand zu gehen. Das ist ein mutiges Wagnis.

"Ich bin total überzeugt von mir selber"

Aber van Bommels spielerische Mängel wurden ebenso als Hypothek für die sportliche Entwicklung bewertet. Rummenigge und Sportchef Christian Nerlinger hatten deshalb schon vor Weihnachten zu erkennen gegeben, dieses Risiko eingehen zu wollen.

Mark van Bommel

Van Bommel sagt Servus: Der Holländer verabschiedet sich zum AC Mailand.

(Foto: AP)

Van Bommel versichert, er habe sich die Chefrolle noch zugetraut: "Ich bin total überzeugt von mir selber." Er gehe auch nicht, weil van Gaal Zusagen zurückgezogen habe, "das mit der Stammplatzgarantie ist Schmarrn, darüber haben wir gar nicht geredet". Er mochte wohl einfach nicht als lame duck in München enden. Wie das zusetzt, hat er schon unter dem Trainer Klinsmann gespürt, der ihn zwar im August 2008 zum Kapitän ernannte, dann aber zwischenzeitlich auf die Bank setzte.

Mailand dagegen habe ihn "unbedingt gewollt", berichtete van Bommel stolz, erste Kontakte gab es Anfang Januar. Wegen der Blessuren von Gattuso, Seedorf, Ambrosini und Pirlo entschloss sich Milan endgültig zur Verpflichtung, obwohl van Bommel diese Saison nicht mehr im Europacup eingesetzt werden kann und den Altersschnitt nur unwesentlich senkt.

2006 war van Bommel vom FC Barcelona gekommen, mit dem er die Champions League und den nationalen Titel gewann. In München feierte er je zwei Meisterschaften und Pokalsiege, bestritt 123 Ligaspiele (elf Tore). "Mark war immer ein vorbildlicher Profi, ein wichtiger und erfolgreicher Spieler und darüber hinaus ein großer Kapitän", lobt Rummenigge. "

Aufgrund seiner Verdienste um den Verein haben wir Marks Wunsch entsprochen." Dass es auch ein atmosphärischen Bruch gab, weil van Bommel trotz Problemen und Rummenigges Veto im Oktober zum Nationalteam reiste - und sich dort richtig am Knie verletzte -, darüber wird jetzt vornehm geschwiegen.

Aussprache mit Nerlinger

Überhaupt hoffen sie bei den Bayern, wieder etwas Ruhe zu finden, nachdem Präsident Uli Hoeneß und auch Nerlinger zuletzt den Trainer mehr oder weniger offen kritisiert hatten und nun der latent unzufriedene Kapitän von Bord ist. Van Gaal beklagte vor der Abreise nach Aachen, man sei im Fall Nerlinger "wieder ausgespielt worden", was etwas amüsant klang aus dem Mund eines seit bald vier Jahrzehnten im Profifußball beschäftigten Charakterkopfes.

"Und natürlich hat Nerlinger etwas gesagt in den Medien, natürlich hat Hoeneß etwas gesagt, das ist nicht nett, denn das kostet so viel Energie." Aber sie hätten sich Montag wieder halbwegs ausgesprochen, Nerlinger und er. Die Personalie van Bommel stärkt ihn nun wieder ein wenig, sie wird van Gaal nicht weiter Kraft rauben.

Sofern die Bayern Aachen und das Frühjahr überstehen.

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