USA-Reise:Familienbesuch des FC Bayern in Kansas

FC Bayern Muenchen Audi Summer Tour 2019 - Day 8

Niko Kovac reist mit den Bayern durch die USA.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Im angeblich lautesten Stadion der Welt in Kansas City im Bundesstaat Missouri hätte der FC Bayern seine diesjährige US-Tour gegen den AC Mailand beenden sollen - doch jetzt wird anderswo gespielt, im benachbarten Kansas City im Bundesstaat Kansas.
  • Bei der Gelegenheit vertieft der Klub seine Partnerschaft mit Clark Hunt, einem der größten US-Sportunternehmer.

Von Joachim Mölter

142 Dezibel sind so laut, dass es kaum zu ertragen ist. Im Alltag nervt ja schon ein Motorrasenmäher, und der bringt es in der Regel nicht mal auf 100 Dezibel. Bei 110 liegt die Schmerzgrenze, so laut ist es bei einem Rockkonzert. Um 140 Dezibel zu erleben, muss man sich schon auf dem Deck eines Flugzeugträgers neben einen startenden Düsenjet stellen. Bei 150 zerreißt es einem das Trommelfell.

76  000 Fans der Kansas City Chiefs fehlte also nicht mehr viel zum Trommelfellriss, als sie am 29. September 2014 ihr American-Football-Team gegen die New England Patriots anfeuerten. 142,2 Dezibel wurden damals gemessen, so steht es im Guinness-Buch der Rekorde, welches das Arrowhead Stadium seitdem als lauteste Freiluft-Arena der Welt führt. Genau dort hätte der FC Bayern München seine diesjährige USA-Tour ursprünglich mal beenden sollen.

"Das wird eine großartige Erfahrung für die Spieler des FC Bayern", hatte Clark Hunt, 54, jedenfalls angekündigt, als er im Frühjahr zur Bekanntgabe der Tour-Termine in München weilte. Nach Partien gegen den FC Arsenal (1:2) in Carson bei Los Angeles sowie Real Madrid (3:1) in Houston, trifft der FC Bayern an diesem Dienstag (Ortszeit) aber nun im Children's Mercy Park von Kansas City, Kansas auf den AC Mailand. Diese Arena ist etwas kleiner, beim Fußball passen 18 500 Menschen hinein; vor allem aber ist sie deutlich ruhiger.

Der im Children's Mercy Park spielende Sporting Club Kansas City war mal im Besitz der Hunt Sports Group, der bis heute das große Stadion in Kansas City, Missouri sowie der dazugehörige Football-Klub gehört. Über die Hunt Sports Group wiederum verfügen die vier Kinder des Gründers Lamar Hunt. Clark, der Zweitjüngste, führt die Geschäfte des Milliarden-Unternehmens. Allein der Wert der Chiefs wird auf 2,1 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Es ist kein Zufall, dass der FC Bayern in diesem Jahr quasi mal bei der Familie Hunt vorbeischaut. Die besitzt nämlich auch den Fußball-Klub FC Dallas, und mit dem kooperieren die Münchner seit rund einem Jahr in Sachen Talentförderung. Die Texaner haben schon ihren Verteidiger Chris Richards zur U19 der Münchner geschickt. Und der FC Bayern schickt nun seine Profis zum Gegenbesuch - allerdings eben nach Kansas City. Dort, im Mittleren Westen der USA, kann der deutsche Rekordmeister völlig neue Fans erschließen.

Clark Hunt hatte sich seinerseits ursprünglich erhofft, bei der Gelegenheit sein Football-Stadion als geeignete Fußball-Arena für die WM 2026 präsentieren zu können. Kansas City ist in der engeren Auswahl der Austragungsorte; einen Auftritt des FC Bayern hielt er deshalb für "eine weitere Gelegenheit, dem US-Verband und der Fifa zu demonstrieren, was für ein großartiger Spielort das Arrowhead Stadium ist". Aber offensichtlich gab es Bedenken, mit einem nur halb gefüllten Stadion das Gegenteil zu erreichen. In Amerikas Mittlerem Westen sind der FC Bayern und der AC Mailand halt doch noch nicht die ganz großen Zugnummern.

Beim Weltverband Fifa weiß man ohnehin nie genau, wie er was entscheidet, aber dass der US-Verband den Wunsch von Clark Hunt bei der Wahl der WM-Austragungsorte ignoriert, ist sowieso kaum vorstellbar. Jüngst beim Gold Cup sind Vorrundenspiele in Frisco ausgetragen worden, dem Vorort von Dallas, in dem die Kicker daheim sind. Ohne die im Ölgeschäft reich gewordenen Hunts aus Dallas, Texas, gäbe es in den USA wohl überhaupt keinen Fußball.

Lamar Hunt, der 2006 verstorbene Patron, war der größte Sport-Pionier der Sechzigerjahre. Anfang jenes Jahrzehnts gründete er einen Football-Klub, die späteren Kansas City Chiefs, und eine Football-Liga, die AFL. Die verschmolz bald mit der etablierten NFL zu dem Unternehmen, wie man es heute kennt. Auch der Begriff "Super Bowl" für das jährliche NFL-Finale stammt aus dem Hause Hunt: Seine Tochter Sharron prägte ihn, als sie von einem super hüpfenden Gummiball schwärmte, einem "Super Ball" - aber in ihrem texanischen Slang klang es wie "Super Bowl".

Damit nicht genug: 1966 war Lamar Hunt Mitgründer des Basketball-Klubs Chicago Bulls, ein Jahr später initiierte er World Championship Tennis (WCT), den Vorläufer der heutigen Tennis-Tour. Er brachte die bis dato getrennten Profis und Amateure zusammen und begründete so die Ära der "offenen" Turniere, der Open. Für Fußball begeisterte sich Lamar Hunt seit 1966, als er die WM in England besuchte. Er war sofort dabei, als 1968 die "North American Soccer League" (NASL) den Spielbetrieb aufnahm, jene US-Liga, in der Franz Beckenbauer und Pelé bei Cosmos New York ihre Karrieren ausklingen ließen und die selbst 1984 ihr Dasein aushauchte. Hunts Team hieß Dallas Tornado, war 1971 Meister und von 1972 bis 1974 im Finale.

1974 setzen auch Clark Hunts Erinnerungen an Fußball ein. "Als Familie sind wir in dem Jahr zum ersten Mal gemeinsam zur Weltmeisterschaft gefahren, die war in Deutschland", erzählt er, "das war meine erste Erfahrung mit diesem Sport." Bis auf das Turnier 1978 in Argentinien hat er seitdem keine WM versäumt. "Ich hatte das Glück, dass ich zu der Zeit gerade das richtige Alter hatte", findet er. Mitte der Siebziger war er neun, zehn Jahre alt: "Also hab ich angefangen, Fußball zu spielen." Clark Hunt zählt zur ersten Generation von Amerikanern, die mit diesem Sport aufgewachsen sind. Er spielte auf gehobenem College-Niveau für die Southern Methodist University (SMU) in Dallas, zuletzt war er deren Kapitän. "In der Schule war ich im Mittelfeld", erzählt er, "aber der College-Coach brauchte einen rechten Außenverteidiger - da bin ich dann geblieben." Von der Statur her entspricht er ideal der Münchner Verteidigergröße Philipp Lahm.

Hunt hat somit nicht nur ein geschäftliches Interesse am Fußball, sondern auch eine emotionale Bindung. Als Anfang der Neunzigerjahre erneut eine Fußball-Profiliga in den USA etabliert werden sollte, war sein Vater wieder dabei - und er auch. "Die Liga hat uns gebraucht, um in Gang zu kommen", sagt Clark Hunt. Zeitweise managten die Hunts in der Major League Soccer (MLS) drei Teams, die später umbenannten Kansas City Wizards, die Columbus Crew, den FC Dallas. In Columbus bauten sie die erste reine Fußballarena in den USA, für 20 145 Zuschauer. "Wir haben gezeigt, dass in einem Stadion mit der richtigen Größe eine gute Atmosphäre herrscht und man Tickets verkaufen kann", sagt er: "Das hat der strauchelnden Liga geholfen, erfolgreich zu werden." Als die MLS stabil lief, hat Hunt die Klubs in Kansas City und Columbus wieder abgestoßen.

An seiner Leidenschaft für Fußball hat das nichts geändert, die ist auch weithin bekannt. "Jedes Mal, wenn in Europa ein Klub zum Verkauf steht, ruft uns jemand an", erzählt er. Bislang haben er und seine Geschwister alle Angebote abgelehnt; der FC Bayern kann sich also durchaus was darauf einbilden, dass es ihm gelungen ist, mit der Hunt-Family ins Geschäft zu kommen. Größere Engagements außerhalb der USA will Clark Hunt zwar nicht grundsätzlich ausschließen, aber "sie sind nicht im unmittelbaren Fokus". In dem steht vorerst der FC Bayern. "Wir sind sehr zufrieden mit der Partnerschaft", versichert Hunt, "und wir arbeiten daran, sie zu vertiefen."

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels stand fälschlicherweise, dass das Spiel des FC Bayern im Arrowhead Stadium vom Kansas City, Missouri stattfinden würde. Das Spiel fand jedoch im Children's Mercy Park im benachbarten Kansas City, Kansas statt.

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